Wir haben über Wege zur Gotterkenntnis und über den wichtigsten islamischen Glaubensgrundsatz, nämlich die Einheit Gottes, gesprochen, und nehmen auch heute wieder das Thema Gotterkenntnis auf.
Aus der Sicht des Menschen hat jede Erscheinung eine Ursache. Daher kann keine Erscheinung von sich aus und ohne Ursache entstehen. Imam Sadiq (gegrüßet sei er) hat auf dieses allgemeine Kausalgesetz hingewiesen und gesagt: „Es ist Gottes Brauch, jede Sache durch ihre Ursache entstehen zu lassen. Es gibt also für jede Sache eine Ursache.“
Wie wir beim letzten Mal sagten, hat Imam Ali (a) über die Manifestationen und Zeichen Gottes gesagt:
… die Zeichen Seiner Weisheit sind offensichtlich, und alles, was Er erschaffen hat, ist zu einem Beweis zu Seinen Gunsten sowie ein Hinweis auf Ihn geworden. Selbst eine stumme Kreatur ist wegen der Überlegung (die bei ihrer Entstehung zum Zuge kommt) ein sprechender Beweis für Sein Heiliges Wesen. …“
Alle faszinierenden Ordnungen und Systeme, denen wir in der Welt begegnen, bedürfen einer Ursache. Kein gesunder Verstand kann akzeptieren, dass die hervorragenden Gemälde und Muster auf der Leinwand „Daseinswelt“ ohne einen versierten Maler zustande gekommen sein sollen.
Wir können ein einfaches Beispiel anführen. Nehmen wir an, für eine Behörde wurde unter Beachtung deren räumlichen Erfordernisse und aller technischen Regeln ein großer Gebäudekomplex errichtet. Die Existenz dieses Gebäudekomplexes lässt darauf schließen, dass er von jemanden entworfen und erbaut wurde. Keiner wird auch nur mit der geringsten Wahrscheinlichkeit annehmen, dass einige Leute, ohne jegliches technisches Wissen, einfach so lange Ziegel übereinandergelegt haben, bis rein zufällig dieser moderne Gebäudekomplex zustande kam. Diese Vorstellung ist nicht mit dem Verstand vereinbar.
Wenn nun aber schon eine im Verhältnis kleine geoordnete Anlage nicht durch den blinden Zufall und nicht ohne Überlegung und Planung entstehen kann, wie können dann die großen erstaunlichen Ordnungen der Daseinswelt reiner Zufall und ohne einen klugen Planer und Erbauer zustande gekommen sein? Die genaue Systematik in der Welt und die Ordnung, die für ihre Kreaturen gilt, zeugen doch für einen mächtigen, weisen, planenden Hervorbringer!
Die nähere Betrachtung der Schöpfungswelt und das Nachdenken über sie ist ein einfacher und klarer Weg um an die Einsicht zu gelangen, dass ein weiser Wille die Welt geplant hat, den Geschöpfen Leben schenkte und alle Kreaturen Ihm ihre Existenz verdanken. Imam Ali (a) sagt über Gott: „Er ist eine Wahrheit, die existiert, auch wenn die Augen ihn nicht sehen können.“
Dennoch leugnen manchmal die Menschen ein Wesen, welches außerhalb des Bereiches ihrer sinnlichen Wahrnehmungen liegt. Wie ist es aber bei einer wissenschaftlichen Entdeckung: Wenn wir die Ursache von einem Ding nicht kennen, leugnen wir nicht, dass es sie gibt, sondern sagen nur: Wir kennen die Ursache nicht. Jemand, der klug ist und logisch denkt, der leugnet nie etwas weil er es nicht sehen und nicht wahrnehmen kann. Würde der Mensch solche Dinge leugnen, so müsste er zahlreiche selbstverständliche Grundsätze der Wissenschaft streichen, die nicht durch Experimente und Beobachtungen mit den Sinnesorganen erfassbar sind. Zum Beispiel konnte der Mensch nicht mit bloßem Auge die elektromagnetischen Wellen sehen, aber er hat sie an ihren Wirkungen erkannt. Keiner leugnet daher diese Erscheinung.
In der Daseinswelt gibt es viele für uns unsichtbare Dinge. Eine größere Anzahl von diesen Dingen haben die modernen Wissenschaften inzwischen entdecken können.
Das menschliche Auge ist manchmal nicht in der Lage Dinge in der Materie zu sehen. Wir können zum Beispiel nicht jedes Licht wahrnehmen. Es muss eine bestimmt Wellenlänge haben. Ultraviolette und infrarote Lichtstrahlen sehen wir nicht… Dennoch gibt es auch diese Arten von Licht mit ihrem besonderen Nutzen.
