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Friday 19th of April 2024
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Auch der Einfluss von Spinoza auf Goethe war lange Zeit ein Tabu-Thema in der Goethe-Forschung. Momme Mommsen war einer der Ersten, der sich in zwei Studien diesem Thema zugewendet und der auch die erste umfassende Monographie über Goethes Beziehung zu Sp

Auch der Einfluss von Spinoza auf Goethe war lange Zeit ein Tabu-Thema in der Goethe-Forschung. Momme Mommsen war einer der Ersten, der sich in zwei Studien diesem Thema zugewendet und der auch die erste umfassende Monographie über Goethes Beziehung zu Spinoza, diejenige von Martin Bollacher, angeregt hat. Er hat auf eines der Hindernisse hingewiesen, welches bei uns modernen Europäern dem Verständnis von Goethes Verehrung für Spinoza [und damit zugleich des Islam] entgegensteht, nämlich, dass im allgemeinen die Denkweise neuerer Zeit zum Indeterminismus neigt, wogegen Goethe den Determinismus [sowohl] Spinozas [als auch der Muslime] uneingeschränkt willkommen hieß. Die Schwierig¬keit, sich den Determinismus als Denkweise zu eigen zu machen, hat Albert Einstein mit folgenden Worten treffend gekennzeichnet:

Spinoza ist der erste gewesen, der den Gedanken der deterministischen Gebundenheit allen Geschehens wirklich konsequent auf das menschliche Denken, Fühlen und Handeln angewendet hat. Nach meiner Ansicht hat sich sein Standpunkt unter den um Klarheit und Folgerichtigkeit Kämpfenden nur darum nicht allgemein durchsetzen können, weil hierzu nicht nur Konsequenz des Denkens, sondern auch eine ungewöhnliche Lauterkeit, Seelengröße und Bescheidenheit gehört.

Nun soll hier nicht eingehend der Frage nachgegangen werden, ob Goethe im formalen Sinne ein Muslim war oder nicht. Nach dem Erscheinen des Buchs von Katharina Mommsen ist in der Tat darüber eine Debatte eröffnet worden, und zwar von Seiten deutscher Muslime, die verständlicherweise ein Interesse daran haben, den größten deutschen Dichter als einen der ihren betrachten zu können.
Ich möchte immerhin mit meiner Meinung nicht hinter dem Berge halten und stichwortartig andeuten, wie ich die Sachlage sehe:

1) Goethe hat "Religionsveränderungen" [=Konversionen] abgelehnt und hat folgerichtig dem Christentum auch nie abgeschworen, ja einmal bekennt er trotzig, am 7.4.1830 dem Kanzler F.v.Müller: ”Sie wissen, wie ich das Christentum achte, oder Sie wissen es vielleicht auch nicht; wer ist denn noch heutzutage ein Christ, wie Christus ihn haben wollte? Ich allein vielleicht, ob ihr mich gleich für einen Heiden haltet.“

2) Hier ist übrigens ein Paradox der damaligen Zeit zu vermerken. Goethe, Schiller, Hölderlin und andere Dichter der Zeit haben sich in ihren Dichtungen unbekümmert Motiven aus der antiken Mythologie, die ja eine Religion der Vielgötterei darstellte, in einer Weise bedient, dass man den Eindruck gewinnen könnte, sie seien ernsthaft vom monotheistischen Christentum zum heidnischen Götterglauben zurückgekehrt. Dennoch nahmen die Vertreter der Kirchen kaum Anstoß daran, ja sie wären gar nicht auf den Gedanken gekommen, diese Dichter des Rückfalls ins Heidentum zu bezichtigen.
Paradoxerweise wurden damals vielmehr die streng monotheistischen Muslime als "Heiden" verteufelt, und insofern gehörte Mut dazu, wenn einer sich seinerzeit in Deutschland zum Islam bekannte. Das aber tat Goethe, wenn auch auf seine zurückhaltende Art, als er in der Ankündigung zum West-östlichen Divan vom 3. Januar 1816 öffentlich gestand, der Dichter desselben "lehne den Verdacht nicht ab, daß er selbst ein Muselman sei".

