In der Debatte um ein Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahren haben sich am Mittwoch Schulexperten und muslimische Vertreter gegen den Vorstoß in Nordrhein-Westfalen gewandt. Die NRW-Integrationsstaatssekretärin Serap Güler (CDU) plädierte dagegen erneut für ein Verbot.
Das von der nordrhein-westfälischen CDU/FDP-Landesregierung erwogene gesetzliche Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahren stößt bei Schulverbänden auf Widerstand. Die Landesvorsitzende des Grundschulverbands, Christiane Mika, sagte der „Rheinischen Post“ (Mittwoch): „Diese Diskussion zum jetzigen Zeitpunkt scheint wenig sensibel und hilfreich.“ Ihr Verband sehe keinerlei Handlungsbedarf. Mika, die selbst Leiterin einer Grundschule in Dortmund ist, fügte hinzu, an ihrer Schule seien von 345 Schülern 280 Muslime; sechs Mädchen trügen Kopftuch.
Skeptisch äußerten sich in der Zeitung auch die Gesamtschulleiter. „Auch wenn die Anzahl der Kinder mit Kopftuch an den Gesamtschulen zugenommen hat, ist das derzeit kein relevantes Phänomen“, sagte Mario Vallana, Landessprecher der Schulleitungsvereinigung der Gesamtschulen: „Grundsätzlich halten wir nicht viel von pauschalen Verboten. Ziel der Gesamtschulen ist es, möglichst viele Kinder zu integrieren. Ein Verbot dürfte da mehr Probleme provozieren als lösen.“
Im Gegensatz dazu bewerteten zu Beginn der Woche in der „Bild“-Zeitung der Chef des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, und die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Susanne Lin-Klitzing, den Vorstoß als eher positiv.
Lehrkräfte stehen in der Verantwortung
Der Direktor des größten islamtheologischen Instituts in Deutschland an der Universität Osnabrück, Bülent Uçar, hält indes ein Verbot für nicht „zielführend“. „Letztlich verfestigt man Parallelgesellschaften, weil die Kinder in der Schule möglicherweise anders auftreten als privat in den Familien“, sagte er der „Welt“.
Dennoch müsse „der Staat natürlich eingreifen und das Kindeswohl in den Mittelpunkt seines Handelns stellen“, wenn Mädchen gegen ihren Willen zum Kopftuchtragen verpflichtet würden. „Ich sehe die Lehrkräfte in der Verantwortung, die Kinder und Jugendlichen aufmerksam zu beobachten. Dort, wo es bedenkliche Entwicklungen gibt, muss man mit den Eltern reden – bestenfalls auch in Zusammenarbeit mit den Moscheevereinen.“ Dier Schule dürfe auch vor „Zwangsmaßnahmen“ nicht zurückschrecken.
Muslime lehnen Kopftuchverbot ab
Die Schura Rheinland-Pfalz lehnt ein Kopftuchverbot entschieden ab. „In einem Land, in dem mehrere Religionsgemeinschaften, gestützt auf die Religionsfreiheit, zusammenleben, stellen wir uns die Normalität so vor, dass Menschen individuelle religiöse Symbole tragen, Ihre religiöse Praktiken frei leben und Ihre Kinder im Sinne der Erziehung an die Religion heranführen können“, erklärt die Schura in einer Pressemitteilung.
Gleichstellungsargumente, die darauf abzielen, dass alle gleich sein müssen, führen in die Irre der Intoleranz und vorbei an der pluralistischen Realität unserer Gesellschaft. „Bei dem zur Diskussion stehenden Verbot handelt es sich um einen direkten Eingriff in innerislamische Angelegenheiten, die verfassungsrechtlich geschützt sind.“ Ein Verbot würde die „Freiheit der Religionsausübung“ und den Schutzbereich des Erziehungsrechts der Eltern in religiöser Hinsicht verletzen. „Das natürliche Recht die Religion auszuleben und die Kinder heranzuführen ist nicht nur muslimisch, sondern gilt auch in christlichen, jüdischen und Sikh Familien“, so die Schura
Der Vorsitzende des Islamrates, Burhan Kesici, nannte die Debatte „populistisch, symbolgeladen und inhaltsleer“. Die Vorstellung, muslimischen Mädchen würde das Kopftuch aufgezwungen, sei überholt: „Kopftuchzwang und Kopftuchverbot schlagen in dieselbe Kerbe: Beide entmündigen Musliminnen.“ Er halte es für „unverhältnismäßig und verfassungswidrig“, wegen einer vermuteten Minderheit „bei allen jungen Musliminnen die grundgesetzlich geschützte Religionsfreiheit einzuschränken“.
Güler verteidigt Vorstoß
Unterdessen unterstrich die Integrationsstaatssekretärin von NRW, Serap Güler (CDU), erneut die Forderung nach einem Verbot. „Uns geht es bei der Debatte allein um das Kindeswohl“, sagte die Muslima der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Güler widersprach der Behauptung, dass bei einem Verbot auch ein christliches Kreuz an einer Halskette in Frage gestellt werden müsste.
Außerdem bezeichnete sie den Vergleich zwischen einem Kopftuch und einem Kreuz als falsch. Wenn ein christliches Kind eine Kette mit Kreuz trage, könne es diese später abnehmen, ohne sich hierfür groß rechtfertigen zu müssen. Bei vielen muslimischen Mädchen sei das mit einem Kopftuch aber nicht so einfach. Das soziale Umfeld erzeuge häufig einen so starken Druck, dass es nicht ohne große Spannungen möglich sei, sich später gegen das Kopftuch zu entscheiden.