Nach mehreren gewalttätigen Anschlägen beklagen muslimische Religionsgemeinschaften zu wenig gesellschaftliche Solidarität. Zugleich wehren sie sich gegen eine aus ihrer Sicht einseitige Sichtweise in Medien. Erstveröffentlichung dw.com (Deutsche Welle)
In Berlin und Baden-Württemberg loderten vor wenigen Tagen Flammen, in Schleswig-Holstein gingen Fensterscheiben zu Bruch - das Ziel waren jedes Mal Moscheen. "Allein seit Jahresbeginn verzeichnen wir bereits den 27. Angriff auf eine Moschee", beklagt Zekeriya Altug vom türkischen Moschee-Verband "Ditib" am Donnerstag in Berlin. Neben ihm sitzen die Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime und des Islamrats, Aiman Mazyek und Burhan Kesici. Alle drei eint die wachsende Sorge, sich in Deutschland nicht mehr sicher fühlen zu können.
"Wir wollen in keiner Gesellschaft leben, in der wir uns nicht willkommen und zuhause fühlen", sagt Altug und ergänzt: "Wir wollen keine Gesellschaft, die sich auseinander dividieren lässt." Die Gefahr aber, dass genau das passieren könnte, halten die Funktionäre der muslimischen Religionsgemeinschaften für real. Deshalb fordern sie in einer gemeinsamen Erklärung einen "Schulterschluss gegen diese Schandtaten". Und sie erinnern daran, wie lang die Liste 2017 war: Nach Angaben des Bundesinnenministeriums gab es 1069 Angriffe auf Muslime oder islamische Einrichtungen.
Da solche Straftaten erst seit dem vergangenen Jahr systematisch erfasst werden, sind statistische Aussagen über die Entwicklung dieser Form von Kriminalität kaum möglich. Anders sieht es aus, wenn man die Zahl mit Straftaten gegen andere Religionen vergleicht: antisemitisch motiviert waren demnach 1495, Christen oder deren Einrichtungen waren 127 Mal betroffen.
Aiman Mazyek hält allerdings nichts von Aufrechnungen dieser Art. Egal ob es eine Synagoge, Kirche, Moschee oder ein Tempel sei: "Es ist ein Anschlag auf unsere Demokratie, auf unser Land, auf unsere freiheitliche Gesellschaft." Ausdrücklich loben die in einem Koordinationsrat zusammengeschlossenen Islam-Organisationen Solidaritätsbekundungen auf örtlicher Ebene, namentlich Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD).
Zugleich vermissen sie ein vergleichbares Zeichen der Anteilnahme auf Bundesebene. Den neuen Innenminister Horst Seehofer (CSU) forderten sie auf, Islam-Feindlichkeit ernster zu nehmen. "Wenn Moscheen brennen in unserem Land, dann brennt in erster Linie unser Land", sagt Aiman Mazyek. Erst in zweiter Linie sei es dann die Religionsgemeinschaft oder Gruppe.
Burhan Kesici kritisiert zudem die aus seiner Sicht fehlende Sensibilisierung für das Thema auf Seiten der Sicherheitsbehörden. Einzelne Polizisten würden durchaus Verständnis zeigen. Aber wenn man mal frage, was man machen solle, "dann werden wir von einem zum anderen weitergeleitet". Das sei etwas, wo man auf jeden Fall noch besser zusammenarbeiten müsse. "Um den Muslimen ein Sicherheitsgefühl zu geben", betont Kesici.
Auch von Medien erwarten die Vertreter der muslimischen Organisationen zuweilen einen differenzierteren Blick. "Wenn terroristische Gruppierungen Moscheen anzünden, dann sind das keine türkischen Einrichtungen", erläutert Zekeriya Altug. Als solche seien sie aber zuletzt oft bezeichnet worden.
Es seien aber Moscheen in Deutschland, die von Deutschen, türkisch-stämmigen, kurdisch-stämmigen, arabisch-stämmigen oder Balkan-stämmigen Menschen besucht werden würden: "Kurz gesagt: von Muslimen aus aller Welt."