3) Soviel ist gewiss: in theologisch-dogmatischer Hinsicht stand Goethe dem Islam weit näher als den Lehren der christlichen Kirchen. Insbesondere lehnte er die Dreifaltigkeitslehre ab und damit die Lehre von der Gottessohnschaft Jesu, welche auf dem Konzil von Nicea im Jahre
325 nach Christus zum alleingültigen Dogma erhoben worden war. (Die damals bei diesem Konzil unterlegenen Tendenzen, d.h. die Arianer und andere christliche Sekten, wurden später vor allem im byzantinischen Reich grausam unterdrückt und verfolgt. Kein Wunder, dass viele dieser zu Abtrünnigen erklärten Christen nach dem Auftreten des Propheten Mohammed sich dem Islam zuwandten und somit zum Siegeszug des Islam durch den ganzen Orient beitrugen.) Goethe stimmte voll mit der gegen das Dreifaltigkeits-Dogma gerichteten 112.Sure des Koran überein, die ihm unter anderem im 1811 publizierten zweiten Band der Fundgruben des Orients in der Übersetzung Josef v. Hammers vorlag:

Das Bekenntniß der Einheit.

1. Sag': Gott ist Einer,
2. Er ist von Ewigkeit;
3. Er hat nicht gezeugt,
4. Er ward nicht gezeugt,
5. Ihm gleich ist Keiner.

An dieser Stelle möchte ich einige Verse aus einem Gedicht zitieren, das Goethe, Rücksicht nehmend auf die Bedenken seines jungen katholischen Freundes Sulpiz Boisseré, zu seinen Lebzeiten unter Verschluss gehalten hat, und das erst 1836, also vier Jahre nach seinem Tode, veröffentlicht und dann fälschlicherweise dem "Buch Suleika" zugeordnet wurde. Es beginnt mit der Verszeile: "Süßes Kind, die Perlen¬reihen...". Außer jenem offenen Bekenntnis zur Lehre des Propheten Mohammed, das ich meinem Vortrag als Titel vorangesetzt habe, besteht eine weitere Eigenheit dieses Gedichts darin, dass Goethe hier seiner Abneigung gegen das christliche Kreuzeszeichen entschiedenen Ausdruck verleiht, und gerade das war es, woran Boisseré vornehmlich Anstoß nahm. Die für unsere Frage entschei¬den¬den zwei Strophen lauten jedoch:

Jesus fühlte rein und dachte
Nur den Einen Gott im Stillen;
Wer ihn selbst zum Gotte machte,
Kränkte seinen heilgen Willen

Und so muß das Rechte scheinen
Was auch Mahomet gelungen;
Nur durch den Begriff des Einen
Hat er alle Welt bezwungen.

4) Wer Goethe jedoch mit seiner Versicherung: "Im Islam leben und sterben wir alle" (die in seiner Sicht ja auch ihn als Christen mit einschloss) unbedingt zu einem Muslim erklären möchte, dem sei das anheim gestellt, denn dem Wortsinn nach ("wenn Islam Gott ergeben heißt") konnte er sich eben in der Tat als einen solchen verstehen. Nach der Lehre des Koran ist allerdings Gott selbst die letzte Instanz, die entscheidet, wer in seinem Leben ein Muslim war und wer nicht; es gibt da keinen Papst, der bereits vor dem Jüngsten Gericht bestimmen kann, ob jemand als Seliger oder gar als Heiliger zu gelten hat und ob ihm somit ein Platz im Paradies gesichert ist. Im Gegensatz jedoch zur islamischen Orthodoxie, die in der Einhaltung bestimmter formaler Verhaltens¬regeln den einzigen Weg zum Heil sieht, fand Goethe sich in seinen Anschauungen bestätigt durch die zweite Sure des Koran, in der mehrmals betont wird, dass es letztendlich nicht auf die Form, sondern auf die inhaltliche Erfüllung der Bestimmungen des Islam ankommt, und er hat sich bereits als Zweiund¬zwanzig¬jähriger die betreffenden Stellen aus der gerade damals in Frankfurt von einem Professor Megerlin ins Deutsche neu übersetzten Ausgabe des Koran notiert, so auch den Vers 172:

Darinn besteht eben nicht die Gerechtigkeit, dass ihr eure Angesichter richtet gegen Morgen oder gegen Abend, sondern darinn ist die Gerechtigkeit: wer recht glaubet an Gott, und an den iüngsten Tag, und an die Engel, an die Schrift, und Propheten: und wer ferner von seinem Vermögen giebt, um der Liebe Gottes Willen, seinen Verwandten, den Waisen, den Armen, den reisenden Pilgrimen, den Bettlern, und den Gefangenen Sklaven zur Erlösung, wer auch das Gebet beständig verrichtet, sein Bündniss hält, wo er Treue versprochen, und der sich gedultig erweisst in Widerwärtigkeiten, und Unglücksfällen, und zur Zeit der kriegrischen Gewaltthätigkeit: solche sind die so wahrhafftig sind und Gott fürchten.

