3.18.1 Auferstehung und Jenseits in anderen Religionen und Völkern
Alle Religionen. die zur Anbetung des Erhabenen Gottes aufrufen und dazu Gutes zu tun, aber
Schlechtes zu meiden, sprechen von einem Leben nach dem Tode. Das Gutes-Tun dann von
realem Wert ist, wenn es Erfreuliches im Gefolge hat, steht für sie außer Frage. Und da dieses
Erfreuliche in dieser Welt nicht oder nur in geringem Maße eintritt, muss also eine weitere bzw.
ein Leben nach dem Tode existent sein.
Ganz abgesehen davon, selbst in alten Tempeln und Anbetungsstätten, die darüber Aufschluss
geben, dass auch der Mensch des Altertums an ein Leben nach dem Tode glaubte und den
Verstorbenen – damit sie in der „anderen“ Welt in Ruhe und Sorglosigkeit leben könnten –
allerlei Dinge mit ins Grab legten etc.
3.18.2 Koran und Auferstehung
In hunderten Koranversen wird auf „Ma’ad“, auf die Rückkehr zu Gott bzw. auf die
Auferstehung nach dem Tod, als einer feststehenden nicht anzuzweifelnden Realität eingegangen.
Um den Blick des Menschen zu weiten, zu vertiefen und Zweifel auszuräumen wird zudem an
mehreren Stellen an die Schöpfung und das Schöpfungsgeschehen – als Zeichen der Allmacht
Gottes – erinnert. Unter anderem im 79. Vers der Sure 36, Ya-Sin, in dem es heißt:
ة _ لَ مَر _ شَأَهَا أَو U ىِٓ أَ _X َلِيم قُلۡ يُحيِۡيہَا ٱ { َلۡقٍ % + ِكُل± وَهُوَ
Erkennt denn der Mensch nicht, dass Wir ihn aus einem Tropfen schufen? Und nun hüllt
er sich in Trotz und Leugnen und vergisst seine eigene Erschaffung? Und setzt uns
Gottheiten bei und sagt: Wer will denn wohl das zerfallene Gebein wieder zu Leben
erwecken?! Sag ihm: Jener, der es auch beim ersten Male erschuf. So wie Er ihm beim
ersten Male Leben gab, kann Er es auch zweites Mal tun!
Bisweilen erinnert der Koran an das Wiedererwachen der Natur im Frühling, nachdem sie doch
im Winter erstorben da lag. Hierzu lesen wir im 39. Vers der Sure 41, Fussilat/ Ha-Mim Sagdah:
تزتۡ وَرَبَتۡ _ َلَيۡہَا ٱلۡمَاءَٓ ٱهۡ َ { زَلۡنَا ? َرَى ٱلۡأَرۡضَ خَٰشِعَةً۬ فَإِذَآ أَ . كَ _ وَمِنۡ ءَايَٰتِهۤۦِ أَن
َاهَا لَمُحۡىِ ٱلۡمَوۡتَى A ىِٓ أَحۡ _X رٌ J كل شَىۡءٍ قَدِ + َلَىٰ ُ { هُ _ ن ٱ إِن _ إِ
Eines der Zeichen des Erhabenen Gottes ist, dass die erstorbene Erde, die starr und
verdorrt daliegt, zu leben und zu grünen beginnt, sobald Wir Regen auf sie hinabgehen
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lassen. Gott, der die tote Erde wiedererweckt, wird auch die Toten zu neuem Leben
erwachen lassen. Denn Er ist alter Dinge mنchtig.
