Ich möchte Dich nochmals daran erinnern, daß Du die Verantwortung dafür trägst, daß die Rechte der Armen gewahrt werden, und Du Dich um ihr Wohlergehen zu kümmern hast. Hüte Dich vor Amtsanmaßung, um nicht den Blick für sie und für diese schwere und wichtige Verantwortung zu verlieren. Du hast einen so wichtigen Posten, daß Du keine Befreiung von der Verantwortung selbst für kleinste Irrtümer, Unterlassungen oder Fehler beanspruchen kannst mit der Entschuldigung, Du wärest voll und ganz mit den größeren Problemen des Staates beschäftigt gewesen, denen Du Dich mit aller Sorgfalt gewidmet hättest. Daher achte sehr genau auf die Mittellosen und setze Dich persönlich für sie ein. Vermeide ihnen gegenüber jegliche Arroganz und Eitelkeit. Denke daran, daß Deine besondere Sorgfalt und Dein Mitgefühl denen gehören muß, die Dich aus eigener Initiative nicht erreichen können und auf die andere herabsehen, sie sogar voller Ekel, Abscheu und Verachtung betrachten. Setze für ihre Belange Persönlichkeiten ein, die vertrauenswürdig, gerecht, gottesfürchtig und bescheiden sind und Dich ständig über das Schicksal der Armen auf dem laufenden halten. Behandle die Dir Anvertrauten dann so, daß Du am Tage des Gerichtes Deine Sache auch erfolgreich vor Gott vertreten kannst, denn von allen Schichten der Gesellschaft verdienen sie vor allem Deine Aufmerksamkeit, Gerechtigkeit und Deine Sympathie. Wenn auch diese armen Menschen Deine besondere Sympathie und Gerechtigkeit verdienen, sollst Du, um vor Gott bestehen zu können, Dich darüber hinaus besonders den Waisenkindern und den Greisen widmen; nicht nur, daß ihnen keine Unterstützung gewährt wird, manche von ihnen wollen (aus Gründen der Selbstachtung) auch niemanden um etwas bitten. Sie können Dich nicht erreichen - also mußt Du Dich ihnen nähern.
Denke daran, daß die Erfüllung dieser Pflicht zwar von den meisten Herrschern als lästiges Übel betrachtet wird, Gott aber denen, die sich seine Gnade wünschen, in sein Reich eingehen wollen und sich daher zwingen, diese Last mit Geduld und Ausdauer zu tragen, diese Arbeit erleichtert und sogar angenehm macht. Sie finden Wohlgefallen daran und glauben an das Versprechen, das ihnen Gott gegeben hat.
Halte in Deinem Arbeitsprogramm bestimmte Zeiten für diejenigen frei, die Dir ihre Kümmernisse vortragen möchten. Während dieser Zeit sollst Du keine andere Arbeit verrichten, sondern ihnen genau zuhören und ihren Problemen und Beschwerden Deine ungeteilte Aufmerksamkeit schenken. Du mußt deshalb eine öffentliche Audienz nur für sie anordnen - und behandle sie während dieser Audienzen um Gottes Willen höflich, freundlich und mit Respekt. Laß auch Deine Ordnungshüter die Halle verlassen, damit jene, die etwa Beschwerden vorbringen wollen, frei zu Dir sprechen können und sich nicht aus Furcht zurückhalten.
Den Propheten - der Friede und der Segen Gottes seien mit ihm und mit seiner Familie - hörte ich oft sagen: "Eine Nation kann nicht das Heil erreichen, wenn die Rechte der Unterdrückten und Verlassenen nicht garantiert sind und wenn sie nicht direkt und ohne Hemmungen gegen die Mächtigen und Einflußreichen erkämpft werden." Du mußt auch daran denken, daß sich zu diesen Audienzen meist einfache Menschen einfinden. Auch wenn Dir ihr Benehmen mißfällt, sie schimpfen oder sich langatmig und kaum verständlich ausdrücken, toleriere es. Sei nicht roh und beleidigend, damit Dein Gott auch zu Dir freundlich und barmherzig sein möge und Dich dafür belohne, daß Du seine Befehle befolgt hast. Wenn Du ihnen etwas gibst, tu es großzügig, offenherzig und mit leichter Hand; bist Du aber gezwungen, ihnen etwas abzuschlagen, dann tu es so, daß ihnen Dein Ablehnen ebenso gefällt wie Dein Gewähren.