5) Gewiss ist aber auch, dass Goethe, lebte er heute in einem sogenannten islamischen Staat wie Pakistan, Saudi-Arabien, Sudan oder Mauretanien, mit vielen seiner Ansichten auf Widerstand stoßen und vermutlich zum Ketzer erklärt und hingerichtet oder von den Fundamentalisten ermordet würde. Und genau das ist das treffende Stichwort: Goethe war, theologisch gesehen, kein Heide, als welchen er sich spaßeshalber gelegentlich selbst bezeichnete, er war ein Ketzer. Zu seinen theologischen Lieblingsbüchern mit Bezug auf das Christentum gehörte Gottfried Arnolds "Unparthey¬ische Kirchen- und Ketzer-Historie. Vom Anfang des Neuen Testaments Biß auf das Jahr Christi 1688". Er selbst schrieb darüber in Dichtung und Wahrheit (Teil II, Buch 8): "Was mich an diesem Werk besonders ergötzte, war, daß ich von manchen Ketzern, die man mir bisher als toll oder gottlos vorgestellt hatte, einen vorteilhaftern Begriff erhielt." Was das Judentum betrifft, so haben wir bereits gesehen, dass seine besondere Vorliebe dem als Ketzer geltenden jüdischen Philosophen Spinoza galt. Wer aber vom Islam nichts weiß, wird nicht erkennen können, dass Goethe bei seinem Studium der orientalischen Literatur sich wiederum mit besonderer Aufmerksamkeit den ketzerischen Tendenzen innerhalb des Islam zugewandt hat.

Es gibt insbesondere eine auf die Aufklärung vorausweisende Richtung im Islam, die Mu'tazila, welche zwar in der frühen Blütezeit des Islam höchste Achtung genoss, ja vom aufgeklärten Khalifen El-Mamun zur Staatsdoktrin erhoben, dann jedoch zur Ketzerei erklärt wurde, als unter dessen Nachfolgern die Obskurantisten die Oberhand gewonnen hatten. (Ich halte es deshalb übrigens für falsch, wenn immer wieder gesagt wird, der Islam habe keine Aufklärung gekannt und die Muslime müssten sozusagen noch einmal die Schulbank drücken, um die Aufklärung nachzuholen. Was wäre die europäische, insbesondere die deutsche Aufklärung ohne den Einfluss des Islam? Umgekehrt gefragt: gibt es nicht bei uns auch "NeoCons", die bestrebt sind, die Aufklärung wieder rückgängig zu machen?) Durch den Artikel Motazelah in Herbelots Bibliothèque Orientale war Goethes Aufmerksamkeit auf die Mu'tazeliten gelenkt worden. Daraufhin notierte er sich: ”Sunniten = Orthodoxe, Motazales = Ketzer“. In unserem Zusammenhang ist nun bemerkenswert, daß der Dichter des Divan im zweiten seiner Talismane ein Gedicht schuf, das mit seiner Lobpreisung Gottes als des einzig Gerechten wie ein mu'tazelitisches Credo anmutet:

Er der einzige Gerechte,
Will für jedermann das Rechte.
Sei, von seinen hundert Namen,
Dieser hoch gelobet! Amen.

Was steckt denn nun aber für die Orthodoxen an Ketzerischem in diesem Gedicht? Die Mu’tazila beschäftigte sich (wie später Spinoza) insbesondere mit der Frage nach den Eigenschaften Gottes. Dabei hob sie besonders zwei Eigenschaften Gottes hervor. Einmal die Einheit Gottes im Gegensatz zum Polytheismus, aber auch zur Dreifaltigkeitslehre des Christentums. Goethe lag diese Lehre des Islam, wie wir gesehen haben, besonders am Herzen, mit der Begründung (in den "Noten", Kapitel "Mahmud von Gasna"): "Der Glaube an den einigen Gott wirkt immer geisterhebend, indem er den Menschen auf die Einheit seines eigenen Innern zurückweist." Die Einheitslehre ist allerdings Gemeingut aller islamischen Glaubens¬¬richtungen. Aus dieser Lehre meinte die Mu’tazila jedoch den Gedanken ableiten zu können, dass Gott gerecht sein müsse. Ein ungerechter Herrscher kann also nicht gottgewollt sein, der Widerstand gegen ihn ist demnach legitim.