Zudem ist es auch das innere Erkennen, die Vernunft, die das gottgegebene menschliche Wesen
die Wahrheit erkennen lässt. In den Versen 27 und 28 der Sure 38, Sad, lesen wir:
َا g َلَقۡ % مَاءٓ ٱ وَمَا _ َہُمَا بَٰطِلا لۡأرَۡضَ ٱ و لس gۡN ِ ٲ ذ وَمَا بَ £ v ن ٱ ظَن Jِ_X نَ كَفَرُواْ مِنَ كَفَرُوا Jِ_¯ ارِ _ ٱلن +! فَوَيۡلٌ۬
ن ٱ أَمۡ نَجعَۡلُ Jِ_X ارِ ç_ قِينَ كٱلۡفُ _ نَ فِى ٱلۡأَرۡضِ أَمۡ نجعَلُ ٱلۡمُت J صٰلِحَٰتِ كٱلۡمُفۡسِدِ _ ُواْ وَعَمِلُواْ ٱل g ءَامَ
Himmel und Erde und alles, was zwischen, in und auf ihnen ist, haben Wir nicht sinnlos –
sozusagen als Zeitvertreib – erschaffen. Denn wenn es so wنre, dass der Mensch bzw. die
Menschheit einige Tage auf Erden weilte und dann sterbe und verginge, so wنre seine
Schِpfung sinnlos gewesen. Nicht mehr als ein Spielchen... Dieweil doch Gott in Seiner
Allwissenheit niemals Sinnloses tut bzw. hervorgehen lنsst.
Diejenigen, die an die „Rückkehr“ – Ma’ad – des Menschen nicht glauben, wähnen seine
Schöpfung als Zufall oder Sinnlosigkeit.
Stellen Wir denn wohl die Gutestuenden mit den Übeltätern auf eine Stufe? Schließlich erfahren
doch weder die Guten noch die Schlechten den vollen Lohn ihres Tun und Lassens schon in
ihrem Erdenleben. Wenn nicht eine weitere Welt existierte, in der beiden, d.h. den Guten und
Frevlern, der volle Lohn für ihr Tun auf Erden zuteil wird, so bedeutete das, das Gott sie
gleichrangig bewertet. Das aber widerspräche der göttlichen Gerechtigkeit.
3.18.3 Was stirbt, ist der Leib, nicht die Seele
Aus islamischer Sicht ist der Mensch ein Geschöpf, das aus Leib und Seele besteht..., aus Geist
und Körper. Der Leib des Menschen ist Materie, ein materielles Gefüge und entsprechenden
Gesetzmäßigkeiten unterworfen. Mit anderen Worten, er hat Größe, Gewicht und „Inhalt“. Das
heißt, er ist „stofflich“ und „räumlich“, benötigt daher Raum. Ganz abgesehen davon, das er
vergänglich und daher auch zeitlich „gebunden“ ist.
Er steht unter dem Einfluss von Wärme und Kälte, wird allmählich älter..., alt und verbraucht.
Ebenso wie er eines Tages – göttlichem Willen gemäß – wurde, wird er auch eines Tages wieder
– ebenfalls infolge göttlichen Willens – vergehen.
Die Seele des Menschen aber ist nicht materieller Art. Das, was die Materie benötigt und
voraussetzt – u.a. Zeit und Raum – trifft für die Seele den Geist nicht zu. Denken, Erkennen,
Bewusstheit und Empfindungen wie Freude und Trauer, Hoffnung und Angst, Wohlwollen,
Missgunst und dergleichen gehören zum Bereich „Seele“. Und ebenso wie für die Seele die
Bedingungen und Besonderheiten der Materie nicht gelten, sind auch die seelischen bzw.
geistigen Empfindungen und Eigenschaften davon ausgenommen. Vielmehr sind „materielle“
Funktionen des Organismus wie die Tätigkeit von Herz, Gehirn und der übrigen Organe der
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„Regie“ der Seele und geistig-seelischer Faktoren untergeordnet. Kein einziges leibliches Organ
oder Glied kann als „Kommandostelle“ fungieren bzw. eingesetzt werden. Der Allmächtige Gott
spricht in den Versen 12 bis 14 der Sure 23, Mu’minun:
من طِينٍ + _ سَٰنَ مِن سُلَٰ ٍَ۬ U َا ٱلۡإِ g لَقۡ % وَلَقَدۡ َ
مكِينٍ _ َٰهُ نُطۡفَةً۬ فِى قَرَارٍ۬ g ثم جَعَلۡ _ ُ
َا ٱلۡعَلَقَةَ مُضۡغَةً g لَقۡ ¾ َلَقَةً۬ فَ َ { طۡفَةَ v َا ٱلن g لَقۡ % ثم َ _ ُ
لۡقًا ءَاخَرَ % شَأۡنَٰهُ َ U ثم أ _ ٱلۡعِظَٰمَ لَحۡمًا ُ F َا ٱلۡمُضۡغَةَ عِظَٰ ما فَكَسَوۡ َ g لَقۡ ¾ فَ َ
Wir schufen den Menschen beim ersten Male aus Lehm. Dann setzten wir ihn als
Samentropfen in der Geborgenheit eines behüteten Ortes ein. Den Samentropfen lieكen wir
zu einem blutreichen Gebilde werden. Dieses daraufhin zu einem breiigen. Aus diesen
bildeten wir dann Knochen, die wir mit Muskeln überzogen. Anschlieكend dann gaben wir
diesem Kِrper eine andere, seine eigentliche Schِpfung.66
3.18.4 Der Tod aus islamischer Sicht
Aus islamischer Sicht ist der Tod nicht etwas, mit dem der Mensch vergeht und zu einem Nichts
wird. Vielmehr ist es so, das sich mit seinem Tode seine Seele, die unvergänglich ist, aus ihrer
Verbindung mit dem materiellen Leib löst, woraufhin dieser stirbt. Die Seele aber lebt weiter.