Bestimmte Pflichten mußt Du persönlich erfüllen. Dazu gehört das Beantworten der Briefe Deiner Beauftragten und Staatsbediensteten, was nicht von Deinen Sekretären erledigt werden kann. Wenn Du glaubst, daß Deine Staatsbediensteten den Beschwerden und Klagen der Öffentlichkeit nicht gewachsen sind, dann solltest Du Dich persönlich darum kümmern.
Du mußt die Arbeit eines Tages noch am selben Tage beenden, denn jeder Tag bringt Dir seine besondere, neue Arbeit. Reserviere aber Deine beste Zeit für die Gebete zu Gott - obgleich jede Arbeit für den Staat eine Arbeit ist, die Du für Gott leistest, vorausgesetzt jedoch, daß Du sie ehrlich und zielbewußt verrichtest und das Volk damit glücklich und zufrieden machst.
Zu den Pflichten, die Du sorgfältig erfüllen mußt, gehören also auch Deine täglichen Gebete. Sie sollen aufrichtig und regelmäßig verrichtet werden. Setze dafür eine Zeit am Tage und in der Nacht fest. Du wirst Deine physische Kraft für diese Pflicht schon belasten müssen - auch wenn Dich das ermüden mag. Verrichte Deine Gebete aufrichtig und korrekt, aber bete nicht zu lange, damit die, die mit Dir beten, nicht über Gebühr ermüdet werden; bete jedoch auch nicht zu kurz, damit Deine Gebete nicht unvollkommen und damit ungültig werden. Denke auch daran, daß unter denen, die hinter Dir stehen, Kranke oder Menschen, die wichtige Pflichten erledigen müssen, sein können. Als der Prophet - der Friede und der Segen Gottes seien mit ihm und mit seiner Familie - mich in den Jemen sandte, fragte ich ihn, wie ich die Gebete verrichten sollte. Er antwortete: "Bete so wie die schwächste Person, die sich unter Euch befindet und sei freundlich zu den Gläubigen."
Hüte Dich davor, Dich lange Zeit nicht in der Öffentlichkeit blicken zu lassen, denn wenn die Regierenden sich zurückziehen, ist dies ein Zeichen dafür, daß der Staat zur Repression neigt. Es ist Anmaßung, und das Ergebnis einer solchen Haltung ist, daß Du über die Geschehnisse im Staat unwissend bleibst und ihre Bedeutung und Hintergründe nicht erkennst; Du wirst kleineren Ereignissen große Bedeutung beimessen und wichtige Tatsachen übersehen. Und, was noch wichtiger ist, Du verlierst die Fähigkeit, zwischen Gut und Böse, Recht und Unrecht unterscheiden zu können, wirst das eine für das andere nehmen oder beide hoffnungslos miteinander vermischen.
Alles in allem ist ein Regierender ein Mensch wie jeder andere. Er bleibt über Tatsachen in Unkenntnis, über die man ihn auch im unklaren lassen will die Öffentlichkeit könnte schon das rechte Licht darauf werfen doch so wird das Wahre mit dem Falschen vermischt und kann nicht mehr unterschieden werden, denn auf der Stirn der Wahrheit gibt es keine Geburtsmale, durch die man sie von der Unwahrheit unterscheiden könnte: man hat sich an Tatsachen zu orientieren und das Reale vom Irrealen zu unterscheiden. Nur so kann man zur Wahrheit gelangen. Denk daran, daß es nur zwei Arten von Gouverneuren gibt, und zu einer von beiden wirst Du gehören. Du wirst entweder ein gottesfürchtiger, aufrichtiger und sorgfältiger Sachwalter der Gesellschaft sein, im richtigen Augenblick das Richtige tun und stets den Prinzipien der Gerechtigkeit folgen, die Rechte der anderen schützen und Dein Bestes geben, Deine Verpflichtungen gewissenhaft erfüllen und im Sinne Gottes edelmütig und freigebig handeln. Warum solltest Du dann die Öffentlichkeit fliehen? Fürchtest Du die Erfüllung des Rechtes, wozu Du doch verpflichtet bist oder drückst Du Dich vor einer Gunst, die Du zu erweisen hast? Du kannst ein Geizhals sein, jemand, der sich drückt, wo er großzügig sein sollte. Dann werden natürlich die Leute, sobald sie Deinen Charakter durchschaut haben, aufhören, Dich um Wohltaten zu bitten.