Ein anderes Beispiel ist die Luft um uns herum. Sie übt Druck auf unseren Körper aus, aber wir spüren keinen Schmerz, weil der Druck von außen durch den Druck unseres Körpers wieder ausgeglichen wird. Diese Wahrheit, die wir nicht mit unseren Sinnen verspüren, hat die Wissenschaft inzwischen erkannt.
Wenn also der Mensch nicht die Existenz von einer Sache mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln wahrnehmen kann, ist dies noch kein Argument dafür, dass es diese Sache nicht gäbe, es sei denn die Unmöglichkeit einer Existenz dieser Sache ließe sich beweisen.
Einmal suchte ein Mann aus Ägypten, der eine materialistische Weltanschauung vertrat, Imam Sadiq (gegrüßet sei er ) auf. Der Imam eröffnete sein Gespräch mit ihm mit mehreren Fragen. Zum Beispiel fragte er ihn: „Warst du schon einmal unter der Erde?“ Der Mann verneinte. Imam Sadiq fragte weiter: „Weißt du was unter der Erde ist?“ Wieder sagte der Mann: „Nein. Ich weiß es nicht, aber ich glaube unter der Erde ist nichts.“
Imam Sadiq (a) setzte fort: „Warst du schon einmal in den Himmeln?“ Der andere: „Nein!“ Imam Sadiq fragte: „Weißt du was in den Himmeln ist?“ Der Mann aus Ägypten sagte: „Ich weiß es nicht, ich denke dort ist nichts.“
Da sagte der Imam: „Das ist eigenartig! Du warst weder im Osten noch im Westen, noch bist du unter die Erde gereist noch in den Himmel! Wie kannst du dann das leugnen, was es dort gibt? Wie kann ein vernünftiger Mensch, etwas leugnen, was er nicht kennt?“ …
Nach weiteren Ausführungen sagte der Imam:
„Wisse, dass wir niemals Zweifel über Gott hegen. Siehst du nicht wie Sonne und Mond, die Nacht und der Tag sich auf ihrer Bahn bewegen und auf ihr bleiben? Haben sie keine eigene Macht, wegzugehen und nicht mehr zurückzukehren? Warum kehren sie zurück?
Bei Gott, sie können nicht über ihre Bewegung entscheiden. Es ist Gott, der diese Dinge auf ihrer Bahn in Gang gesetzt hat und über sie befehligt. Alle Größe ist Gottes.“ (Bihar al Anwar , Bd. 3, S. 52 und 51)
Zu den erstaunlichen Erscheinungen auf der Welt gehören die Lebewesen – mit ihren verschiedenen Formen und Farben – Pflanzen, Tiere und Menschen. Es ist in Wahrheit der lenkende Wille des Herrn, der das Wunder des Lebens mit all seinen besonderen Eigenschaften der leblosen Materie hinzugefügt hat. Gott hat aus der leblosen Materie lebendige Wesen hervorgebracht.
Angesichts der vielen wunderbaren Dingen in der Schöpfung erkennen Menschen mit hellem Verstand und Herzen die Gegenwart Gottes in allen Formen des Daseins. Imam Ali (a) sagt: „Auch wenn die Augen nicht Gott zu sehen vermögen, so helfen doch die Wahrnehmungen der Vernunft den begrenzten Sinneswahrnehmungen des Menschen, mit Gott Bekanntschaft zu schließen.“
Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in den Rahmen der Materie eingesperrt sind und nicht mit unseren Vorstellungen Gott erfassen können. Genauso wie in der Naturwissenschaft Erkenntnis und Untersuchung durch Erfahrung und Experimente erworben werden, gibt es auch eine Methode für die Erkenntnis der nichtmateriellen metaphysischen Wahrheiten und dieses Instrument ist das Denken. Ohne Lenkung durch den Verstand können wir nicht zur Wahrheit der Schöpfung gelangen.
Einmal fragte jemand Imam Ali:
„Hast du deinen Gott gesehen?“
Imam Ali antwortete: „Ich bete niemals einen Gott an, den ich nicht gesehen habe!“
Der Mann fragte ihn: „Wie hast du ihn gesehen? Beschreib es mir!“
Der Imam sagte: „Niemand hat Ihn mit dem äußeren Auge gesehen. Aber Herzen haben ihn durch die Wahrheit des Glaubens geschaut!“
Der Eine Gott, zu dessen Anbetung die Propheten Gottes die Menschheit aufgerufen haben, kann nicht durch die Sinnesorgane wahrgenommen werden. Aber Sein Wille, sein Wissen und seine Macht treten überall auf der Welt in Erscheinung. Die Erscheinungen der Natur zeugen für die Existenz des Allmächtigen.
source : irib