Der Heilige Qur'an erläutert die Weise, wie man die Leute zu Gott ruft und zu den größten Wahrheiten der Welt, und der Qur'an erläutert die Weise, wie man die menschliche Weisheit erneuert. Es ist nicht genügend, die Gottesbotschaft einfach zu übermitteln. Die Tat und die Einladung ist ein Schritt vor der Verkündigung. Die Pflicht eines Lehrers ist, sein Wissen den Schülern zu übermitteln. Er steht an der Tafel und löst für die Schüler die Probleme. Andererseits stellen die Schüler Fragen und suchen Gründe, um alles anzunehmen, was der Lehrer sagt. Wenn der Lehrer Beweise und Lösungen für Probleme liefert, vermehrt seine Lektion die Weisheit des Schülers.
Die Philosophen sind ebenfalls die Lehrer. Das Maximum, das sie tun, ist den Geist der Menschen zu beeinflussen. Aber im Falle der Gottesbotschaft ist es nicht genug, den Verstand zu beeinflussen; die Botschaft sollte zu den Herzen und zur Tiefe des Menschengeistes gehen, um alle Gefühle zu kontrollieren. Das ist es, was die Propheten tun, und sie sind die Männer, welche die Menschheit zum richtigen Pfade der Weisheit und Gottes führen, und nicht die Philosophen sind es. Ein Philosoph kann sich noch so anstrengen, aber er kann die Leute nur mit einer Idee beeinflussen. Das kann er nur bei einer besonderen Gruppe von Leuten tun, die jahrelang seine Schüler waren, und er muss eine spezielle Terminologie gebrauchen, mit hunderten herkömmlicher Phrasen und Ausdrücken. Wie einer meiner großen Lehrer es formulierte: Wenn die Philosophen so viele Ausdrücke gebrauchen, wie: wesentliche Möglichkeit, zukünftige Möglichkeit, geeignete Möglichkeit, notwendiges Sein in sich selbst, Urweisheit, zweitrangige Weisheit usw., so tun sie es nur deswegen, weil sie unfähig sind, sich einfach auszudrücken. Auf der anderen Seite haben Propheten kein Bedürfnis, solche Ausdrücke zu verwenden. Sie sprechen in klaren Termen. Was in verwirrender philosophischer Phraseologie gesagt wurde, wird von Propheten in zwei klaren Sätzen ausgedrückt, leicht fassbar und die Philosophen sind verblüfft über die einfache Formulierung:
89
Sprich: Er ist Allah, der Einzige! Allah, der Absolute! Er zeugt nicht, und ward nicht gezeugt. Und nichts ist Ihm gleich.
(Heiliger Qur' an, Sure 112)
Was in den Himmeln und was auf Erden ist, preist Allah; und Er ist der Allmächtige, der Allweise. Sein ist das Reich der Himmel und der Erde, Er belebt und tötet und vermag alle Dinge zu tun. Er ist der Erste und der Letzte, der Sichtbare und Verborgene; und Er ist der Wisser aller Dinge. Er ist es, der die Himmel und die Erde in sechs Zeiten erschaffen hat und er setzte sich auf den Thron. Er kennt, was in die Erde eingeht und was aus ihr hervorgeht, was von den Himmeln herabkommt und was zu diesen aufsteigt, und er ist bei euch, wo immer ihr auch sein mögt. Und Allah sieht alles, was ihr tut. (Heiliger Qur'an, Sure 57, Vers 1-4)
In diesen Qur'anversen ist die Einheit (Tauhid) Gottes in sehr einfachen Worten ausgedrückt. Wer an den Propheten Mohammed (s.) glaubt, wird mit Herz und Seele an ihn gebunden. Es gibt eine berühmte Geschichte über Ibn Sina (Avicenna), der ein Genie seiner Zeit war. Er hatte funkelnde Augen und scharfe Ohren und so fingen die Leute an, Geschichten über ihn zu erzählen. Z.B. sagten sie, er könne den Klang des Hammers der Schmiede von Kaschan (Iran) im hundert Kilometer entfernten Isfahan (Iran) hören. Einstmals sagte einer seiner Studenten namens Bahmanyar zu ihm: "Du bist einer jener Männer, den die Leute als Propheten annehmen, wenn du das behauptest." Ibn Sina sagte, das wäre doch Unsinn, aber der Student Bahmanyar beharrte darauf. Ibn Sina entschloss sich, ihm eine praktische Antwort zu geben. Einstmals reisten sie im Winter, und es schneite auch sehr. Es war die Morgendämmerung, und der Muezzin rief die Leute zum Gebet. Ibn Sina weckte Bahmanyar auf und bat ihn um ein Glas Trinkwasser. Bahmanyar erläuterte: "O mein Meister! Du bist Arzt und du weißt sehr gut, dass kaltes Trinkwasser auf einen leeren entzündeten Magen Schmerzen verursacht." Ibn Sina
