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Die 17. Konsultation - Dilemma der Kompromisse

Die 17. Konsultation - Dilemma der Kompromisse

3. Dhu-l-Hidscha 1329 (25.11.1911)

Geehrter [scharif] großer Gelehrter [allamah] und weiser Herr [scheich] Abdalhussain Scharaffuddin al-Musawi, der Friede sei mit Dir und die Gnade Allahs und Seine Barmherzigkeit.

1 Bezeichnung für extreme Gegner der Schiiten, die behaupten, dass Muawiya rechtmäßigerweise Kalif wurde.

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Beim Lichte deiner Augen! Nie habe ich je ein reineres Herz als das Deinige erblicken können und auch noch niemals jemanden, der verständnisvoller war als Du. Nie zuvor habe ich einem solche geschärften Geist gelauscht, und nie zuvor bemerkte ich solchen Scharfblick. Keine Stimme ist je auf so angenehme Weise an mein Ohr gedrungen und hat bei den Menschen so rasch Gehör gefunden. Desgleichen hat keiner seine Argumente je flüssiger vorgebracht als Du, und Deine Konsultationen ergossen sich gleich einem reißenden Strom. In ihnen warst Du stets Herr über jeden Mund und jedes Ohr und gebotest über jeden Blick und jedes Herz.

Bei Allah, wie trefflich waren Deine letzten Worte, die erhaben über jeden Zweifel sind, die Menschen unweigerlich zur Rede stellen und Dank der Wahrheit den Irrtum zu zerschlagen wissen.

Es spricht nichts dagegen, wenn der Sunnit sich auf seinen Bruder, den, Schiiten beruft, solange dieser nur zuverlässig ist. Deine Ansicht entspricht absolut den Tatsachen. Der gegnerische Standpunkt jedoch zeugt von Verbohrtheit und zänkischem Getue.

Denn wenn sie sagen, dass es nicht statthaft sei, sich auf den Schiiten zu berufen, so widerspricht dies ihrem Tun, und ihr Tun ist umgekehrt in keinster Weise mit ihren Worten vereinbar. Rede und Tat bewegen sich bei ihnen nicht auf ein und derselben Bahn und sind nicht zielgerichtet, sondern prallen vielmehr aufeinander. Ihr Argument ist daher auch nur unzureichend, Deines indes stichhaltig.

In dieser nur flüchtig entworfenen Studie erwähnst Du etwas, worauf Du schon in jener Abhandlung hingewiesen hast., die ich „Die schiitischen Elemente in den Überlieferungsketten der Sunniten" [asnad al-schia fi isnad al-sunna] genannt habe. Dies wird ebenfalls das Ziel dieser Arbeit werden. Darüber hinaus wird es für einen Fragesteller keinen weiteren Weg mehr geben und für den, der mehr verlangt, wird sich dann kein anderer Ort mehr finden. Ich hoffe,

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dass hierdurch in der islamischen Welt eine aufrichtige Versöhnung hervorgerufen wird.

Wir glauben an alle Zeichen1 Allahs, an all seine Zeichen, die unseren Herrn [sayyidina] betreffen, dem Befehlshaber der Gläubigen, Ali ibn Abi Talib und die Angehörigen des Prophetenhauses (r.) mehr noch, als ihr erwähnt habt. Wir wissen nicht, warum sich die Leute der Qibla von den Imamen der Angehörigen des Prophetenhauses abgewandt haben, denn sie (die Leute der Qibla) brachten mit ihren Lehren weder der Glaubenslehre [al-usul]2 noch Pflichtenlehre [al-furu] angemessene Ehrerbietung entgegen, noch schenkten sie in ihren Äußerungen den Fragen, die das Kalifat betreffen, je ein Augenmerk.

Auch haben die Gelehrten der Sunna die Imame nie um einen Rat ersucht. Bei theoretischen Problemen lehnten sie sich ihnen gegenüber vielmehr auf und schenkten den dort auftretenden Widersprüchen keinerlei Beachtung.

In Sachen der Religion wendet sich das Volk nach wie vor an jene, die nicht den Angehörigen des Prophetenhauses [ahl-ul-bait] angehören. Wenn die Verse des Qur'ans und die authentischen Überlieferungen verbindliche Anordnungen für sie gewesen wären, hätten die Sunniten sich gewiss nicht von den Gelehrten der Angehörigen des Prophetenhauses abgewandt oder sich an ihrer statt mit anderen begnügt. Qur'an und Sunna haben sie nur insofern verstanden, als

1 Der arabische Begriff „Ayah" bedeutet sowohl „Zeichen" im Allgemeinen, womit hier die Zeichen Gottes gemeint sind, als auch die Verse des Heiligen Qur'an.

2 Die Wurzeln: Gemeint sind die Grundlagen des Glaubens: Die Einheit Gottes [tauhid], Seine Gerechtigkeit [adl], das Prophetentum [nubuwwat], der Führungsauftrag [imamah] der Imame, die Wiederauferstehung nach dem Tod bzw. Jenseits [maad].

