Die Geburt des Kindes nahte. Wehen setzten ein. Sie schickte einen Boten zu den Frauen der Quraisch, ihren früheren Freundinnen und ließ ihnen sagen:
"Vergesst euren Groll gegen mich und steht mir in meine! schweren Stunde bei!"
Es dauerte nicht lange und der Bote kam mit Tranen in den Augen zurück. Schluchzte:
Ich habe an die Tür der Frauen geklopft, doch niemand ließ mich eintreten. Niemand ging auf deine Botschaft ein. Alle sagten nur:
"Richte Hadidsche aus: Du hast seinerzeit unseren Rat nicht akzeptiert und dich mit einer mittellosen Waise vermahlt, darum werden wir dir nun nicht helfen."
Als Hadidsche diese Antwort hörte, gab sie die Hoffnung auf den Beistand ihrer früheren Freundinnen aus dem Stamme Quraisch auf und wandte sich flehend an Gott...
Da kamen Engel Gottes und Frauen aus himmlischen, paradiesischen Sphären zu ihr hinab und standen ihr bei.
Übernatürliche Hilfe, Hilfe Gottes...
Das Kindlein, Fatimah-Zahra (a.s.), wurde geboren. Das strahlende Licht seiner Geburt erhellte die Welt, erleuchtete Osten und Westen. 20
Über das Datum ihrer Geburt
Bezüglich des Datums ihrer Geburt vertreten die Gelehrten verschiedene Ansichten.
Seitens der schiitischen Wissenschaftler wird allgemein gesagt, dass Hadrat-e-Fatimah-Zahra (a.s.) an einem Freitag und zwar am 20. Tag des Monats Dschamadi ut Thani im Jahre 5 nach der Bi'that21 zur Welt kam. Wie schon erwähnt: Im Hinblick auf ihr Geburtsjahr sind die Gelehrten der Ehl-Taschayyuh und Ehl-Tasanon 22 unterschiedlicher Meinung. Die Sunniten sagen überwiegend, dass sie vor der Bi'that geboren worden sei.
Abdul Rahman Ihn Guzi schreibt in seinem Werk "Tadkirat ul Hawas", S. 306: Chronisten schrieben, dass Fatimah-Zahra in dem Jahr geboren wurde, als die Quraisch mit Bauarbeiten an der Heiligen Moschee (Masdschid ul Haram; beschäftigt waren, das heißt, fünf Jahre nach der Bi’that
Muhammad Ibn Yussuf sagt in seinem Buch "Nazm dar Rassamatin, S.175: Fatimah wurde in jenem Jahr geboren, als die Quraisch mit Bauarbeiten an der Kaaba beschäftigt waren.
Tabari bringt in seinem Daha'ir ul Uqba'.S. 53 die Überlieferung des Abbas, demnach Fatimah in dem Jahr, als die Quraisch an der Kaaba arbeiteten, zur Weit kam. Der Prophet sei zu jener Zeit 30 Jahre alt gewesen.
Abul Farag schreibt in "Maqatil ut Talibiyyin", S.30: Fatimah kam in jenem Jahr zur Welt, als die Kaaba aufgebaut wurde.
Maglisi berichtet in "Bihar ul Anwar, B.43, S. 213: An jenem Tag kam Abdullah Ibn Hassan zu Hischam Ibn Abdul Malik, als auch Kalbi anwesend war. Hischam fragte Abdullah:
Wie lang hat Fatimah-Zahra gelebt? Abdullah antwortete: Dreißig Jahre. Er stellte die gleiche Frage an Kalbi. Dieser erwiderte:
Fünfunddreißig Jahre.
Hischam wandte sich an Abdullah:
Hast du gehört, was Kalbi sagt? Seine Informationen über Verwandte und Angehörige des Propheten sind gut. Abdullah antwortete: O Amir ul Mu'menin! Was meine Großmutter betrifft, solltet ihr besser mich fragen. Und was die Kalbis angeht, ihn!!
Die meisten Gelehrten Ahl-Taschayyuhs 22 aber - wie Ibn Schahr Aschub in "Manaqib", B.3, S. 357, Kulini in Usül Kafi, B, 1, S.458, Madschlisi in "Bihar ul Anwar" , B.43, S. 6 und "Hayat ul Qulub, B.2, S. 149, Muhadit Qumi in "Muntahi-l-Amal", B. 1, S.94, Muhammad Naqi Cepehr in "Nasih ut Tawarih" , S. 17, Ali Ibn Isa in "Kaschf ul Gumah, B.2, S. 75, Tabari in "Dala'il ul Imamah", Fayd Kaschani in Wafi, B. 1, S.173 - und andere schrieben, dass Fatimah - Zahra (a.s.) fünf Jahre nach der Bi’that geboren wurde . Sie stützen sich dabei auf die in diesem Zusammenhang erfolgten Aussagen der Unfehlbaren Imame (a.s.)