Welche Sprengkraft denn auch noch heute in den angeblich ketzerischen Lehren der Mu’tazila liegt, zeigt sich am Beispiel des ägyptischen Korangelehrten und Sprach¬wissen¬schaftlers Professor Nasr Hamid Abu Zeid. Sein angebliches Verbrechen bestand darin, dass er seine Studenten dazu angehalten hatte, im Zuge eines Studiums des islamischen Erbes, d.h. der verschiedenen Strömungen der islamischen Theologie zur Zeit der Hochblüte islamischer Kultur, sich auch mit der Mu’tazila zu befassen. Wohlgemerkt, sie zu studieren, nicht etwa ihre Lehren unbesehen zu übernehmen! Dennoch reichte das aus, um ihn den Hütern der Orthodoxie suspekt zu machen und ihn zu einem Nichtmuslim, d.h. zu einem Abtrünnigen vom Glauben zu erklären. Damit war er praktisch vogelfrei, denn als ein Abtrünniger vom Glauben ist er für die Islamisten sozusagen zum Abschuss freigegeben. Professor Nasr Hamid Abu Zeid musste mit seiner Frau ins Ausland fliehen, sie leben jetzt in Holland im Exil. Wenn also Goethe sich mit innerislamischen Auseinandersetzungen aus früherer Zeit befasst hat, so zeigt sich in unseren Tagen, dass er damit auf Probleme gestoßen ist, die in der islamischen Welt noch heute aktuell sind.

Aus der Feststellung, dass Goethe im Islam eine Glaubenslehre gesehen hat, die mit seinen religiösen Auffassungen weitgehend übereinstimmte, folgt für mich jedoch nicht, dass man sich seinen Überzeugungen unbedingt anschließen muss, um Freude an seinen poeti¬schen Werken zu haben, in welchen er diesen Überzeugungen Ausdruck verleiht. Mir geht es um etwas viel Einfacheres, nämlich darum, deutlich zu machen, dass sich der Inhalt dieser Werke erst demjenigen wirklich erschließt, der sich ein wenig mit dem islamischen Kontext vertraut macht, innerhalb dessen sie von Goethe konzipiert wurden.

Ich möchte das am Beispiel von drei Gedichten eingehender darstellen, an zweien aus seiner Jugendzeit, d.h. der Periode des Sturm und Drang, und an einem Gedicht aus seinem lyrischen Alterswerk, dem "West-östlichen Divan", wobei ich mit letzterem eines der bekanntesten, aber auch geheimnisvollsten Gedichte Goethes gewählt habe. Malen Sie sich dabei in Gedanken aus, wie es wäre, wenn Sie zu Gedichten wie dem "Prometheus" oder dem "Ganymed", die ebenfalls aus Goethes Sturm- und Drang-Periode stammen, oder zur "Klassischen Walpurgisnacht" oder der Philemon-und-Baucis-Episode in Goethes anderem Spätwerk, dem Faust II, um nur ein paar Beispiele willkürlich herauszugreifen, ebenso wenig über deren antiken Hintergrund wüssten wie über den islamischen Hintergrund der vorgeführten Beispiele, ganz zu schweigen vom christlichen Hintergrund des "Oster¬spaziergangs" oder Gretchens Gebet "Ach neige / Du Schmerzensreiche".

Zum ersten Beispiel, das ich anführen will, brauche ich in der Folge gar nicht weiter viel zu sagen, wenn ich Ihnen die Quelle bezeichnet habe, die Goethe als Vorlage diente. Ich muss Ihnen jedoch erklären, warum dieses Gedicht, so schön es ist, fast keiner kennt, es sei denn, er habe die Arbeiten Katharina Mommsens zu unserem Thema gelesen. Das Gedicht stammt, wie gesagt, aus Goethes Sturm-und-Drang-Periode, und zwar, als er plante, eine Tragödie zu schreiben, in der er das Leben des Propheten Mohammed darstellen wollte. Allein schon über diesen Plan erfahren Sie aus der einschlägigen Goethe-Literatur, soweit sie sich nicht gerade an ein Publikum von Fachleuten richtet, so gut wie nichts, nur von Goethe selbst. Denn in "Dichtung und Wahrheit" spricht er recht ausführlich darüber. Die von Goethe geplante Mahomet-Tragödie ist allerdings Fragment geblieben, und so haben die Herausgeber von Goethes Werken die Entwürfe dazu, darunter eben auch besagtes Gedicht, in den Band "Fragmente" verbannt, sodass nur der glückliche Besitzer einer vollständigen Goethe-Ausgabe es dort nachlesen kann. Denn selbst in den sogenannten Gesamt¬ausgaben von Goethes Gedichten ist es nicht zu finden. Bei unserem Beispiel handelt es sich um einen Hymnus, den Goethe in Dichtung und Wahrheit (Teil II, Buch 14) innerhalb der Betrachtung seines Mahomet-Fragments wie folgt kommentiert hat:

