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Gottesbeweise: Eine Übersicht über die Wege der rationalen Gotteserkenntnis

nhaltsverzeichnis 1 Der kosmologische Gottesbeweis: Von nichts kommt nichts 1.1 Einwände 2 Der teleologische Gottesbeweis: Ordnung als Beweis für den Schöpfer 2.1 Einwände
Gottesbeweise: Eine Übersicht über die Wege der rationalen Gotteserkenntnis

nhaltsverzeichnis

    1 Der kosmologische Gottesbeweis: Von nichts kommt nichts
        1.1 Einwände
    2 Der teleologische Gottesbeweis: Ordnung als Beweis für den Schöpfer
        2.1 Einwände
    3 Der ontologische Gottesbeweis: Gott existiert, weil man ihn denken kann
        3.1 Einwände
    4 Der moralische Gottesbeweis: Ohne Gott keine Moral
        4.1 Einwände
    5 Gott als die beste Annahme: Wetten, dass es Gott gibt?
        5.1 Einwände
    6 Der „Neue Atheismus“

Der kosmologische Gottesbeweis: Von nichts kommt nichts

Dies ist zweifellos der bekannteste Gottesbeweis. Er beruht auf einer Erfahrungstatsache über die Welt (daher der Name): Von nichts kommt nichts. Jede Wirkung besitzt eine Ursache. Jedes Bewegte benötigt einen Beweger. Jede Existenz hängt von anderen Existenzen ab. – Alles verschiedene Formulierungen derselben Idee.

Nun kommt eine weitere Erfahrungstatsache hinzu: Ich existiere. Und ich existiere nicht aus mir selbst heraus.

Es folgt der logische Schluss: Meine Existenz muss von einer Ursache abhängen, welche selbst eine Ursache besitzen muss, welche wiederum verursacht wurde, und so weiter. Diese Kette von Ursache und Wirkung, von Beweger und Bewegtem darf nicht unendlich sein (unendlicher Regress). Denn eine unendliche Kette würde wiederum die Frage nach ihrer eigenen Existenz aufwerfen, und die Kette von Ursache und Wirkung begänne von Neuem. Ebenso darf die Kette in keinem Kreis von Ursache und Wirkung enden (Zirkelschluss), also A → B → C … → A, denn dann würde eine Ursache sich selbst bewirken, was im Widerspruch zu unserer Erfahrungstatsache steht.

Daher muss es eine erste Ursache geben, die selbst keine Ursache besitzt. Einen unbewegten Erstbeweger. Eine notwendige Existenz, die keiner anderen Existenzen bedarf. Und diese ist Gott, der Schöpfer. Beweisschluss.
Einwände

    Wenn von nichts nichts kommt, und dies universell gültig ist, dann muss das auch für Gott gelten. Mithin beweist diese Prämisse, dass ein unendlicher Regress zwingend ist. Wenn es jedoch für Gott ausnahmsweise nicht gilt, wie die verschiedenen Verfeinerungen des Beweises zu zeigen versuchen, warum soll dann nicht beispielsweise der Urknall aus sich selbst heraus existieren, ohne eine Ursache zu bedürfen.
    Existiert überhaupt genau eine Ursache für jede Wirkung, oder sind es nicht vielmehr etliche Ursachen? Eine Verfolgung der Ursachen, beginnend beim Ich, würde demnach keine Kette, sondern einen Baum aufspannen, mit vielen Verzweigungen. Es scheint nicht zwingend, dass die Äste sich wieder in einer Ur-Ursache verbinden. Mithin scheint es also mindestens viele ursachenlosen Ursachen zu geben: viele Götter.
    Die Erfahrungstatsache „von nichts kommt nichts“ beruft sich auf die über die Sinne erlebte Welt, die Physis. Sie ist aber nicht notwendigerweise außerhalb dieser Welt gültig. Sie ist nur eine Erfahrungstatsache, keine logische Notwendigkeit.
    Selbst in unserer Welt ist diese Erfahrungstatsache zweifelhaft. Es ist nicht ausgeschlossen, dass physikalische Objekte, die sich unserer Erfahrungswirklichkeit entziehen, beispielsweise Quantenobjekte (subatomare Partikel, wie etwa Elektronen), dieser Prämisse nicht genügen. Möglicherweise entsteht ein Quantenpartikel spontan und ohne Ursache. Gesichert ist heute schon, dass es sich ohne Ursache teleportieren kann.
    Selbst wenn eine erste Ursache den Verlauf der physischen Weltgeschichte anstieß: Sie scheint in keiner notwendigen Weise mit dem Gott der monotheistischen Religionen übereinzustimmen. Sie ist bloß eine erste Ursache. Sie greift nicht ein, sie interessiert sich nicht für die Welt, sie besitzt kein Bewusstsein, geschweige denn „göttliche Attribute“.

