20. DIE VIERTE REISE - KUFE NACH SCHAAM (DAMASKUS IN SYRIEN)
Sayyida Zainabs (Friede sei mit ihr) Reden hatten Kufe in Aufregung versetzt. Die Kufiten waren voller Gewissensbisse. Eine Unruhe erfüllte die Stadt. Auf dem Marktplatz gab es ein Geflüster: „Was haben wir getan? Wie konnten wir nur den Enkel des Propheten (Allahs Segen und Heil auf ihm und seine Familie) einladen und ihn dann so in Kerbela erbarmungslos abschlachten lassen? Wie konnten wir nur zulassen, dass die Enkelinnen des heiligen Propheten (Allahs Segen und Heil auf ihm und seine Familie) wie Sklaven in den Straßen vorgeführt wurden? Was haben wir getan?“ Ibne Ziyad (LA) befürchtete, dass die Leute Kufes sich gegen ihn erheben könnten. Er befahl, das Gefängnis strikt zu bewachen. Niemandem war es erlaubt die Gefangenen zu besuchen. Nur den treuesten Soldaten war es erlaubt sich um oder in dem Gefängnis aufzuhalten. In der Zwischenzeit wurden Boten zwischen Kufe und Damaskus hin und her geschickt. Obwohl Yezid (LA) zuerst angeordnet hatte, die Gefangenen in Kufe bis zu den Vorbereitungen für ihre Vorführung in Schaam (Damaskus) festzuhalten, war ibne Ziyad (LA) wegen der Stimmung in Kufe darauf bedacht, sie so schnell wie möglich aus Kufe herauszuhaben. Es wurde zugestimmt sie nach Schaam zu schicken. Schon wieder wurden die Gefangenen versammelt und die Prozession verließ Kufe. Diesmal aber wurde der Aufbruch in der Nacht und in aller Heimlichkeit durchgeführt. So begann die vierte tränenreiche Reise. Es war eine lange und beschwerliche Reise. Wer war der Held und wer die Heldin dieser Reise durch die irakischen und syrischen Wüsten? War es Hathret Rubaab (Friede sei mit ihr), die stets von ihrem ungesattelten Kamel aus auf Ali Asghars Wiege schaute, in der die in der Schaame Gharibaan (Nacht der Heimatlosen) geplünderten Güter gehäuft worden waren? War es Sukaina (Friede sei mit ihr), die voller Trauer im Schoß ihrer Mutter sitzend auf das Alam Hathret Abbas’ (Friede sei mit ihm) und auf dem immer noch befestigten Wasserbeutel daran schaute, stets flüsternd: „Ich bin nicht durstig Onkel, ich bin nicht durstig!“ War es Imam Zainul Abedin (Friede sei mit ihm), der den ganzen Weg zu Fuß zurücklegen musste und dessen Fleisch von den Ketten zerfressen wurde? Einige Male wurde unser Imam (Friede sei mit ihm) bewusstlos. Seine Bewacher kannten aber kein Mitleid. Sie peitschten ihn, sobald sein Schritt langsamer wurde oder wenn er in Ohnmacht fiel. In diesen Momenten musste Hathret Zeyneb (Friede sei mit ihr) dazwischengehen, damit sie ihn nicht zu Tode peitschten. Dies war die Reise, in der der Heldenmut Hathret Alis (Friede sei mit ihm), der Imam Zainul Abedins (Friede sei mit ihm) Herz beherrschte war. Die Heldin war das Sabr (Ausdauer/Geduld) Fatimah Zahras (Friede sei mit ihm), die das Herz Zeynebs (Friede sei mit ihm) beherrschte.
Die Reise von Kufe nach Schaam war sehr lang. Sie dauerte über zwanzig Tage. Die Frauen und Kinder waren erschöpft und sie litten unter großen Qualen. Sehr oft wurden die Kinder unter der sengenden Hitze der Wüste bewusstlos und fielen von den Kamelen. Die Mütter schrien. Imam Zainul Abedin (Friede sei mit ihm) und Hathret Zeyneb (Friede sei mit ihr) gingen dann los, um nach ihnen zu sehen. Manchmal fanden sie sie am Straßenrand liegend, kaum lebend und es gab Momente, an denen sie die Kinder zu spät fanden. Unser vierter Imam (Friede sei mit ihm) grub dann ein Grab um das tote Kind zu begraben. Ein Geschichtsschreiber, der einige Jahre später diese Route wieder besuchte erzählt, dass er eine große Anzahl kleiner Gräber auf dem Wege entdeckte.
Einige Zakirs (jene, die über die Ahl-al-Bayt a.s. Reden halten) überliefern folgende Geschichte:
Sayyida Zeyneb (Friede sei mit ihr) schaute einmal zum Kamel auf dem Sukaina (Friede sei mit ihr) ritt, aber Sukaina war nicht mehr da. Sie sah zu den anderen Kamelen, doch sie konnte Sukaina nirgends entdecken. Sie geriet in Panik. Wo könnte Imam Hussains (Friede sei mit ihm) Lieblingstochter nur sein? Sie bat Schimr (LA), ihr die Fesseln zu entfernen, damit sie nach ihr sehen könne. Erst antwortete Schimr (LA) mit seiner Peitsche. Ungeachtet dessen und ihren Schmerz ignorierend bat sie ihn immer wieder darum. Schimr (LA) band sie schließlich los und warnte sie, dass er Hathret Zain (Friede sei mit ihm) zu Tode peitschen würde, wenn sie nicht bald zurück sei. Hathret Zeyneb (Friede sei mit ihr) rannte in die Richtung, aus der sie kamen. Etwas weiter weg sah sie eine ältere Dame, die Sukaina (Friede sei mit ihr) liebevoll im Arm hielt, ihre Wangen küsste und die Tränen aus ihrem Gesicht wischte. Sie hörte Sukaina (Friede sei mit ihr) ihr erzählen, wie ihr Onkel Abbas (Friede sei mit ihm) losgegangen war um für sie Wasser zu holen aber nie wieder zurückgekehrt war. Als Sukaina (Friede sei mit ihr) ihre Tante sah, erklärte sie ihr, wie sie vom Kamel gefallen war und wie die nette alte Dame sie in Schutz genommen hatte. Hathret Zeyneb (Friede sei mit ihr) wandte sich an die Dame und sagte: „Möge Allah (swt) dich für deine Güte gegenüber dieser Waisen lohnen.“ Die Dame antwortete: „Liebe Zeyneb (Friede sei mit ihr), wie kannst du nur deiner eigenen Mutter danken? Erkennst du mich nicht?“ Als die Dame ihr Gesicht etwas anhob, sah Sayyida Zeyneb (Friede sei mit ihr), dass es Fatimah Zahra (Friede sei mit ihr) war. Als die Karawane die Außenbezirke Damaskus’ erreichte, sandte Umar Sa’ad (LA) Yezid (LA) eine Nachricht zu, dass sie angekommen waren. Yezid (LA) befahl, dass die Karawane bis zum Morgen an ihrem Platz bleiben solle. Er wollte die Leute Schaams in den Straßen versammeln um ihnen die Gefangenen vorzuführen und sie zu Zeugen seines Sieges zu machen. In der Zwischenzeit wurden die Straßen durch die die Gefangenen paradiert werden sollten mit Bannern und Flaggen geschmückt. Sayyida Zeyneb (Friede sei mit ihr) hatte Kufe bereits erobert. Nun kam Schaam und wartete auf sie.