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Arten des Jihad

Arten des Jihad

Kampf im Sinne der Abwehr innerer Aggressoren

Wenn der Quran vom Kampf (arabisch »Qital«- im Sinne der aktiven Gegenwehr spricht, so ist immer die Situation gemeint, in der die muslimische Gemeinschaft von aggressiven Mächten angegriffen wird. Werden die Muslime überfallen, dürfen sie sich nicht nur verteidigen, sondern haben sogar die Pflicht dazu. Das Schweigen und Hinnehmen einer Aggression wäre nämlich selbst eine Art Aggression, denn es würde bedeuten mitzuhelfen, Gerechtigkeit und Frieden zu beseitigen.

Im Quran heißt es hierzu eindeutig:»... unterdrückt nicht und laßt euch nicht unterdrücken!« (Sure 2, 272), denn beides verhindert Gerechtigkeit und Frieden in der Gesellschaft. So ist das Ziel der permanenten Anstrengung der Muslime die Beseitigung der Aggression.

Friedliche zwischenmenschliche Beziehungen

Innerhalb der islamischen Gemeinschaft regelt Frieden die Beziehungen der Muslime, doch ist Frieden auch die Grundlage der Beziehung der islamischen Gemeinschaft zu anderen nicht-islamischen Gesellschaften.

Die Mitglieder der islamischen Gesellschaft sind entweder Muslime oder Nichtmuslime. Die Beziehungen der Muslime untereinander stellt der Islam auf die Grundlage der Brüderlichkeit und des Glaubens.

Die Beziehung der Muslime zu Nichtmuslimen basiert auf Menschlichkeit und auf der Verbundenheit der großen Menschenfamilie. So werden die Rechte der Nichtmuslime innerhalb der islamischen Gemeinschaft respektiert.

Der einzige Maßstab, den Gott an die Menschen anlegt und der die Menschen voneinander unterscheidet, liegt in der »Ehrfurcht vor Gott« (arabisch»Taqwa«}- alle anderen Privilegien des Menschen sind hinfällig: »0 ihr Menschen, Wir schufen euch aus Mann und Frau und machten euch zu Völkern und Stämmen, auf daß ihr euch gegenseitig erkennt! Wahrlich, der Angesehenste von euch vor Gott ist der Gottesfürchtigste!« (Sure 49, 13)

Auf welche Weise der Islam die Beziehungen der Menschen in einer islamischen Gemeinschaft regelt, kommt ebenfalls in dem bekannten Schreiben Imam Alis an Malik al-Ashtar, der sein Gouverneur in Ägypten werden sollte, aber auf dem Weg dorthin ermordet wurde, zum Ausdruck:

»Schließe das Volk in dein Herz und empfinde ihm gegenüber aufrichtige Freundschaft und Liebe. Möge Gott dich bewahren, wie ein Raubtier auf Beute zu lauern. Bedenke, daß das Volk aus zwei Gruppen besteht: die einen sind deine Brüder im Glauben, die anderen sind Menschen wie du!« (Nahjul-Balagha, Brief 53) Zum Schütze der zwischenmenschlichen Beziehungen muß sich eine islamische Gemeinschaft gegenüber Kräften, die die Beziehungen ihrer Mitglieder stören oder beseitigen wollen, zur Wehr setzen. Diese Verteidigungshaltung ist jedoch nur ein Aspekt des umfassenden Begriffes Jihad und hat nichts mit Kriegstreiberei oder Aggression zu tun.

Wenn der Frieden bedroht ist, tritt Jihad in Aktion. Der Islam respektiert andere Systeme solange die Herrschenden dieser Systeme die legitimen Rechte der Völker auf Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden nicht verletzen. Geschieht dies jedoch, sind die Muslime aufgerufen, die Entrechteten und Unterdrückten in ihrem Kampf gegen ihre Unterdrücker zu unterstützen bis Unterdrückung und Verfolgung aufhört.

Der Islam tritt immer für die Beseitigung von Gewalt, Unterdrückung und Aggression ein - rechtfertigt aber niemals Aggression und »Heiligen Krieg!«

Wiederum drückt diese Tatsache am klarsten der Quran aus: » 0 ihr Gläubigen, tretet ein für Gott, bezeugt die Gerechtigkeit und laßt euch nie durch die Feindschaft eines Volkes dazu treiben, ungerecht zu sein: denn dies ist der Gottesfurcht am Nächsten! Und habt Ehrfurcht vor Gott, denn Gott weiß gewiß alles, was ihr tut!«
(Sure 5, 8)