Abu Basir überliefert nachziehende Äußerung Imam Sadiqs (a.s.):
Fatimah (a.s.) wurde am 20. Tag des Monats Dschamadi ut Thani geboren, als der Prophet 45 Jahre alt war. Acht Jahre lang lebte sie mit diesem in Medina. Nach dem Tode ihres Vaters war sie noch 75 Tage in dieser Welt. Sie starb am dritten Tag des Monats Dschamadi ut Thani, im Jahre 11 nach der Hidschra. (Dala'il ul Imamah, s. 10).
Die fehlende Übereinstimmung zwischen den Angaben "75 Tage nach dem Tode des Propheten" und "dritter Tag des Monats Dschamadi ul Thani" ist den verehrten Lesern gewiss aufgefallen. "95 Tage" treffen hier wohl eher zu. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Zahl "90" (Tes'in) in der Überliefung mit "70" (Sab'in) irrtümlicherweise verwechselt wurde.
Habib Sadschestani berichtet: Ich hörte von Hadrat -e- Abu Dscha'far, wie er sagte: Fatimah, die Tochter Muhammads, wurde fünf Jahre nach seiner Ernennung zum Propheten geboren. Als sie starb, war sie achtzehn Jahre und 75 Tage alt. (Usül Kafi, B.1, S. 457)
Aus Überlieferungen erfahren wir, dass Fatimah (a.s.) zur Zeit ihrer Vermahlung mit Ali (a.s.) neun Jahre alt war.
Sa'id Ibn Musayib berichtet: Ich fragte Ali Ibn al Hussein: in welchem Jahr vermahlte der Prophet Fatimah? Er antwortete: Ein Jahr nach der Higrah. Zu jener Zeit war Fatimah neun Jahre alt.(Rawdah Kafi, Druck Nadschaf, 1358 ,S.281)
Anhand dieser Ahadith23 kann davon ausgegangen werden, dass Fatimah -Zahra (a.s.) nach der Bithat zur Welt kam. Der Verfasser des Werkes "Kaschf ul Dschumah" bringt eine Überlieferung, die sich selbst widerspricht. Imam Muhammad Baqir (a.s.) sprach: Fatimah wurde fünf Jahre nach der Bi’that geboren, in jenem Jahr, als die Quraisch mit dem Bau der Kaaba beschäftigt waren. Als die starb, war sie achtzehn Jahre und 75 Tage alt.
(Kaschf ul Dschumah, B. 2, S. 75)
Der Widerspruch in diesem Hadith ist nicht zu übersehen. Einmal heißt es, dass Fatimah fünf Jahre nach der Bi’that geboren wurde und zur Zeit ihres Todes 18 Jahre alt gewesen sei. Andererseits wird darauf hingewiesen, dass zur Zeit ihrer Geburt die Quraisch mit Bauarbeiten an der Kaaba beschäftigt waren.
Diese beiden Angaben sind jedoch nicht miteinander zu vereinbaren, denn die Kaaba wurde fünf Jahre vor der Bi’that aufgebaut, nicht fünf Jahre danach. Entweder ist irrtümlich statt "vor der Bi’that" "nach der Bi’that" überliefert, oder aber die Angabe: "Die Quraisch waren mit dem Bau des Hauses Gottes (Kaaba) beschäftigt", ist vom Überlieferer hinzugefügt worden.
Kaf'ami schreibt in "Misbah": Fatimah wurde an einem Freitag, dem 20. Tag des Monats Dschamadi ul Thani, des Jahres 2 nach der Bi’that geboren. (Bihar, B.43, S.9)
Festzustellen ist also, dass es hinsichtlich des Geburtsdatums Hadrat-e-Fatimah-Zahras (a.s.) verschiedenerlei Ansichten gibt, Da jedoch Ahl-Beit 24 aussagt, dass sie fünf Jahre nach der Bi’that zur Welt kam, geben wir dieser Angabe selbstverständlich den Vorzug vor denen der Chronisten und Historiker der Ahl-Tassanun 22. Schließlich haben die Unfehlbaren Imame - die Imame Ma'sum (a.s.) - und Ahl-Beit des Propheten ganz sicherlich genauere Kenntnis als andere.