90
erwiderte: "Ich bin Arzt und du bist mein Student. Ich sage dir, dass ich durstig bin und warum zögerst du dann?" Bahmanyar beharrte: "Ja, du bist mein Lehrer, aber ich wünsche nur das Gute für dich, statt dass ich blindlings dir gehorche und deinen Befehl ausführe." Nachdem Ibn Sina dem Bahmanyar bewiesen hatte, dass das Aufstehen für ihn schwierig sei, sagte er: "Ich bin gar nicht durstig. Ich wollte dich nur testen. Erinnerst du dich, als du mich fragtest, warum ich nicht das Prophetsein behaupte? Du hast gesagt, die Leute würden mich als Prophet annehmen. Hier ist die Antwort für dich ! Du bist seit langen Jahren mein Student, aber als ich dich bitte, aufzustehen und mir etwas Wasser zu bringen, zögerst du und willst mit mir debattieren. Aber man sieht: Der Muezzin gehorcht dem Heiligen Propheten noch tausend Jahre nach seinem Tode, steht auf, ver-lässt sein warmes Bett, um aufs Minarett zu steigen und er verkündet Mohammed (s.) als Propheten des Allmächtigen Gottes. Mohammed (s.) ist dann der Prophet und nicht ich Ibn Sina."
Nun, wir sehen, falls eine Gottesbotschaft zu den Menschenherzen zu übermitteln ist, sollte sie die Herzen faszinieren, sollte die Gesellschaften zur Tat bewegen, damit sie nicht nur ihre Rechte einfordern, sondern auch Reuetränen vergießen , wenn der Heilige Qur'an rezitiert wird:
Und weinend fallen sie nieder auf ihre Gesichter, und das mehrt in ihnen die Demut.
(Heiliger Qur'an, Sure 17, Vers 109)
Dies ist eine äußerst schwierige Aufgabe. Im Heiligen Qur'an sind viele Verse, welche die geeigneten Weisen für die Verkündigung erwähnen, die von früheren Propheten wie auch von unserem Propheten Mohammed (s.) ausgesagt werden, sie betreffen das Übermitteln der Botschaft und wie die Herzen zu faszinieren sind.
Einige Worte und Terme implizieren böse Folgen und einige andere implizieren gute verheißende Ergebnisse. Das Wort Verkündigung oder Propaganda, wie es von modernen Gelehrten gebraucht wird,
91
bekam einen schlechten Sinn aufgedrückt, nämlich Täuschung und Aufhetzung. Dieser Gebrauch des Wortes Verkündigung im falschen Sinne bedeutet jedoch nicht, dass wir das Wort nicht gebrauchen sollten. Wir greifen zum Wort Verkündigung, weil der Term auch vom Heiligen Qur'an gebraucht wurde (Sure 16, Vers 35; Sure 21, Vers 18; Sure 24, Vers 54).
Nur ein Prediger (Verkünder), dessen Botschaft in wahren und starken, aber einfachen und aufklärenden Worten dargelegt wird, kann die Leute erfolgreich zu Gott rufen. Imam Alis (a.) Reden, beispielsweise, sind auf der Höhe der Beredsamkeit und sie werden noch heute vom einfachen Volk verstanden, und die Zuhörerschaft profitiert von diesen Reden gemäß des Grades des Verständnisses.
Im Heiligen Qur'an werden die Worte "aufrichtiger Rat" („nasch") öfters benutzt, um Verkündigung und Aufruf zu Gott zu bezeichnen. Das Gegensatz zu den Worten "aufrichtiger Rat" steht "trügerischer Rat" („ghasch"). Jeder Trug ist nicht aufrichtig. Daher können, nur jene, die aufrichtige Absichten haben und die Wahrheit sprechen, andere zu Gott rufen, d.h. sie beabsichtigen allein die Wohlfahrt der Leute.
Worte, die aus dem Herzen quellen,
werden die Herzen beeinflussen.
Und Worte, die von der Zunge kommen,
gehen nicht weiter als zum Ohr.