 Notwendigkeit des Jihad bei Bedrohung der muslimischen Einheit

Die Umma, die »Gemeinschaft der Gläubigen«, ist getragen von der gemeinsamen Überzeugung an den einen Gott (Tauhid). Die Einheit und der Zusammenhalt der Gläubigen sind Voraussetzung für die Vervollkommnung des Menschen. Andernfalls kann sich eine Gesellschaft der negativen Einflüsse, dem Unglauben und Götzendienst (arabisch »Schirk«) nicht erwehren. Die dem Glauben an den einen Gott entspringende gesellschaftliche Einheit ist eine große Kraft: denn die allmächtige, schöpferische Weisheit verleiht einer Gesellschaft, die um die Einheit ringt. Ausstrahlung und Größe! Im Islam gilt daher Spaltung als äußerst verwerflich:

»Und werdet nicht wie jene, die zersplittert und uneins wurden, nachdem zu ihnen die klaren Beweise gekommen waren l Denn diejenigen erwartet eine schmerzliche Strafe!« (Sure 3, 105) An anderer Stelle bezeichnet der Quran die Zersplitterung der Gesellschaft als Ursache gesellschaftlicher Dekadenz: »Und gehorchet Gott und Seinem Gesandten und streitet nicht miteinander, damit ihr nicht schwach werdet und eure Kraft nicht dahinschwinde. Seid hingegen standhaft, denn, wahrlich, Gott ist mit den Standhaften!« (Sure 3, 47) Wenn jene, die die Einheit der muslimischen Gemeinschaft stören, die Muslime gegenseitig aufhetzen und ihre Angriffe auf die herrschende Ordnung, sofern sie auf Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit basiert, nicht beenden, dann ist es die Pflicht der Muslime,»Jihad« gegen diese Gruppe zu führen. Die Muslime sind dann aufgerufen, alles zu tun, um ihre Gegner an deren Aggression zu hindern: »Sollten sich zwei Parteien der Gläubigen gegenseitig bekämpfen, so stiftet Frieden zwischen ihnen. Läßt aber die eine von ihrer Aggression ab, so bekämpft die Partei, die Unrecht tut, bis sie sich dem Gesetz Gottes fügt. Wenn sie sich aber gefügt hat, so stiftet Frieden zwischen den beiden in Gerechtigkeit und Billigkeit! Die Gläubigen sind wahrlich Brüder, darum stiftet Frieden zwischen euren Brüdern und fürchtet Gott, auf daß ihr Erbarmen findet!« (Sure 49, 9-10) Ziel dieser Form des »Jihad« ist die Beseitigung des Unrechts und die Verwirklichung des göttlichen Gesetzes sowie die Schaffung von Frieden und Gerechtigkeit in der Gesellschaft.

 Jihad im Sinne der Abwehr äußerer Aggressoren

» Und kämpft auf dem Wege Gottes gegen jene, die euch bekämpfen, aber begeht keine Ausschreitungen, denn Gott liebt die Maßlosen nicht.« (Sure 2, 190) »Jihad« im Sinne von »Kampf« (arabisch»Qital«) ist immer ein Verteidigungskampf. Im Islam darf niemals ein Angriffskrieg geführt werden. Die Abwehr einer Aggression hingegen gilt als ein Naturrecht des Menschen, d. h. die Selbstverteidigung ist ein Phänomen, das in allen Bereichen des Lebens auftritt. Da der Islam im Einklang mit den Naturgesetzmäßigkeiten steht, akzeptiert er dieses Phänomen.

»Jihad« als Beseitigung der Aggression wird zur Pflicht, wenn die islamische Gemeinschaft angegriffen wird. Wenn Land und Leben bedroht werden, sind die Muslime verpflichtet, sich zur Wehr zu setzen.

Jedoch darf der Abwehrkampf der Muslime nicht selbst zu einer Aggression ausufern. Es dürfen keine Ausschreitungen begangen werden. Auch im Kriegsfall müssen die Regeln der islamischen Ethik unbedingt eingehalten werden. Die Muslime sollen so weit wie möglich Gewalt vermeiden. Auch gegen ihre Feinde dürfen sie nicht maßlos handeln. So ist beispielsweise das Töten von nicht am Kampf beteiligten Personen, das Zerstören von Häusern, die Verwüstung von Feldern, Wäldern, Herden, usw. strikt untersagt. Es wird oft gesagt, der Islam wäre eine kriegerische Religion, die sich mit Feuer und Schwert ausgebreitet hätte. Dabei verkennt man, daß der Islam gekommen ist, um Unheil und Aggression zu beseitigen und Frieden zu stiften.

In ihrer Frühzeit war die islamische Bewegung für die Bevölkerung der damaligen Großmächte Persien und Byzanz die einzige Hoffnung auf Befreiung von diesen ungerechten Systemen, die in kurzer Zeit später tatsächlich ihren Zusammenbruch erlebten. Der Islam ist jedoch auch eine realistische Religion, die ihren Anhängern das Recht einräumt, sich gegen Aggressoren und Unheilstifter zu verteidigen:

»Und bekämpft sie, wo immer ihr auf sie trefft, und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben haben: denn Unheilstiften (>Fitna<) ist schlimmer als Töten.« (Sure 2, 192) Mit »Unheilstiften« (arabisch »Fitna«) sind die Wurzeln allen Unfriedens gemeint (Intrigen, Verschwörung, Kriegstreiberei), die es unbedingt zu beseitigen gilt, wenn es darum geht, Frieden zu schaffen.

