Wir stellen auch heute wieder der Fortsetzung des Märchens Katschal mam Sia ein paar Erklärungen über die Spuren der Mythologie in den iranischen Märchen voran.
Zauberei ist wie gesagt ein herausragendes Element der Mythologie . Sie spielt daher auch in den volkstümlichen Märchen eine wichtige Rolle spielt, wobei sie jedoch als negativ gilt. Die Zauberer sind die Feinde des Märchenheldens und der Muslime.
Zauberer besitzen außergewöhnliche Kräfte. Sie können zum Beispiel fliegen und durch ihre Zaubertricks die natürlichen Faktoren beeinflussen und zum Beispiel das Wetter ändern. In dem Buch Sam Nama von Chadschu Kermani, (1280-1352) lässt ein Zauberer es gewaltig blitzen. Im Iskandarnama von Nezami kommt es noch öfters vor, dass ein Magier die Natur beschwört. Der Zauberer Mardschan Dschadu legt dem Heer der Muslime auf diese Weise große Hindernisse auf den Weg. Es heißt: Mardschan Dschadu stand auf, nahm eine Schüssel und einen Besen und bestieg den Berggipfel. Dort begann er zu zaubern. Mardschan Dschadu steckte viel Reisig in Brand und füllte die Schüssel bis zum Rand mit Wasser . Er schlug mit dem Besen in die Mitte der Schüssel und wies dann auf das Feuer, Rauch stieg aus dem Feuer hervor und wurde zu einer Wolke. Die Wolke stieg zum Himmel hoch und es begann zu donnern und zu blitzen... schließlich zitterten alle vor Kälte.“
Typisch für die Zauberer in iranischen Märchen ist auch das Peykar-Gardani – d.h. die Verwandlung der Gestalt durch übernatürliche Kräfte. Die Fähigkeit die Gestalt zu wechseln ist also nicht nur ein Attribut der Peris (Elfen und Feen). Der Zauberer verwandelt sich in Tiergestalten. Solche Verwandlungen kommen in dem Märchenbuch „Tausendundeine Nacht“ besonders häufig vor. Aber auch im Iskandarnama tauchen vielfältige Verwandlungen auf. In der bekannten Geschichte Amir Arsalan tritt der bösartige Zauberer und Wesir dem Helden in Gestalt eines Drachens entgegen.
Nun aber die nächste Folge des Märchens Katschal mam Sia aus dem Märchenbuch „Afsanehaye Irani“.-
Katschal Mam Sia hatte von seiner ersten Jagd ein Tier nach Hause gebracht, das Licht und Gesang von sich gab und der König hatte die Herausgabe dieser Beute verlangt. Dafür wollte er ihn als Belohnung zum neuen Wesir ernennen. Der alte Wesir befragte seinen Zauberhut Baba Kolah, was er tun soll. Der Wesir befolgte den Rat des Zauberhutes, eilte zum König und sagte, er solle von Katschal Mam Sia verlangen, dass er die Milch der Tschehel Madiyan beschafft.
Katschal Mam Sias alte Mutter sagte ihrem Son, wie er an die Milch dieser Stute, die mit ihren 39 Fohlen im Meer lebte, gelangen kann.
Katschal mam Sia gelang es nicht nur dem König die Milch der Tschehel Madiyan zu bringen sondern er brachte auch die Stute mit ihren Fohlen herbei. Doch eine alte Frau hatte dem König sofort davon berichtet und der König verlangte auch diese Pferde von Katschal Mam Sia.
Katschal gehorchte. Daraufhin sagte der König zum Wesir
„Nun musst du deinen Posten an diesen Kahlkopf abtreten.“ Aber der Wesir sagte: „Wartet bis morgen! Er soll morgen kommen und das Amt übernehmen!“ In der Nacht befragte der Wesir wieder seinen Zauberhut. Der riet ihm dem König zu sagen: „Den bösen Drachen, der schon dein halbes Heer verschlungen hat, kann nur dieser Kahlkopf töten.“
Da eilte der Wesir zum Palast des Königs. Er sagte zum König: Eure Majestät! Jemand der von seiner ersten Jagd ein Tier mitbringt, das Gesang und Licht von sich gibt, und die Tschehel Madiyan herbeischaffen kann, der kann auch jenen Drachen erledigen, der schon viele deiner Heeresleute getötet hat!“
„Da hat mein Wesir gar nicht mal so Unrecht,“ dachte der König und ließ Katschal Mam Sia rufen.