Der teleologische Gottesbeweis: Ordnung als Beweis für den Schöpfer

Grundlage dieses Beweises ist die Erkenntnis, dass unsere Welt wohlgeordnet und aufeinander abgestimmt ist. Die Natur greift perfekt ineinander. Die Erde scheint wie für den Menschen geschaffen, alles Notwendige steht im Überfluss bereit. Vom kleinsten Insekt bis zum größten Wetterphänomen entstammen die Dinge offenbar einer ordnenden Kraft. Es herrscht kein totales Chaos oder Durcheinander – ein solches würde Leben gar nicht ermöglichen –, vielmehr scheint alles zweckgerichtet zu sein („Teleologie“ bedeutet „Zwecklehre“). Diese Ordnung kann nur einem ordnenden Geist entstammen, sie entsteht nicht aus sich selbst. Dieser Geist erschuf in Harmonie, Weisheit und Weitsicht, was wir als „Ordnung“ erkennen. Und das ist Gott. Beweisschluss.

Diese Argumentation finden wir im Heiligen Qur’an und in zahlreichen Überlieferungen der Ahl-ul-bait (a.), beispielsweise von Imam Sadiq (a.) im Tauhid von Mufaddhal oder von Imam Ali (a.) in Nahdsch-ul-Balagha. Sie ist aber historisch nachweislich sehr viel älter als der Islam.
Einwände

    Früher war die Ordnung der Welt ohne einen bewussten Ordner unbegreiflich, musste auf einen Gott deuten. Aber dies war der „Gott als Lückenbüßer“, der nur solange benötigt wird, bis die Wissenslücken geschlossen werden. Heute wissen wir unvergleichlich mehr über die Mechanismen der Natur, die zur beobachtbaren Ordnung führen. Wir kennen die physikalischen Naturgesetze und die Entwicklung des Lebens (Evolution). Jedes geordnete Phänomen lässt sich prinzipiell auf Grundlage dieser Mechanismen erklären. Gott ist damit als Erklärung überflüssig.
    Selbst wenn man der These zustimmt, dass Ordnung nicht aus sich selbst heraus entstehen kann, sondern einer externen Energiezufuhr bedarf, so ist diese nicht unbedingt „Gott“. Mithin basiert der Gedanke schlussendlich auf „von nichts kommt nichts“ und ist damit als Einleitung zum kosmologischen Gottesbeweis zu verstehen oder als eine alternative empirische Tatsache: Statt „ich bin“ beginnt man dann im kosmologischen Gottesbeweis mit „es gibt eine Ordnung“.

Der ontologische Gottesbeweis: Gott existiert, weil man ihn denken kann

Der ontologische Gottesbeweis („Ontologie“ bezeichnet die Lehre vom Sein) verlässt die Erfahrungswelt, stützt sich nicht auf Erfahrungstatsachen oder Anschauungen von Ordnungen, sondern basiert allein auf dem Denken.

Ausgangspunkt ist die gedankenbasierte Definition Gottes: „Gott ist, worüber hinaus nichts Vollkommeneres gedacht werden kann.“

Angenommen, Gott existiere nicht. Dann lässt sich etwas denken, was vollkommener ist als Gott, nämlich der gedanklich selbe Gott, der darüber hinaus aber auch existiert. Denn etwas Existierendes ist vollkommener als etwas, was nicht existiert – im Widerspruch zur Definition Gottes. Also muss unsere Annahme falsch sein und Gott existiert. Beweisschluss. (Das Argument muss man ggf. mehrmals lesen.)

Was auf den ersten Blick wie ein Taschenspielertrick scheint, ist tiefgründig, mithin eine dem Mathematiker vertraute Argumentationsweise.
Einwände

    Nur weil man sich etwas vorstellen kann, existiert es noch nicht. Man könnte obigen Schluss auch mit einer „vollkommenen Insel“ führen. Dennoch existiert diese Insel nicht.
    Die Definition setzt implizit voraus, dass wir Menschen uns die höchste Vollkommenheit vorstellen oder gedanklich fassen können. Da wir in jedem Sinne beschränkt sind, ist diese Voraussetzung falsch.
    Es ist nicht klar, ob eine höchste Vollkommenheit überhaupt existiert oder ob dies nicht gar ein widersprüchlicher Begriff ist. Wie lautet die Definition von „Vollkommenheit“?

Der moralische Gottesbeweis: Ohne Gott keine Moral

Der moralische Gottesbeweis liefert keinen logischen Beweis im Sinne der drei obigen Schlüsse, sondern appelliert an das Gewissen und die Notwendigkeit der Moral.