Möglicherweise wird dieser oder jener einwenden: Hadidsche verstarb im Jahre 10 nach der Bi’that . Sie war zu jener Zeit 65 Jahre alt. Wenn Fatimah fünf Jahre nach der Bi’that geboren wurde, muss Hadidsche im Alter von 59 Jahren schwanger gewesen sein. Wie ist das zu glauben?
Als Antwort weisen wir auf zwei Momente hin: Zum einen ist nicht bewiesen, dass Hadidsche zum Zeitpunkt ihres Todes 65 Jahre alt war. Gemäß der Angabe Ibn Abbas wurde sie im Alter von 48 Jahren schwanger. Ibn Abbas sagte: Hadidsche heiratete Muhammad, als sie 28 Jahre alt war. (Kaschf ul Dschumah, B.2,S. 139). Den Angaben Ibn Abbas ist aber ebenfalls Prioritat vor denen anderer einzuräumen. Schließlich wissen die Angehörigen und Verwandten des Propheten sicherlich besser als Außenstehende über die genauen Daten ihrer Familie Bescheid. Dieser Angabe gemäß war Hadidsche zur Zeit der Ernennung Muhammads zum Propheten 43 Jahre alt. Demnach muss sie fünf Jahre nach der Bi’that, als Fatimah geboren wurde, ungefähr 48 Jahre alt gewesen sein. In diesem Alter schwanger zu werden ist jedoch keinesfalls ausgeschlossen.
Zum anderen: Wenn wir auch die Aussage des Ibn Abbas nicht wahrhaben wollen und darauf beharren, dass Hadidsche im Alter von vierzig Jahren Muhammad (s.a.s.) geheiratet habe, dass sie also 59-jahrig schwanger wurde, so ist dieses ebenfalls nicht unmöglich. Denn: Wissenschaftler und Gelehrte berichten, dass die Frauen des Stammes Quraisch in der Regel bis zu ihrem 60. Lebensjahr menstruierten und dass ihnen somit bis zu diesem Alter eine Schwangerschaft möglich war. Hadidsche gehörte aber zu den Quraisch diese Möglichkeit traf also auch für sie zu.
Ganz abgesehen davon: Eine Schwangerschaft und Entbindung in diesem Alter ist zwar recht selten, doch Geschichte und Presse geben uns Beispiele für derartige Alters-Schwangerschaften an die Hand. Darum: Es ist keinesfalls unmöglich, dass Hadidsche zu den Frauen, die noch in hohem Alter schwanger werden, zahlte.
Abschließend ist noch auf folgendes hinzuweisen: Nicht nur im Hinblick auf das Datum der Geburt Fatimahs (a.s.), sondern auch das ihrer Eheschließung und ihres Todes werden verschiedene Auffassungen vertreten. Doch das ist verständlich, denn wenn sie fünf Jahre vor der Bi’that geboren sein sollte, muss sie mit ca. 18 Jahren geheiratet haben und etwa 28 jährig gestorben sein.
Kam sie aber fünf Jahre nach der Bi-tat zur Welt, war sie ungefähr neun Jahre alt, als sie sich vermahlte und achtzehn Jahre alt, als sie starb.
Muhammads (s.a.s.) und Hadidsches großer Wunsch
Der Wunsch nach einem Kind liegt in der Natur des Menschen. Er versteht sein Kind als "Teil von sich" und betrachtet es als etwas, in dem er nach dem Tode sozusagen "weiter besteht".
Auch Hadrat Muhammad (s.a.s.) und Hadrat Hadidsche wünschten sich Kinder. Um das Ein-Gott-Bekenntnis zu starken, die Zahl dessen Vertreter anwachsen zu lassen und um der Menschheit zur Hilfe zu eilen, scheute Hadidsche keine Mühe. Sie gab alles und sich selbst im Sinne dieses Bestrebens hin, ertrug, dass ihre Freundinnen und Bekannten sie mieden und fügte sich bedingungslos den Wünschen Muhammads, die dem Worte Gottes voll und ganz entsprachen. Ein Kind aber war ihr großer Wunsch, ein Kind von ihm, ein Kind, das sich wie seine Eltern für Gott und Islam einsetzte...