Der König sagte zu Katschal Mam Sia: „Ich werde dich zu meinem Wesir machen, wenn du mir den großen Drachen bringst, tot oder lebendig!“
Da dachte Katschal mam Sia bei sich: „Die lassen mich armen Glatzkopf nicht in Ruhe, bis ich tot bin.“`
Er ging nach Hause und sagte zu seiner Mutter: „Mutter schnüre mir ein Bündel mit Brot. Ich muss mich auf den Weg machen.“
Das alte Mütterchen sagte: „Was haben sie schon wieder mit dir vor?“Katschal antwortete: „Der König will, dass ich ihm den Drachen tot oder lebendig bringe.“
Die alte Frau sagte: „Lass die Finger davon, mein Sohn! Es kommt nichts Gutes dabei heraus. Der Drachen hat schon so viele Soldaten des Königs verschlungen und keiner ist wieder heil aus seinem Maul herausgekommen. Wer kann dieses Biest töten? Der Wesir will dich bloß loswerden!“
Katschal Mam Sia aber sagte: „Mutter! Ich habe keine andere Wahl. Ich muss mich auf den Weg machen, selbst wenn es mich das Leben kostet. Sag mir lieber, was ich machen soll!“
Die alte Frau sagte zu ihrem Sohn: „Nun gut! Du willst nicht auf mich hören und unbedingt gehen. Dann hör mit gut zu:
Der Drachen ist ungefähr 60 Meter lang und er liegt in einem tiefen Tal. Unterwegs kommst du an einem hohen Berg an. Steig ihn hoch. Wenn du auf der Bergspitze stehst , wirst du sehen, dass nichts auf seinem Platz bleibt. Von den Vögel und Wiederkäuern, Reptilien und Raubtieren bis zu dem trockenen Gras und den Büschen und Bäumen und Geröllen. Du wirst sehen, dass alles hinunter in das Tal rutscht. Mein Söhnchen. Gibt Acht, dass du deinen Fuß nicht in das Tal setzt dann wirst du auch hinuntergezogen, direkt in das Maul des Drachens hinein und bis zum Tag der Auferstehung wirst du da nicht mehr herauskommen! Du musst dich verstecken, bis der Drachen schläft und alles um ihn herum ruhig geworden ist. Wenn du siehst, dass die Vögel wieder fliegen können und die Steine auf ihrem Platz bleiben, denn geh schnell ins Tal hinunter und wenn du unten im Tal bist wirst du den Drachen schlafen sehen. Er wird laut schnarchen. Dann kannst du ihn töten.
Aber ich warne dich nochmals:Setz deinen Fuß nicht in das Tal, solange der Drachen wach ist. Auch wenn du 1000 Leben hättest, du würdest sterben!“
Katschal mam Sia versprach seiner Mutter, genau das zu tun, was sie gesagt hatte. Er band sich das Bündel mit Brot um und machte sich rasch auf den Weg. Katschal mam Sia bestieg den hohen Berg. Auf dem Gipfel angelangt, sah er dass nichts auf seinem Fleck blieb.Es war wie seine Mutter gesagt hatte: Alles - von den Tieren bis zu den Pflanzen und Steinen - wurde in das Tal hinabgezogen. Da wusste Katschal mam Sia, dass der Drachen noch nicht schläft und alles herabrutscht in sein Maul.
Katschal mam Sia versteckte sich und wartete. Als schließlich Stille herrschte und alles auf seinem Platz blieb, stieg er ins Tal herunter. Der Drachen lag auf der Seite und schlief. Sein Körper füllte das ganze Tal aus . Er schnarchte dröhnend. Katscham mam Sia sah seine Riesenzunge...
source : irib