3 Die Zweige: Gemeint sind die Handlungsanweisungen des Glaubens, wie u.a. das Gebet und das Fasten.

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dass ihnen lediglich die Verpflichtung zu bloßer Ehrerbietung und Freundschaft auferlegt worden sei. Allein den achtbaren Vorfahren war das richtige Verständnis gegeben, denn sie wussten noch um den Sinn der Sunna und der Schrift, nämlich: Folge dem von ihm gewiesenen rechten Weg!

Der Friede sei mit Dir

Die 18. Konsultation - Zur Unterscheidungsfähigkeit

4. Dhu-l-Hidscha 1329 (26.11.1911)

Verehrter [maulana] Scheich al-Islam, der Friede sei mit Dir und die Gnade Allahs und Seine Barmherzigkeit.

Ich bin Dir sehr verbunden, dass Du Dich auf mich Unvollkommenen verlässt. Deinen wohlgefälligen Blick, der auf mir und meinen Konsultationen ruht, weiß ich wohl zu schätzen. Vor dieser Güte senke ich meine Augen und bezeuge es voller Demut, Ehrfurcht und Respekt. Während ich Eure Eminenz höflich darum bitten möchte, noch einmal Einsicht zu nehmen, in das, was Ihr bezüglich des Abfalls von den Angehörigen des Prophetenhauses bis hin zum Abso-lutheitsanspruch [mutlaq] der Leute der Qibla bereits vorgebracht habt, so möchte ich Euch zugleich in Erinnerung rufen, dass die Hälfte der Leute der Qibla, nämlich die Anhängerschaft der Familie Muhammads, sich niemals von den Imamen der Angehörigen des Prophetenhauses, und zwar weder in den Prinzipien noch in der tatsächlichen Praxis des religiösen Lebens, abgewandt hat und dies auch nie tun wird.

Die Imame (a.) waren der Meinung, dass, gemäß ihren Lehren, die Verehrung Allahs auf die vollkommen miteinander übereinstimmenden und klar abgegrenzten Verpflichtungen im Qur'an und in der Sunna gegründet ist. Zu jeder Zeit und an jedem Ort bekennen

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sie sich hiermit zu Allah, dem Allmächtigen und Erhabenen, ganz so, wie es ihre achtbaren Vorfahren und Nachkommen seit der Offenbarung durch den Gesandten Allahs (s.) bis zum heutigen Tage zu tun pflegten.

In Wahrheit sind es die Herrscher und Machthaber der Gemeinschaft [umma] gewesen, die sich von Anfang an sowohl in der Glaubens- als auch in der Pflichtenlehre von den Angehörigen des Prophetenhauses abgewandt haben, und zwar bereits seitdem sie der (wahren) Nachfolgerschaft den Rücken gekehrt hatten, indem sie diese auf Grundlage von Wahlen zu bestimmen suchten, obwohl es doch schriftlich verbürgt war, dass sie allein durch den Befehlshaber der Gläubigen, Ali ibn Abi Talib anzutreten sei. Zu dieser Zeit sahen sie, dass die Araber es nicht hätten erdulden können, wenn die Nachfolgerschaft einem ganz besonderen Hause übertragen worden wäre. Aber sie haben die entsprechenden Textbelege uminterpretiert. So führten sie Wahlen ein, damit selbst in späteren Zeiten jeder lebende Mensch sich der Hoffnung auf die Nachfolge hingeben konnte.

Schließlich fand man das Kalifat bald hier und bald dort. Sie unterstützten dieses Prinzip mit Macht und Tatkraft und stellten sich alldem entgegen, was ihm widersprach. Dieser Zustand war es, der sie letzten Endes dazu brachte, von der Lehre der Angehörigen des Prophetenhauses abzuweichen. All die Hinweise, die sich im Qur'an und in der Sunna auf die Pflicht beziehen, ihnen stets mit Verehrung zu begegnen, belegten sie zudem mit Missdeutungen. Hätten sie sich diesen eindeutigen Hinweisen jedoch unterstellt, so wären sie gewiss zu den Angehörigen des Prophetenhauses zurückgekehrt und alle Menschen hätten heimgefunden zum wahren religiösen Leben in Wort und Tat. Sie hätten ihre eigenwilligen Ansichten aufgegeben und erneut zur Grundordnung gelangen müssen, um dann schließlich als die eifrigsten Fürsprecher für die Angehörigen des Prophetenhauses dastehen zu können.