Der Prophet wusste, dass er dem irdischen Tod nicht entgehen würde. Ihm war auch klar, dass er seine hohen göttlichen Ziele wahrend seines kurzen Erdenlebens nicht alle erreichen konnte. Die gesamte Menschheit aus dem Strudel an Verirrungen, in den sie geraten war, befreien zu können..,, dazu reichte die Zeit eines begrenzten Menschenlebens auf Erden nicht aus. Es mussten nach ihm jene da sein, die seinen Weg fortsetzen würden. Ganz gewiss wünschte er sich, dass diese - seine Ziele und Bestrebungen engagiert verfolgenden Männer und Frauen --aus seinem Hause hervorgingen. Dieses hofften er und auch Hadidsche …
Leider aber waren die Söhne, die sie zur Welt brachten Abdullah und Qasim - als kleine Knaben gestorben. Und in gleichem Maße, wie die Eltern Muhammad und Hadidsche über ihren Tod trauerten, waren ihre Gegner erfreut, da sie annahmen, mit dem Tode dieser beiden Propheten-Söhne würde das Haus Muhammads erlöschen. Sie bezeichneten ihn in ihrer Schadenfreude als "ebter", d.h. als "nachkommenslos".
Als Abdullah starb, verhöhnte As Ibn Wa'il ihn - anstatt ihm zu kondolieren - als "ebter", als nachkommenslos und sagte:
"Wenn Muhammad stirbt, wird von ihm nichts bleiben." Mit seinem Spott verletzte er den Gesandten Gottes und dessen Frau zutiefst 25.
Kawther
Gott aber ließ Seinem Gesandten die frohe Nachricht zukommen, dass Er ihm "Kawther" - die Fülle des Guten - zugedacht habe. Als Antwort auf den Hohn der Gegner ward Muhammad (s.a.s.) die Sure Kawther hinabgesandt, in der Gott ihm mitteilte:
"O Muhammad! Wir gaben dir Kawther. Darum bete zu deinem Herrn und opfere. Wahrlich! Dein Feind wird "abtar" sein!"(Sure 108, Kawther)
Hadrat-e Muhammad (s.a.s.) war nun davon überzeugt, dass sich die Verheißung des Allmächtigen Gottes gewiss erfüllen und aus ihm eine segensreiche Nachkommenschaft hervorgehen werde, der Quell alles Guten der Welt. Die frohe Kunde verwirklichte sich mit der Geburt Fatimah-Zahras (a.s.), - der Reinen, Unfehlbaren. Das Licht des "Wilayets", der "Rechtleitenden Führung" erstrahlte am Horizont...
Als der Prophet die Nachricht erhielt, dass Hadidsche eine Tochter geboren habe, erfüllte ihn große Freude. Er war glücklich. Mit der Geburt dieses Kindes, seiner Tochter, sah er die göttliche Botschaft bewahrheitet.
Prophet Muhammad (s.a.s.) gehörte nicht zu jenen kleingeistigen Männern der Zeit des Gahaliats,26 die eine Tochter als Schmach und Blamage betrachteten und in der Heftigkeit ihres Zornes und Grolls über die Geburt einer Tochter die unglückliche Mutter drangsalierten, verhöhnten und beschimpften, sich von dem Kind fernhielten und die Geburt des Madchens tunlichst zu verbergen suchten..., ja, das Kind sogar oftmals bei lebendigem Leibe in der Erde verscharrten.27
Der Gesandte Gottes war zum Propheten ernannt worden, damit er u.a. den unguten und irrigen Vorstellungen der Leute ein Ende setzte und den entrechteten Frauen, die nicht7 zur Gesellschaft gehörend betrachtet und den unschuldigen kleinen Madchen, die lebendig begraben wurden, zur Hilfe eilte, damit er den Leuten klarmachte, dass die Frau wichtiges Mitglied der Gesellschaft ist, mit hoher Verantwortung und großer Verpflichtung. Sie musste sich um Erblühen und Fortschritt der Gesellschaft bemühen und den Aufgaben, die die Schöpfung für sie vorgesehen hatte, gerecht werden.
Gott wollte, dass Muhammad (s.a.s.) die Menschheit über den hohen Wert der Frau aufklarte.
Fatimah-Zahra (a.s.), die Tochter Seines Gesandten, bestimmte er daher zur Quelle der Nachkommenschaft Muhammads. Aus ihr sollten die Unfehlbaren Imame, Vorbilder und religiösen Führer des Islam hervorgehen. Zudem wurde damit jenen, die in der Geburt einer Tochter Schmach und Unehre sahen, eine herbe Lehre erteilt!
Optimale Ernährung
War das Kind rein und sauber, legte Hadidsche es an ihre Brust und stillte es. Und das Kleine entwickelte sich prächtig, seinen Eltern zur Freude.
Hadidsche gehörte nicht zu jenen ahnungslosen und oberflächlichen Frauen, die ihrem Kind aus egoistischen Gründen die Muttermilch vorenthalten. Sie wusste oder hatte es vom Propheten gehört, dass die Muttermilch die beste Nahrung für einen Säugling ist, deswegen, weil sie exakt auf Verdauungsorgan und Bedürfnis des Kindes abgestimmt ist.