Weiter heißt es im heiligen Quran:

»Aber bekämpft sie nicht bei der heiligen Moschee, bis sie euch an dieser Stelle bekämpfen. Wenn sie euch dort aber bekämpfen, dann bekämpft sie, denn das ist der Lohn der Ungläubigen. Sollten sie ablassen, so ist Gott allverzeihend, allbarmherzig. Und bekämpf t sie, bis das Unheilstiften aufgehört hat und der Weg zu Gott frei wird. Wenn sie sich aber bekehren, so soll es keine Feindschaft geben außer gegen die Aggressoren.« (Sure 2, 192-193} Die Beseitigung des Unheils ist im Islam mit dem öffnen des Weges zu Gott verknüpft. Die Religion - der Weg zu Gott (arabisch »Din«)-kann nur dann beschriften werden, wenn die Unheilstifter ihr unseliges Treiben nicht weiter fortführen können.

 Aufruf zum Islam*

Der Islam ist die letzte Offenbarung Gottes an die Menschheit, eine Religion, die für alle Menschen gekommen ist und nicht auf eine bestimmte Gruppe, Klasse oder Schicht begrenzt werden kann. Die Muslime sind angehalten, die Inhalte ihrer Religion, die zur Rechtleitung und Befreiung der Menschen dienen soll, überall, wo sie sich befinden, bekannt zu machen.

Bei der Verbreitung des Islam sind keinerlei Gewaltausübung und Zwang gestattet. Die göttlichen Inhalte dieser Religion sollen nur auf die beste Art, mit Logik und klaren Argumenten kundgetan werden, damit sich die Menschen für den wahren, heilbringenden Charakter des Islam öffnen und die Inhalte der Religion Gottes aufnehmen können. Mit folgenden Worten wendet sich der Quran an Muhammad (Friede sei mit ihm):

»Rufe auf zum Weg deines Herrn mit Weisheit und schöner Ermahnung und argumentiere mit ihnen auf die beste Art und Weise!»
(Sure 16/125)

 Der Rahmen des Aufrufs zum Islam wird soweit abgesteckt, daß jeder, der zum Glauben eingeladen wird, die auf Vernunft basierenden religiösen Prinzipien verstanden haben muß, bevor er daran glauben kann.

»Kein Zwang soll sein im Glauben! Wahrlich der rechte Weg ist vom falschen deutlich unterschieden. Wer also die Tyrannen verwirft und an Gott glaubt, der hält sich an der starken Handhabe, die nicht zerbricht. (Sure 2/256) Werden nun Muslime bei ihrem Bemühen um Wahrheit und Gerechtigkeit behindert oder sogar verfolgt, sind sie berechtigt, sich zu verteidigen.

Anmerkung: Näheres zum Thema »Aufruf zum Islam« siehe »Gutes gebieten und Schlechtes verwehren«. Islamisches Echo in Europa, 6. Folge, S. 32-40.

Befreiung aus Unterdrückung

Im Islam steht Gemeinwohl an oberster Stelle: so haben die Rechte der Gemeinschaft - auf soziale Freiheit, Gerechtigkeit, Frieden - Vorrang vor den Rechten des Individuums. Jeder einzelne Muslim ist verpflichtet, die Rechte der Gemeinschaft zu schützen. Werden die Rechte der Gemeinschaft mißachtet und die Menschen unterdrückt, können die Muslime nicht passiv bleiben. Sie müssen den Entrechteten im Kampf gegen deren Unterdrücker beistehen. Handelt es sich bei den Entrechteten um Muslime, gebietet dies die islamische Brüderlichkeit. Doch handelt es sich um nicht-muslimische Völker, so sind die Muslime auch verpflichtet, ihre entrechteten Mitmenschen in ihrem Befreiungskampf zu unterstützen. » Und was ist mit euch, daß ihr nicht kämpft auf dem Wege Gottes und für die Entrechteten von den Männern, Frauen und Kindern die sagen: »Unser Herr, führe uns hinaus aus diesem Ort der Unterdrücker und gib uns von Dir einen Fürsorger und Helfer Diejenigen, die glauben, kämpfen in der Sache Gottes. Dagegen kämpfen die Ungläubigen im Auftrag der Tyrannen. Darum bekämpft die Genossen des Satans; denn, wahrlich, der Plan des Satans ist schwach.« (Sure 4, 75-76) Auch im Quran also eine klare Aufforderung an die Muslime, ihren bedrängten Geschwistern und auch allen anderen »Verdammten dieser Erde« beizustehen und um deren legitime Rechte zu kämpfen.

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