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All dies stimmt aber weder mit ihrer (tatsächlichen) Absicht überein, noch steht es im Einklang mit ihrer Entschlossenheit und dem Eifer ihrer Politik. Würde jemand diese Angelegenheit einer genauen Prüfung unterziehen, so wüsste er, dass die Ablehnung des Prinzips der Führerschaft, die den Imamen der Angehörigen des Prophetenhauses übertragen worden war, nichts anderes ist, als ein Teil jener Ablehnung, die sich gar gegen ihren Führungsanspruch überhaupt richtet nach dem Tode des Gesandten Allahs (s.).

Jedoch wurde mit der Auslegung der Indizien für ihre spezielle Führerschaft [imamatihim al-hasa1] erst begonnen, als die Auslegung der Indizien für ihre allgemeine Führerschaft [imamatihim al-amma] bereits schon lange durchgeführt worden war. Anderenfalls wäre man sicher nicht derartig verschlungenen Pfaden gefolgt.

Doch lassen wir deren2 Textbelege und Erläuterungen jetzt beiseite! Betrachte vielmehr die Autoren, selbst ohne Rücksicht auf deren Schriften zu nehmen. Findest Du dann jegliche Unzulänglichkeit bzw. Schwäche bei ihnen, etwa im Denken, im Handeln oder in der Frömmigkeit beispielsweise gegenüber Imam al Asch'ari3 oder gegenüber den vier Imamen4 oder anderen? Wenn bei diesen Männern kein Mangel festzustellen ist, warum sollten dann andere der Gefolgschaft würdiger sein oder mehr Recht auf die Gehorsamspflicht haben?

Welches unparteiische Gericht fällt nun sowohl über jene, die am Irrtum festhalten, das Urteil, als über jene, die auf ihren Spuren wandeln? Wo ist der Richter, der die Anhänger der Ahl-ul-Bait vorwerfen will, sie würden irren? Wie kann jemandem vorgeworfen werden, er würde irren, weil er sich an die Nachkommenschaft des

1 Führerschaft über nur einen Teil der Muslime

2 Gemeint sind die Textbelege derjenigen, die den Ahl-ul-Bait folgen

3 Begründer der philosophischen Schule der Asch'aria, geistiger Vorgänger der sunnitischen Rechtsschulen.

4 Gemeint sind die Begründern der vier sunnitischen Rechtsschulen)

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Propheten (s.) hält? Keiner der Leute der Sunna wal Dschama'ah1 kann solche ein Urteil über uns fällen.

Der Friede sei mit Dir.

Die 19. Konsultation - Eigenverantwortung bei der Unterscheidung

5. Dhu-l-Hidscha 1329 (27.11.1911)

Geehrter [scharif] großer Gelehrter [allamah] und weiser Herr [scheich] Abdalhussain Scharaffuddin al-Musawi, der Friede sei mit Dir und die Gnade Allahs und Seine Barmherzigkeit.

Kein urparteiisches Gericht bezichtigt diejenigen des Irrtums, die mit den Angehörigen des Prophetenhauses in Verbindung stehen und ihr Folge leisten. Hinsichtlich der Ansprüche, die an dieses Amt gestellt werden, finden sich bei ihren Imamen ebenso wenig Unzulänglichkeiten wie bei denen, die ebenfalls diesen Titel führen. Das Tun, das sich nach ihren Lehren richtet, stellt die Pflichtbe-wussten zufrieden und befreit sie von ihrer Schuld, ganz so, wie dies auch ohne Zweifel der Fall bei Beachtung der vier bestehenden Rechts schulen2 ist.

Ja, man kann sogar sagen, dass eure zwölf Imame der Gefolgschaft würdiger sind, als z.B. die vier Imame der sunnitischen Rechtsschulen, da alle zwölf sich nur einer einzigen Schule zugehörig fühlen. Sie haben diese eingehend geprüft und sich dann einheitlich für sie entschieden, ganz im Gegensatz zu den vier Imamen der Sunniten. Denn deren Rechtswissenschaft wird auf allen Gebieten von den unter ihnen bestehenden Kontroversen beherrscht. Sie wussten ihr Quellenmaterial weder klar zu umgrenzen noch zu überprüfen.

1 Bezeichnung der Sunniten

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2 der Sunniten

Es leuchtet doch wohl ein, dass das, was nur eine einzige Person überprüft, mit dem unvergleichbar ist, was zwölf Imame eingehend untersuchen. So bleibt für den Gerechtdenkenden, aber auch für den Tyrannen kein Raum mehr für irgendwelche Bedenken.

Freilich, möglicherweise werden die Widersacher sich dagegen auflehnen, dass Eure Lehre sich nur auf die Imame der Angehörigen des Prophetenhauses stützen kann. In diesem Falle würde ich Dich dann im Folgenden damit beauftragen, den Beweis hierfür anzuführen. Nun möchte ich Dich auch noch um die Angaben zu den Texten bitten, die das Kalifat für Imam Ali ibn Abi Talib bestimmt wissen. Bringe sie bitte in aller Deutlichkeit und Vollständigkeit von sunnitischer Seite bei.

Der Friede sei mir dir.

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