Neun Monate lang wird das Kind im Schoß der Mutter durch diese ernährt, unmittelbar. Es hat Anteil an der mütterlichen Nahrung, am mütterlichen Blut, an der Atemluft der Mutter. Die besondere Zusammensetzung der Milch, die sich in der Brust der Mutter bildet, entspricht ganz genau den Erfordernissen des Kindes, dessen empfindlichem Organismus. Abgesehen davon ist die Muttermilch einwandfrei und unverfälscht. (nach den Worten Amir ul Mu'minins Ali (a.s.) 2S
Hadidsche, die wusste, wie wichtig die Muttermilch auch für die seelische Entwicklung ihrer kleinen Tochter war, stillte sie selbst.29 Welche Nahrung wäre aber auch für das Kind geeigneter und bekömmlicher gewesen als die Milch seiner eigenen Mutter, mit der es gleichzeitig geistig-seelische Nahrung erhielt...
Ihre Kindheit
Fatimah-Zahra (a.s.) wuchs in einer gefahren- und krisenreichen Zeit auf. Es war die Zeit des Beginns jener großen geistig-kulturellen Revolution zu Anfang des Islam, ein Umbruch in Denken, Sitten und Verhalten. Gewiss blieb diese kulturelle Umwalzung nicht ohne Einfluss auf das kindliche Gemüt des kleinen Madchens und ganz sicher haben die geistige Haltung wie auch Gesinnung ihrer Eltern dazu beigetragen, dass Fatimah (a.s.) das wurde, was sie ist bzw. war. Um dieses verständlicher zu machen, können wir nicht umhin, in aller Kürze auf die gesellschaftliche Situation in jenen Tagen und Breiten hinzuweisen.
Prophet Muhammad (s.a.s.) war im Alter von vierzig Jahren zum Propheten ernannt worden. Damit aber begann zunächst eine Zeit großer Schwierigkeiten, die sich ihm in den Weg stellten. Allein auf sich gestellt hatte er den Auftrag, dem Polytheismus, der gang und gebe war, ein Ende zu setzen und die Gesellschaft zum Ein-Gott-Bekenntnis aufzurufen. Dieses aber war mit erheblichen Risiken und Gefahren verbunden, weswegen er in den ersten Jahren seine göttliche Botschaft nur im Geheimen und in aller Stille mitteilen konnte. Nach dieser ersten geheimen Aufklarung und Verkündung begann er - auf Anordnung Gottes hin - seine Mission in aller Öffentlichkeit durchzuführen, ohne Furcht vor den fanatischen Götzendienern.30 Nun lud er sie ganz offiziell zum Glauben an den Einzigen Gott ein. Tag für Tag wuchs die Zahl der Muslime, seiner Anhänger an. Doch auch die Belästigungen, denen er von nun an ausgesetzt war, nahmen an Scharfe zu. Die Götzenanbetende Mekkanische Gesellschaft drangsalierte und verhöhnte ihn. Die Muslime wurden verfolgt, geknechtet und gefoltert, um sie zu zwingen, sich vom Ein-Gott-Glauben, "Tawhid", wieder loszusagen und erneut den Götzen zu huldigen. Eine der Foltermethoden bestand beispielsweise darin, sie der brennendheißen Sonne auszusetzen und ihnen, hineingepresst in den glühenden Sand der arabischen Wüste, schweren Steine auf die Brust zu legen. Unter dieser Tortur starb so mancher von ihnen.
Die Muslime waren in so großer Not und Bedrängnis, dass der Prophet einige von ihnen anwies, nach Abessinien, dem damaligen Habascheh, auszuwandern.31
Als die Götzenanbeter sahen, dass sie die Muslime trotz Folter und Verfolgung nicht von ihrem Glauben an den Einzigen Gott abzubringen vermochten, beschlossen sie, vereint und verbündet, Muhammad (s.a.s.)zu töten.
Der Onkel Hadrat-e Muhammads, Abu Talib, erfuhr von ihrem finsteren Vorhaben und evakuierte den Propheten und viele der Bani Haschim32 in das Tal "Schiyb Abu Talib". Abu Talib wie auch die Bani Haschim unterstützten und schützten den Propheten. Sie bewachten das Tal und bezogen des Nachts in den umliegenden Bergen Posten, um eventuellen nächtlichen Überfallen der feindlichen Verbündeten vorzubeugen. Unter anderem bewachte Hamzah, ein Onkel des Gesandten Gottes, diesen zu nächtlicher Stunde mit gezogenem Schwert.