Das Stück fing mit einer Hymne an, welche Mahomet allein unter dem heiteren Nachthimmel anstimmt. Erst verehrt er die unendlichen Gestirne als eben so viele Götter; dann steigt der freundliche Stern Gad (unser Jupiter) hervor, und nun wird diesem, als dem König der Gestirne, ausschließliche Verehrung gewidmet. Nicht lange, so bewegt sich der Mond herauf und gewinnt Aug' und Herz des Anbetenden, der sodann, durch die hervortretende Sonne herrlich erquickt und gestärkt, zu neuem Preise aufgerufen wird. Aber dieser Wechsel, wie erfreulich er auch sein mag, ist dennoch beunruhigend, das Gemüt empfindet, daß es sich nochmals überbieten muß; es erhebt sich zu Gott, dem Einzigen, Ewigen, Unbegrenzten, dem alle diese begrenzten herrlichen Wesen ihr Dasein zu verdanken haben.

Wie viele Generationen von Goethe-Lesern haben wohl Dichtung und Wahrheit und damit auch diese Stelle gelesen, ohne zu wissen, wovon Goethe hier spricht! Das Gedicht lautet:

Teilen kann ich euch nicht dieser Seele Gefühl
Fühlen kann ich euch nicht allen ganzes Gefühl
Wer, wer wendet dem Flehen sein Ohr?
Dem bittenden Auge den Blick?

Sieh er blinket herauf Gad der freundliche Stern.
Sei mein Herr du! Mein Gott. Gnädig winkt er mir zu!
Bleib! Bleib! Wendst du dein Auge weg?
Wie? liebt ich ihn, der sich verbirgt?

Sei gesegnet o Mond! Führer du des Gestirns,
Sei mein Herr du, mein Gott! Du beleuchtest den Weg.
Laß! Laß! Nicht in der Finsternis
Mich! irren mit irrendem Volk.

Sonn dir glühenden weiht sich das glühende Herz.
Sei mein Herr du mein Gott! Leit allsehende mich.
Steigst auch du hinab herrliche!
Tief hüllet mich Finsternis ein.

Hebe liebendes Herz dem Erschaffenden dich!
Sei mein Herr du! mein Gott! Du alliebender du!
Der die Sonne den Mond und die Stern
Schuf Erde und Himmel und mich.

Hinsichtlich unseres Themas sind an diesem Gedicht zunächst zwei Aspekte bemerkenswert. Zunächst einmal die Sympathie, mit der Goethe den Helden seines geplanten Dramas, den Propheten Mohammed, schon als Knaben bei uns einführt. Diese Sympathie bewahrt ihm der Autor das ganze Stück hindurch bis an sein Lebensende. Das wissen wir nicht nur daraus, wie nach Goethes Darstellung in "Dichtung und Wahrheit" das Stück seinem Plan gemäß weitergehen sollte, wir wissen es auch aus dem Schlusshymnus zum vierten Akt, der uns ebenfalls erhalten ist und der uns als nächstes Gedicht beschäftigen soll. Damit stand Goethe in entschiedenem Gegensatz zu Voltaire und einer Reihe von anderen Aufklärern, die in ihrer Feindschaft gegenüber jeder Art von Religion den Propheten Mohammed zusammen mit Moses und Jesus verdammten als einen der sogenannten "drei Betrüger". Im "Mahomet-Fragment" geht es Goethe um das Thema der "Vermittlung durch einen Propheten", in welchem er, wie oben erwähnt, eine jenen Grundlehren des Islam sieht, mit denen er sich in voller Übereinstimmung befindet.

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