Ohne den Körper.
Der Erhabene Gott spricht in den Versen 10 und 11 der Sure 32, Sagdah:
ہِمۡ كَٰفِرُونَ + دِي د بَلۡ هُم بِلِقَاءِٓ رَب R لۡقٍ۬ َ % لَفِى َ F_ وَقَالُوٓاْ أَءِذَا ضَلَلۡنَا فِى ٱلۡأَرۡضِ أَءِ
+±
إِلَى رَ _ ِكُم ثُم ± + ىِ وُكل _X ُرۡجَعُونَ . ٱلۡمَوۡتِ ٱ كُمۡ . م َُ _ كُم _ٰ _ قُلۡ يَتَوَف
Jene, die die Rückkehr – „Ma’ad“ – leugnen und sagen: Wie kann es sein, dass wir,
nachdem wir gestorben sind und unser Kِrper in der Erde zerfallen ist, erneut zu einer
neuen Schِpfung werden?
Antwortet ihnen: Der Todesengel, der zu euch geschickt wird, nimmt euch aus eurem Leib
heraus. Das Zerfallen eures Leibes führt daher nicht zu eurer Vernichtung.
Der Gesandte Gottes (s.a.a.s.) erklärte:
66 Sperma, Embryo, Fötus
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Ihr werdet nicht vergehen und zu einem Nichts werden, sondern wechselt von einem Haus
in ein anderes über.
3.18.5 Die Welt „Barzakh“
Der Islam lehrt, dass der Mensch nach seinem Tod sein Leben in einer besonderen, „anderen“
Weise fortsetzt. War er auf Erden gut, wird es ihm wohlergehen. Doch war er schlecht, leidet er.
Wenn dann der Tag der Auferstehung gekommen ist, wird er zur großen Abrechnung gerufen.
Die Welt, in der der Mensch nach seinem materiellen Tod – das heißt wenn sich seine Seele von
seinem Leib gelöst hat- bis zur Auferstehung lebt, wird als „Barzakh“ bezeichnet.
Im 100. Vers der Sure 23, Mu’minun, lesen wir:
َرۡزَخٌ إِلَٰى يَوۡمِ يُبۡعَثُونَ ± مِ
.
_ وَمِن وَرَآ
Nach dem Tod sind sie – bis zum Tag der Auferstehung – in der Welt „Barzakh“.
Und im 169. Vers der Sure 3, Al-Imran, heißt es:
َۢ ¢ أَمۡوَٲ _ I لِ ٱ AِB ِلُواْ فِى سَ T نَ قُ Jِ_X رۡزَقُونَ J بهِمۡ ُ + َاءٌٓ عِندَ رَ A بن ٱ بَلۡ أَحۡ _ وَلَا تَحۡسَ َ
Halte jene, die auf dem Wege Gottes getِtet werden, nicht für tot. Sie sind lebendig und
versorgt bei ihrem Herrn.