Grundlage ist die Erkenntnis, dass alle Menschen ein Bewusstsein für das Gute und Böse besitzen, und wenigstens eine ungefähre Vorstellung davon, dass es objektive moralische Werte und Verpflichtungen für die Menschheit geben muss. Nun wird Folgendes behauptet und begründet: Wenn Gott nicht existiert, dann gibt es keine objektiven moralischen Werte und Verpflichtungen (die Begründung folgt in einem späteren Artikel). Da es diese aber geben sollte, existiert Gott.

Wir wollen nicht in einer Welt ohne objektive moralische Werte und Verpflichtungen leben, dies wäre eine Welt der Willkür, des Leids, ohne Sinn und Zweck. Wenn wir eine objektive Moral konstatieren, dann müssen wir Gott als moralische Weltursache akzeptieren.
Einwände

    Nur weil man nicht an Gott glaubt, handelt man nicht unmoralisch. Offenbar existieren Moral auch ohne Glaube an Gott oder Offenbarungen. Vielmehr sind sie ein Produkt der Evolution, ein Mittel der Arterhaltung.
    Man kann objektive moralische Werte und Verpflichtungen mithilfe der Naturwissenschaften definieren, ohne sich auf Gott stützen zu müssen, in dem man erforscht, welche Handlungen zu welchen Konsequenzen führen. Man soll dann derart moralisch handeln, dass sich das größte Glück für die größte Anzahl von Menschen ergibt. Und Glück kann man mithilfe der Neurologie messen.
    Dieser Gottesbeweis ist nur eine Flucht vor der Sinnlosigkeit des Daseins. Moral und Lebenssinn sind menschliche Illusionen. Daher ist die Annahme der Gottesexistenz so menschlich, wie sie logisch unbegründet ist.

Gott als die beste Annahme: Wetten, dass es Gott gibt?

Imam Ali (a.) wurde einst von einem Atheisten gefragt, warum er denn an Gott glauben solle, wo er doch ohne Gottesglauben glücklich sei. Der Imam antwortete, dass auch er in dieser Welt glücklich sei, aber er es in der nächsten Welt ebenso sein werde. Der Atheist habe also nichts zu verlieren, wenn er an Gott und das Jenseits glaube, nur zu gewinnen.

Der „Beweis“ lautet also: Es ist besser, an Gott zu glauben, als nicht an ihn zu glauben. Denn wenn man sich als Gläubiger irrt, geschieht nichts. Wenn man sich aber als Atheist irrt, dann hat man womöglich viel verloren oder wenigstens viel Potenzial im Leben liegen lassen. Daher sollte man an Gott glauben. Beweisschluss.

Diese Argumentation, kein Beweis im eigentlichen Sinne, ist auch als „Pascalsche Wette“ bekannt, benannt nach dem Mathematiker und christlichen Theologen Blaise Pascal (1623-1662). Sie ist aber vermutlich mindestens tausend Jahre älter, wie obige Überlieferung nahelegt.
Einwände

    Gottesglaube und Religion bewirken viel Schaden im Individuum und in der Gesellschaft, die Geschichte bezeugt dies. Es ist also im Falle der Nichtexistenz Gottes keineswegs irrelevant, ob man glaubt oder nicht.
    Auch wenn es Gott gibt, muss der Gläubige bei Gott nicht besser abschneiden. Vielleicht wird der ehrliche Atheist, der moralisch handelt, von Gott besser entlohnt als der unmoralische Gläubige.
    An welchen Gott soll man sich richten? An den Gott des Judentums, Christentums oder Islams? Oder an den höchsten Gott der Heiden? Wenn man auf den falschen Gott setzt, teilt man womöglich sein Schicksal mit dem Atheisten.

Der „Neue Atheismus“

In den letzten Jahrzehnten hat sich im Westen eine Ideologie geformt, die Elemente des klassischen Naturalismus und Atheismus mit dem unbedingten Glauben an die Naturwissenschaften als einzigen Weg zur Wahrheit verbindet. Ihre Vertreter treten missionarisch auf, veralbern oder dämonisieren Religionen und Gläubige, propagieren vorgeblich Vernunft und die Freiheit des Denkens, debattieren mit Religionsvertretern und gehen daraus nicht selten als Sieger hervor. Der berühmteste, der Papst des Neuen Atheismus, ist der Evolutionsbiologe Richard Dawkins, gefolgt von dem Neurobiologen Sam Harris, dem Astrophysiker Lawrence Krauss und dem Philosophen Daniel Dennett. Der bekannteste deutsche Vertreter ist der Pädagoge Michael Schmidt-Salomon.

Wir werden in den folgenden Artikeln dieser Reihe Thesen und Argumentationen des Neuen Atheismus analysieren und kritisieren. Von obigen Gottesbeweisen wird insbesondere der moralische relevant sein.

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