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Größe und Dynamik des Propheten des Islam Annemarie Schimmel

Größe und Dynamik des Propheten des Islam  Annemarie Schimmel

In einem am 10. September 1999 im Islamischen Zentrum Hamburg gehaltenen Vortrag zum Thema „ Goethe und der Islam " würdigte die berühmte Orientalistin und Islamwissenschaftlerin die Größe und Dynamik des Propheten des Islam mit einer Replik von Goethes „Mahomets Gesang".

In dieser Aufklärungsstimmung des 18. Jahrhunderts, in der man zum ersten Mal versuchte, eine Art Enzyklopädie des Islam zu schaffen, die Bibliotheca Orientalis von 1683, schrieb Voltaire, der große französische Spötter, sein Drama Mahomet ou le fanatisme, Mohammad oder der Fanatismus. Es war ein Drama, in dem er den Propheten des Islam als Fanatiker darstellte, der alles versuchte, um mit List und Tücke seine Religion zu verbreiten. Er meinte damit aber in Wirklichkeit nicht den Propheten Mohammad, sondern es war eine Satire gegen den christlichen Klerus, was man wissen muss, um das Werk verstehen zu können.

Nun, wir sprachen von Herder, von Voltaire. Goethe, damals Student in Strassburg, wurde von beiden inspiriert, und Herder ließ ihn einen ersten Blick in die orientalische Welt tun, der er sich immer wieder in verschiedenen Formen näherte. Im Jahre 1772 beschloss Goethe, ein Gegendrama zu Voltaires Mahomet zu schreiben, von dem leider nur zwei Bruchstücke erhalten sind. Wir wissen nicht, wie es ausgesehen hätte, aber wir kennen die beiden Bruchstücke, die zu den schönsten Werken des frühen Goethe gehören. Man bedenke, er war damals 23 Jahre alt und gewissermaßen geheimnisvoll berührt von der Größe des Propheten, und so schrieb er jenes Stück, das uns heute als „Mahomets Gesang" bekannt ist, das aber in seinem geplanten Drama kein Monolog sein sollte, sondern ein Gespräch zwischen Ali und Fatima, dem Schwiegersohn und der Tochter des Propheten. Da ich nicht weiß, wie viele von Ihnen das Stück kennen, möchte ich es Ihnen aus verschiedenen Gründen noch einmal verlesen:

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Seht den Felsenquell

freudehell,

wie ein Sternenblick!

Über Wolken

nährten seine Jugend

gute Geister

zwischen Klippen im Gebüsch.

Jünglingsfrisch

tanzt er aus der Wolke

auf die Marmorfelsen nieder,

jauchzet wieder

nach dem Himmel.

Durch die Gipfelgänge jagt er bunten Kieseln nach, und mit frühem Führertritt reißt er seine Bruderquellen mit sich fort.

Drunten werden in dem Tal unter seinem Fußtritt Blumen, und die Wiese lebt von seinem Hauch.

Doch ihn hält kein Schattental,

keine Blumen,

die ihm seine Knie' umschlingen,

ihm mit Liebesaugen schmeicheln;

nach der Ebne dringt sein Lauf,

schlangewandelnd.

Bäche schmiegen

sich gesellig an.

Nun tritt er

in die Ebne silberprangend,

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und die Ebne prangt mit ihm,

und die Flüsse von der Ebne

und die Bäche von Gebürgen

jauchzen ihm und rufen: Bruder,

Bruder nimm die Brüder mit,

mit zu deinem alten Vater,

zu dem ew'gen Ozean,

der mit weitverbreit'ten Armen

unsrer wartet;

die sich, ach, vergebens öffnen,

seine Sehnenden zu fassen,

denn uns frißt in öder Wüste

gier'ger Sand,

die Sonne droben

saugt an unserm Blut,

ein Hügel

hemmet uns zum Teiche.

Bruder,

nimm die Brüder von der Ebne,

nimm die Brüder von Gebürgen

mit, zu deinem Vater mit!

Kommt ihr alle! -Und nun schwillt er herrlicher, ein ganz Geschlechte trägt den Fürsten hoch empor, und im rollenden Triumphe gibt er Ländern Namen, Städte werden unter seinem Fuß.

Unaufhaltsam rauscht er über, läßt der Türme Flammengipfel, Marmorhäuser, eine Schöpfung seiner Fülle, hinter sich.

Zedernhäuser trägt der Atlas

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auf den Riesenschultern, sausend wehen über seinem Haupte tausend Segel auf zum Himmel seine Macht und Herrlichkeit.

Und so trägt er seine Brüder, seine Schatze, seine Kinder dem erwartenden Erzeuger freudebrausend an das Herz.

Hier ist also der Prophet unter dem Bild eines Flusses zu sehen, der aus kleinsten Anfängen in der Einsamkeit langsam seinen Weg in die Heimat findet und dabei alle, die in seinen Weg kommen, alle Quellen, Bäche, alle Flüsse mit sich nimmt und sie zu dem Einen großen göttlichen Vater führt.

Das ist ein wunderbares Bild von der Kraft des Prophetischen und des Propheten selbst, so mitreißend, dass der pakistanische Dichter Mohammad Iqbal in einem Gedichtband, den er als Antwort auf Goethes West-Östlichen Diwan geschrieben hat, dieses Gedicht ins Persische übersetzte. Er macht zwar eine Fußnote, dass es eine sehr freie Übersetzung sei, aber er sagt auch in der Fußnote, dass es kein Gedicht gäbe, das die dynamische Kraft des Propheten schöner ausdrücke als Goethes Worte."

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