Die Mekkanischen Götzenanbeter, die begriffen, dass sie des Propheten nicht habhaft werden konnten, begannen, ihn und alle Evakuierten im "Schiyb Abu Talib" wirtschaftlich unter Druck zu setzen. Handel mit ihnen zu treiben, ihnen etwas zu verkaufen - beispielsweise Wasser oder Nahrungsmittel - war streng untersagt. Wer dem zuwiderhandeln wollte, hatte harte Strafe zu erwarten.
Drei Jahre lang verbrachten die Muslime unter großen Entbehrungen in dem dürren, trockenen Schiyb. Sie konnten sich nur schwerlich mit dem Wenigen, das ihnen der eine oder andere aus der Stadt auf "Schleichwegen" und in aller Verschwiegenheit in das Lager hineinschmuggelte, vor dem Hungertod bewahren.
Es war eine schwere Zeit, in die Fatimah-Zahra (a.s.) hineingeboren worden war. Als kleines Madchen lebte sie mit ihren Eltern - wie die anderen Muslime - im" Schiyb Abu Talib. Hier war es, wo sie der Muttermilch entwöhnt wurde, wo sie wie die anderen Kinder Hunger und Not kennen lernte und wo sie, im heißen Sand der Steppe, laufen lernte. Sie hörte das Klagen und Weinen der hungrigen und durstigen Kinder und sah, wie zu nächtlicher Stunde Onkel und Vettern mit blanken Waffen Wache hielten, um ihren Vater gegen den Feind abzuschirmen.
Nach drei Jahren, sie war ungefähr fünf Jahre alt, kehrte sie mit den Eltern und den anderen Muslimen in die Stadt zurück. Nun lernte sie nach soviel Entbehrung und Verzicht endlich etwas anderes kennen als brennende Sonnenglut, Trockenheit, Sand und Steine.
Die Not war vorbei, wenigstens vorübergehend. Sie atmete die Freiheit, die sie nun umgab, brauchte nicht mehr zu darben und war ein frohes, glückliches Kind...
Die Mutter stirbt
Doch leider, leider..., diese sorglose, unbeschwerte Zeit wahrte nicht lange, denn die Mutter starb. Noch war kein Jahr nach der
Befreiung aus Isolation und Wirtschaftsboykott vergangen, als Hadidsche ihre Augen für immer schloß.33
Der Tod der Mutter traf das Kind schwer. Es litt unendlich darunter. Immer und immer wider liefen Fatimah (a.s.) Tranen übers Gesichtchen, und sie fragte Vater, Freunde und Verwandte nach der Mutter. Als Hadrat Muhammad (s.a.s.) von der Beerdigung heimkam, sagte sie:
" Vater, wo ist Mutter?"
Er wusste im ersten Moment keine befriedigende Antwort für das Kind. Da erschien Gabriel der Bote Gottes und sprach:
"Antworte Fatimah, dass ihre Mutter nun glücklich und erlöst in einem wunderschönen Schloss aus Smaragden wohnt."34
Harten und deren Konsequenzen
All das Schwere, das Fatimah-Zahra (a.s) in ihrer Kindheit widerfuhr, ist gewiss nicht ohne Wirkung auf ihre kindliche Psyche geblieben.
Es dürfte wohl verständlich sein, dass jemand, der gleich ab seiner frühesten Kinderzeit mit soviel Harten, schweren Erlebnissen und Erfahrungen konfrontiert wird, kein lachender, stets zu Scherzen bereiter Mensch sein wird, und so berichtet man über Fatimah - Zahra (a.s.),dass sie oft bekümmert und traurig war.
Dennoch: Der junge Mensch, der unter großen Gefahren aufwachst und schon in seinen ersten Lebensjahren in Getto und Isolation zubringt, der zusehen muss, wie Vater, Mutter, Verwandte und Freunde tapfer und entschlossen Drangsal und Not ertragen und unter großen Mühen und Selbstaufopferung ihr hohes Ziel verteidigen, nicht aufgeben, sondern hoffen und streben,.„wird selbst zu einem Zielbewussten, mutigen widerstandsbereiten Erwachsenen heranreifen. (Wenigstens in den meisten Fallen ist das so!) Er wird ohne Angst vor Repressalien und Gefangenschaft die menschlichgöttlichen Werte schützen und sich nicht so leicht in die Knie zwingen lassen.