Eines solltest Du nicht übersehen: Die meisten Forderungen, die das Volk Dir vorträgt, kosten Dich persönlich gar nichts, da sie die Durchsetzung von Rechten, Verpflichtungen des Staates, Beschwerden über staatliche Unterdrückung und Rufe nach Gerechtigkeit betreffen. Du solltest auch die Tatsache nicht übersehen, daß sich normalerweise besonders bevorzugte und vertraute Personen um den Gouverneur sammeln; sie könnten versuchen, Vorteile aus ihren Positionen zu ziehen und zu Selbstsucht, Betrug, Korruption und Unterdrückung neigen. Wenn Du in Deiner Umgebung solche Leute entdeckst, dann treibe ihnen solche Motive und Wünsche aus. Laß sie fallen, so eng sie auch mit Dir verbunden sein mögen. Beende diesen Skandal umgehend und säubere Deine Umgebung von solch moralischem und geistigem Unrat.
Ländereien darfst Du niemals an Deine Freunde und Verwandten verpachten. Erlaube ihnen ebenfalls nicht, die Wasserversorgung oder Ländereien, die einen besonderen Wert für die Gemeinschaft haben, in ihren Besitz zu bringen. Wenn sie dies nämlich erreichen, werden sie andere unterdrücken, um daraus ungerechtfertigten Profit für sich selbst zu ziehen. Die Früchte werden sie für sich sammeln - Dir aber bleibt nur ein schlechter Ruf in dieser und Bestrafung in der nächsten Welt. Setze das Recht gegenüber allen, die es verdient haben, durch, seien es nun Dir Nahestehende oder Fremde, und auch, wenn es mit Schwierigkeiten verbunden ist. Trage diesen Kummer mit Geduld, laß ihnen das zuteil werden, was sie verdient haben, und hoffe auf die himmlische Belohnung. Ich versichere Dir, es wird Dir gute Früchte einbringen.
Wenn Dir die Leute wegen bestimmter strenger Maßnahmen vorwerfen, Du würdest Dich wie ein Tyrann und Unterdrücker aufführen, dann tritt ihnen offen entgegen, beseitige ihr Mißtrauen, konfrontiere sie mit den Tatsachen und laß sie so die Wahrheit erkennen. Das wird Deinen Gerechtigkeitssinn schulen; dem Volk gegenüber ist es ein Akt des Entgegenkommens, und das Vertrauen, das Du ihm entgegenbringst, wird es veranlassen, Dein Bemühen um Wahrheit und Gerechtigkeit zu unterstützen; und wenn Du in der Sache der Wahrheit seine Unterstützung erhalten hast, wirst Du auch das Ziel erreichen, das Du anstrebst.
Wenn Dein Feind Dir ein Friedensabkommen anbietet, dem Gott zustimmen könnte, so verweigere Dich einem solchen Angebot nicht. Denn der Frieden wird Deinen Armeen angenehm sein und Dich aller Sorgen um die Sicherheit des Landes entheben. Hüte Dich aber selbst nach einem solchen Abkommen vor den Feinden und schenke ihren Versprechungen nicht uneingeschränkten Glauben, denn oft schließen sie Friedensverträge und Abkommen nur, um Dich zu täuschen und zu betrügen und Vorteile aus Deiner Leichtgläubigkeit und Vertrauensseligkeit zu ziehen. Sei vorsichtig und weitsichtig zugleich, und brich niemals das dem Feind gegebene Versprechen; nimm ihm niemals die Sicherheit, die Du ihm gewährt hast, halte Dein Wort, und verstoße niemals gegen die Bestimmungen des Abkommens, das Du mit ihm getroffen hast. Sei bereit, Dein eigenes Leben auf`´s Spiel zu setzen, um einmal gegebene Versprechen zu erfüllen und nicht gegen die getroffenen Übereinkünfte zu verstoßen; denn von allen Verpflichtungen, die Gott dem Menschen gegenüber seinem Mitmenschen auferlegt hat, ist keine wichtiger als die Einhaltung eines Versprechens. Wenn sich auch die Menschen in ihren Ansichten und Denkweisen unterscheiden mögen, so stimmen sie doch darin überein, daß ein Versprechen gehalten werden muß. Selbst die Polytheisten, die ein ganz anderes Wertsystem besitzen als die Muslime, achten darauf, Versprechen, die sie einander gegeben haben, zu halten, denn auch sie kennen die bösen Konsequenzen gebrochener Versprechen. Sei nicht hinterhältig, wenn Du Sicherheit versprichst, und brich niemals Dein Wort. Greife auch niemals an oder bereite einen Angriff vor, bevor Du nicht den Krieg erklärt oder ein Ultimatum gestellt hast. Täuschung und Betrug selbst Deinen Feinden gegenüber ist Betrug gegen Gott; nur ein unverbesserlicher Sünder würde so etwas wagen.