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Tuesday 30th of April 2024
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Zerstörer Trump

Die Entscheidung des amerikanischen Präsidenten folgt einem innenpolitischen Kalkül. Denn Trumps evangelikale Wähler feiern die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels als einen Meilenstein auf dem Weg zur Ankunft des Reichs Gottes. Auf dem Weg stören Muslime nur, und für Trumps Wähler sind die Konflikte des Nahen Ostens ohnehin weit weg. Trumps Entscheidung zu Jerusalem fügt sich auch in sein Leitmotiv: „disruptiv“ sein. Weg also mit allen Gewissheiten, die kompliziert sind, die nicht wie gewünscht funktionieren und die einer wie Trump ablehnt. Weg auch mit dem „Friedensprozess“ zwischen Israel und den Palästinensern, an dem sich so viele amerikanische Präsidenten die Zähne ausgebissen haben.

Disruptiv sind auch die außenpolitischen Folgen der Entscheidung, die weder beabsichtigt sein können noch wünschenswert sind. Einige Träumer mögen ja gutheißen, dass das „amerikanische Jahrhundert“ im Nahen Osten frühzeitig ausläuft. Begonnen hatte der Rückzug auch schon vor dem Zerstörer Trump. Das hat mit der Einsicht im Westen zu tun, dass militärische Interventionen – bis auf Ausnahmen – nicht die gewünschten Ergebnisse produziert haben und keine äußere Macht die inneren Konflikte der arabischen Welt befrieden kann.

Ganz zieht sich Amerika aber nicht zurück. Einige setzen noch immer auf Washington, beispielsweise Saudi-Arabien, die letzte verbliebene arabische Ordnungsmacht; auch Jordanien, dessen König die amerikanische Regierung vergeblich vor diesem Schritt gewarnt hat; und Ägypten, das auf Kapitalspritzen aus Riad und Washington angewiesen ist. Ihre Regierungen müssen sich nun dem Zorn der „arabischen Straße“ entgegenstellen, müssen Proteste unterdrücken, die aus den Moscheen kommen.

Israel hatte schon einmal arabische Staaten delegitimiert. So hatten 1948 die Gründung des Staates Israel und die arabische Niederlage im folgenden Krieg zum Sturz der damaligen bürgerlichen Ordnung in der arabischen Welt geführt. Heute delegitimiert Trumps Entscheidung zu Jerusalem die letzten proamerikanischen Staaten Arabiens. Trump weiß, dass sie ihre Beziehungen zu Amerika nicht für Palästina und Jerusalem opfern werden. Denn sie brauchen Amerika und Israel für den übergeordneten Großkampf mit Iran.

Das schafft Spielraum für neue Akteure, insbesondere für die Türkei und Iran. Da Saudi-Arabiens Hände gebunden sind, können der türkische Präsident Tayyip Erdogan und die Islamische Republik Iran als die Beschützer islamischer Interessen auftreten. Erdogan ist seit dem Eklat vom Januar 2009, als er unter Protest eine Diskussion mit dem israelischen Präsidenten Peres verließ, und seit dem Konflikt um das türkische Hilfsschiff Mavi Marmara, das 2010 die israelische Seeblockade vor Gaza durchbrechen wollte, ein Held der arabischen Straße. Erdogan nützt dabei, dass die Türkei seit April 2016 turnusgemäß den Vorsitz der Organisation für Islamische Zusammenarbeit innehat, dem mit 57 Mitgliedern größten Staatenbund der islamischen Welt. Bereits für kommende Woche hat Erdogan einen Sondergipfel des Gremiums in Istanbul angekündigt.
Abgesetzt von Partnern im Westen

Iran wiederum nimmt die Steilvorlage dankbar auf, weil es so den Vorwurf abstreifen kann, ein schiitischer Aggressor in der sunnitisch-arabischen Welt zu sein. Angetreten war die islamische Republik nach der Revolution von 1979 als eine Macht, die ihre Legitimation aus dem Kampf gegen den sogenannten „zionistischen Staat“ Israel und gegen den „amerikanischen Imperialismus“ bezog. Dann aber wurde Iran mit seinen kampferprobten Milizen immer mehr zur Schutzmacht der schiitischen Muslime – in Syrien an der Seite des Assad-Regimes, im Irak als Garantiemacht für die schiitische Zentralregierung, im Libanon mit der Hizbullah, die dort sunnitische Muslime an den Rand drängt. Trump öffnet den iranischen Revolutionswächtern nun eine unerwartete Gelegenheit, sich wieder als „islamischer Widerstand“ zu präsentieren.

Zum Wortführer der islamischen Welt wird aber zunächst Erdogan. In den vergangenen Monaten hatte er sich bereits stärker als jeder andere islamische Führer zur Tragödie der Rohingya zu Wort gemeldet und Burma des Völkermords bezichtigt. Jetzt erklärte er gegenüber Präsident Trump Jerusalem, die drittheiligste Stadt im Islam, zur „roten Linie“. Wie kein anderer stilisiert Erdogan sich derzeit als Anführer, der die islamische Welt hinter sich sammelt.
Ein Sog vom Westen weg

Er nimmt in Kauf, dass sich dadurch die Beziehungen zu Amerika und Israel weiter verschlechtern. Die sind ohnehin belastet – etwa durch die amerikanische Unterstützung für syrische Kurden und durch die Geiselhaft des amerikanischen Pastors Andrew Brunson, den Erdogan gegen den in Pennsylvania lebenden türkischen Prediger Fethullah Gülen austauschen will. Brunsons Gesundheit verschlechtert sich rapide, im amerikanischen Kongress wird seine Geiselhaft immer mehr zum Thema.

Nun entwickelt sich die Jerusalem-Frage zu einem Sog, der die Türkei vom Westen wegzieht. Dabei ist die Türkei noch immer die südöstliche Säule der Nato. In Syrien, jenseits der Grenze, haben sich inzwischen Russland und Iran mit permanenten Basen festgesetzt. Bis zu 30 Kilometer tief stehen auch türkische Truppen auf syrischem Territorium. Auch politisch arbeitet Ankara mehr und mehr mit Moskau und Teheran zusammen. Das wird bei dem politischen Prozess in Syrien sichtbar, den die drei Länder zuletzt in Astana und Sotschi eingeleitet haben. Die Türkei setzt sich dabei von ihren Partnern im Westen ab, denen sie unterstellt, ihre eigenen kurzfristige Ziele im Kampf gegen den Terror zu verfolgen, aber die langfristigen türkischen Sicherheitsinteressen auszublenden.

Auch das ist disruptive Politik: Türkei und Iran stärker zusammenzuführen. Auf Kosten der Interessen des Westens.

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