Nach dem Tode der Mutter
Das Jahr zehn nach der Bi’that war ein schweres Jahr. Zuerst starb Abu Talib und kurz darauf Hadidsche .35
Diese beiden Ereignisse bekümmerten Hadrat-e Muhammad (s.a.s.) so sehr, dass er jenes Jahr als "Jahr der Trauer" bezeichnete,36 deshalb, weil seine größte Stütze, Hilfe, seine Beraterin in privaten und persönlichen Angelegenheiten, seine Lebensgefährtin und Mutter seiner Kinder von ihm und aus dieser Welt gegangen war, zudem auch Abu Talib, jener Mann, der ihn tatkräftig und engagiert unterstützt und verteidigt hatte.
Dieses waren für den Propheten zwei harte Verluste, die u.a. dazu führten, dass die Götzenanbeter in großes Hohngelachter ausbrachen und ihn nun - da Abu Talib, jene Hochangesehene Persönlichkeit der arabischen Gesellschaft, nicht mehr war - arger als je zuvor drangsalierten und schikanierten. Sie bewarfen ihn mit Steinen, mit Schmutz und Unrat, verspotteten ihn und gingen sogar soweit, dass er bisweilen blutend und zerschunden heimkam.
Selbst bekümmert und vergrämt. sah er sich zu Hause seiner kleinen, nach ihrer Mutter weinenden Tochter gegenüber.
Das mutterlose Kind musste in jener Zeit oft miterleben, wie hässlich und roh sich die Leute draußen in der Stadt ihrem Vater gegenüber verhielten. Sah, wie sie ihm nachstellten, ihn verlachten, verspotteten, anpöbelten...
Eines Tages, in der Heiligen Moschee, hörte sie zufällig, wie dort die Feinde ihres Vaters, die zusammenhockten, über die Ermordung ihres Vaters sprachen. Weinend lief sie zu ihm und berichtete über das Gehörte. Sie war zutiefst erschrocken.
Ein anderer, herzzerreißender Vorfall, der sie bis in ihr tiefstes Inneres aufwühlte, war folgende Begebenheit. Ihr Vater verrichtete in der Heiligen Moschee das Gebet. Einige der Mekkanischen Götzendiener verhöhnten ihn. Einer von ihnen nahm den Blutbesudelten Uterus eines eben geschlachteten Kamels und hing ihn dem zum Sadschdah37 niedergesunkenen Propheten über die Schultern. Seine kleine Tochter war zugegen und musste mit ansehen, wie rüpelhaft und gefühllos mit ihrem Vater umgegangen wurde. Sie lief zu ihm, nahm den Kamel-Uterus von ihm und warf ihn fort, wahrend ihr die Tranen über die Wangen rollten.
Nachdem Hadrat-e Muhammad (s.a.s.) das Gebet beendet hatte, erhob er sich und sprach über die Beteiligten seinen Fluch aus.
Mit solchen und ähnlichen Situationen war Hadrat-e- Fatimah (a.s.)schon in früher Kindheit konfrontiert. Sie lernte die Rohheit der Götzenanbetenden Gesellschaft, in der sie lebte, zur Genüge kennen, litt um ihren Vater, stand ihm bei und tröstete ihn. So klein sie war, war sie ihm nicht nur eine liebevolle Tochter, sondern auch fürsorgliche "Mutter".
Mit dem Tode der Mutter fielen einige der Hausarbeiten ihr zu. Nur sie war von ihren Geschwistern im Elternhaus - dem ersten Zentrum des Ein-Gott-Bekenntnisses Islam - geblieben.
Die Geschichte gibt nicht Klarheit darüber, wie das interne Leben des Propheten und seiner kleinen Tochter verlief, doch es ist nachzuempfinden, wie sich beide in jenen kritischen, sorgenschweren Tagen gefühlt haben müssen.
Nachdem Hadidsche nicht mehr war, heiratete Hadrat-e Muhammad (s.a.s.) eine Frau namens Sudah. Auch mit anderen Frauen vermahlte er sich und sie alle brachten der kleinen Fatimah (a.s.) mehr oder weniger Interesse und Fürsorge entgegen. Dennoch: Für jedes Kind ist es schwer, den Platz der Mutter leer und an deren Stelle eine andere Frau zu sehen.
So liebevoll auch eine Stiefmutter sein mag, die Zärtlichkeit und Zuneigung der eigenen Mutter wird sie kaum aufbringen können. Nur die leibliche Mutter vermag mit ihrer natürlichen Herzlichkeit und Warme das
Kind wirklich zu beruhigen und ihm Hoffnung und Geborgenheit zu vermitteln.