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4 Zur Islamischen Ethik
4.1 Weil er „Mensch“ ist...
All die zahllosen Dinge, von denen der Mensch zur Erleichterung seines Lebens Gebrauch macht,
standen ihm – mit Ausnahme einiger weniger – nicht von Anbeginn an zur Verfügung. Er musste
sie sich vielmehr im Laufe der Zeit durch Fleiß und unermüdliche Anstrengung erarbeiten. Sicher
ist auch, dass er, der Mensch, vom ersten Augenblick an, da er seinen Fuß in diese Welt setzte bis
zum heutigen Tag niemals die Hände in den Schoß legte und sich von „Arbeit, Erwerb und
Erreichen“ zurückzog. Unentwegt mühte er sich, um die Dinge, die ihm das Leben erleichtern
und die er benötigt, zu beschaffen, zu nutzen und zu verbessern. Dieses entspricht seiner ihm von
Gott gegebenen Natur. Das kann und darf auch gar nicht anders sein, da ein Mensch, dessen
„Aktivitätstrieb“ erlischt, „erstirbt“. Alles in ihm erschlafft, wird „inaktiv“ und setzt aus..., Herz,
Lunge, Gehirn etc...
Er arbeitet und betätigt sich, weil er „Mensch“ ist. Weil dieses Sich-Aktivieren zur menschlichen
Natur gehört. Sein gottgegebenes „inneres Erkennen“ sagt ihm, das er sich um sein Wohlergehen
und Weiterkommen bemühen muss, weshalb er sich anstrengt und etwas dafür tut.
Instinktiv begreift er – wo und in welchem Milieu er auch leben mag, ob er religiös eingestellt ist
oder nicht, ob sozial engagiert oder im Despot, ob Stadtmensch oder Beduine –, dass es eine
Reihe von Aufgaben gibt, die er, um eines intakten Lebens willen erfüllen muss. Indem er diesen
entspricht, kommt er seinen tatsächlichen, in seinem menschlichen Wesen veranlagten Wünschen
entgegen und schafft die Voraussetzungen zu seinem Lebensglück. Der Wert dieser Aufgaben
und Verpflichtungen, die – so er sie erfüllt – der einzige Weg zu seinem Wohl sind, entsprechen
dem Wert seiner Menschlichkeit, seines „Mensch-Seins“. Kostbareres und Wertvolleres aber, das
er mit diesem austauschen möchte, kennt er für sich nicht...
Mit anderen Worten: Pflichtbewusstsein und Aufgabenerfüllung haben das wichtigste in unserer
Lebenspraxis zu sein. Darum, weil darin – wie bereits gesagt – unser Mensch-Sein beruht. Wer
seine Verpflichtungen jedoch vernachlässigt, büßt von seiner Menschlichkeit ein. Und mit jedem
Nicht-Erfüllen seiner Aufgaben sinkt er tiefer und tiefer hinab auf ein immer niedrigeres Niveau.
Wenngleich er in der Tiefe seines Seins über sein eigenes Niedrigsein recht wohl im Bilde und
damit unzufrieden ist. Je tiefer er aber sinkt und je weniger er seiner Verantwortung als Mensch
gerecht wird, umso mehr schadet er damit seiner Gesellschaft und vor allen Dingen sich selbst.
Gott spricht in den Versen 2 und 3 der Sure 103, Asr:
سَٰنَ لَفِى خُ سر U ن ٱلۡإِ _ إِ
بۡر _ وَتوََاصَوۡاْ بِٱلص + ٰلِحَٰتِ وَتوََاصَوۡاْ بِٱلۡحَق _ ُواْ وَعَملُِواْ ٱلص g نَ ءَامَ Jِ_X لا ٱ _ إِ
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Der Mensch ist Verlust und Verelendung ausgesetzt. Auكer jenen, die glaubend sind und
gute Werke tun und einander aufrufen, der Wahrheit zu folgen und standhaft-geduldig zu
sein.
Und im 41. Vers der Sure 30, Rum, heißt es:
اسِ ... _ َتۡ أَيۡدِى ٱلن B بر وَٱلۡبَحۡرِ بِمَا كَسَ + ظَهَرَ ٱلۡفَسَادُ فِى ٱلۡ َ
Infolge des hنsslichen Tuns des Menschen breiteten sich Unheil und Verderben in der Welt
aus.