Prophet Muhammad (s.a.s.) bemühte sich, seine mutterlose Tochter soweit es in seinen Kräften stand, zu trösten und zu erfreuen. Er versuchte ihr all das, was sie entbehren musste, zu ersetzen und hüllte sie ein in seine väterliche Liebe und Zärtlichkeit. Er verstand, dass das kleine Madchen unter dem Verlust der Mutter litt und dass er alles dafür tun musste, seinen Schmerz zu lindern.
In diesem Zusammenhang lesen wir in Überlieferungen, dass sich der Prophet nicht zur Ruhe niederlegte, ohne sein Töchterchen geküsst zu haben39
Dieses war ein kleiner Überblick über die ersten acht Lebensjahre der jüngsten Tochter des Gesandten Gottes.
Es soll nicht ungesagt bleiben:
Schwierigkeiten und Harten, wie sie der kleinen Fitimah-Zahra (a.s.) begegneten, dürften wohl einem jeden Kind schwer zu schaffen machen und seiner Psyche zusetzen. jedoch muss derartiges nicht zwangsläufig zu einem "seelischen Zusammenbruch" führen oder sonst weichen psychischen oder physischen Störungen.
Not, Strapazen und immer und immer wieder aufs Neue zu meisternde Hindernisse und Probleme können auch starken und stahlen, schlummernde Fähigkeiten und Kräfte wecken und fördern sowie den Widerstandswillen aktivieren.
"Solange Gestein nicht außerordentlichen Temperaturen ausgesetzt ist, gibt es seine in ihm verborgenen Edelmetalle nicht frei." Ähnlich war es mit dem kleinen Madchen. Es zerbrach nicht an all dem Leid, sondern "wuchs daran".
Die hohe Persönlichkeit Fatimahs (a.s.) reifte heran und kam zum Erstrahlen. Stark wurden ihr Geist und Wollen und sie gewann die notwendige Bereitschaft und geistige Kraft, auch weiteren Kämpfen und Bitternissen furchtlos und zuversichtlich die Stirn zu bieten.
Fatimah (a.s.) emigriert nach Medina
Im Jahre 13 nach der Hidschrah war der Prophet genötigt, nach Medina auszuwandern. Bevor er Mekka verließ, verabschiedete er sich von Ali und Fatimah (a.s.) und bat ersteren, für die Rückgabe der ihm anvertrauten Güter und Werte zu sorgen. Weiter sagte er:
"Anschließend, wenn das erledigt ist, folge mir mit Fatimah , meiner Tochter und Fatimah, deiner Mutter und Fatimah , der Tochter meines Onkels Hamzah nach Medina, wo ich euch erwarten werde.
Daraufhin verließ er heimlich die Stadt in Richtung Medina, währenddessen Ali Ibn Abi Talib (a.s.) dem Auftrag des Gesandten Gottes nachkam. Als alle Treuhandgaben ihren Besitzern zurückgegeben waren, machte er sich mit den "drei Fatimahs " und einigen anderen Frauen, die des Schutzes gegen die Götzendiener bedurften, auf den Weg nach Medina.
Abu Waqid, der die Kamele führte, schlug ein sehr schnelles Tempo ein. Ali (a.s.) forderte ihn daher auf:
"Nimm Rücksicht auf die Frauen! Treibe die Kamele nicht so heftig an! Die Frauen können einen so schnellen Ritt nicht ertragen!" Abu Waqid entgegnete:
"Ich befürchte, dass uns die Feinde verfolgen und erreichen werden, wenn wir langsamer reiten." Daraufhin Ali (a.s.):
"Der Gesandte ließ mich wissen, dass uns der Feind nichts anhaben wird."
Als sie in der Nahe des Ortes Dagnan ankamen, galoppierten acht Berittene auf sie zu. Hadrat-e Ali brachte die Frauen in einem Versteck unter und schlug die Verfolger mit seinem Schwert in die Flucht. Die kleine Karawane setzte ihren Weg nach Medina fort.
Prophet Muhammad (s.a.s.) hatte inzwischen seit zwölf Tagen in einem Vorort Medinas in Quba, Halt gemacht, um dort auf Ali Ibn Abi Talib und die Frauen zu warten.40
Einigen Überlieferungen gemäß hatte er sich nach dem Tode Hadidsches in Mekka bereits mit Süden vermahlt und ihr seine kleine Tochter anvertraut.
Danach ehelichte er Umm-e Salamah, damit sie für Fatimah -Zahra (a.s.) sorgte. Umm-e-Salamah berichtete:
"Der Prophet vertraute mir Fatimah an, damit ich mich um ihre Erziehung kümmere. Ich tat diesbezüglich alles, was ich vermochte, doch - bei Gott- das Kind war gebildeter und wissender als ich.41