Die Worte des Heiligen Propheten Mohammed sind alle zu Herzen gehende Mahnungen. Der Heilige Qur'an sagt:
Ich übermittle Euch die Botschaften meines Herrn und gebe euch aufrichtigen Rat, und ich weiß durch Allah, was ihr nicht wisst.
(Heiliger Qur'an, Sure 7, Vers 62)
Und mein Rat wird euch nicht nützen, wenn ich euch raten will, falls Allahs euch irreführen will. Er ist euer Herrgott und zu Ihm werdet ihr zurückgebracht werden.
92
(Heiliger Qur'an, Sure 11, Vers 34)
Ich übermittle euch die Botschaft meines Herrn, und ich bin für euch ein aufrichtiger Ratgeber.
(Heiliger Qu'an, Sure 7, Vers 68)
Und er schwor ihnen: Sicherlich, ich bin für euch ein aufrichtiger Ratgeber
(Heiliger Qur'an, Sure 7, Vers 21)
... ich übermittelte euch die Botschaft meines Herrn und gab euch aufrichtigen Rat, aber ihr liebt nicht den guten Ratgeber.
(Heiliger Qur'an, Sure 7, Vers 79)
So wandte er sich von ihnen ab und sprach: O mein Volk ! Ich übermittelte euch die Botschaften meines Herrn und gab euch aufrichtigen Rat ...
(Heiliger Qur'an, Sure 7, Vers 93)
Wenn Moses (s.), der Sohn des Imran, zu Gott spricht, sagt er, dass die Schwierigkeit der von ihm unternommenen Aufgabe nicht darin liegt, dass sie im Kampf gegen den Pharao mit all dessen Macht und Despotismus liege, sondern dass es andere Schwierigkeiten gäbe. Dann bittet er Gott, ihm zu helfen, ein solcher Moses zu sein, der Moses ignoriert und keine Selbstsucht und keinen Eigensinn hat, so dass er in aller Aufrichtigkeit die Botschaft Gottes übermitteln kann.
Ein anderes Kennzeichen der Propheten ist, dass sie den anderen keinen Verdruss verursachen wollen. In der Sure Sad sagt der Qur'an:
Sprich: "Ich verlange von euch keinen Lohn dafür, und ich bin nicht einer jener, der euch Verdruss bereiten möchte."
(Heiliger Qur'an, Sure 38, Vers 86)
93
Verdruss (Ärger, Mühsal) zu bereiten bedeutet, Mühsale und Unbehaglichkeiten anzufassen oder auf Formalitäten zu bestehen. Es gibt Zeiten, da jemand eine Idee andern aufdrängen will, wiewohl er selber nicht daran glaubt. Es ist sehr schwierig, sich so zu verhalten:
Was keinen Anteil hat im "Kreise des Seins",
wie kann es ein Born des Lebens werden?
Und die alte, abgeregnete und trockene Wolke,
wie kann sie so großzügig sein zu regnen und zu fliegen?"
Das ist der eine Sinn des Terms "Verdruss sich selbst bereiten". Ein anderer Sinn wird von Ibn Masud und anderen erwähnt und ist: „Sprechen ohne Wissen."
Niemand in der Welt außer dem Heiligen Propheten Mohammed (s.) und den zwölf Schiitischen Imamen kann jede Frage beantworten.
Ein Jude fragte: "Wer kann behaupten, absolutes Wissen zu haben?" Nun, der Heilige Prophet Mohammed (s.) kann das von sich behaupten (weil er wie die zwölf Imame sein Wissen von Gott bezieht). Und Imam Ali verkündete: "Fragt mich alles, bevor ihr mich verliert !"38
Von keinem anderen Menschen kann man erwarten, dass er alles weiß, und man sollte sich selbst gut kennen und sollte nicht so etwas daherreden, was man nicht kennt. Ibn Masud sagte: "Sagt was ihr wisst und redet nicht über das daher, was ihr nicht wisst ! Wenn euch eine Frage gestellt wird, die ihr nicht beantworten könnt, so seid tapfer genug, das zuzugeben." Dann erzählte er diesen Vers des Heiligen Qur'an (Sure 38, Vers 86):
Sprich: "Ich verlange von euch keinen Lohn dafür, und ich bin nicht einer jener, der euch Verdruss bereiten möchte."
Ibn Dschausi war ein berühmter Prediger in seiner Zeit und einstmals sprach er von der Redestiege (Minbar). Eine Frau aus der Zuhörer-
38 Quelle: Safinat-al-Bihar, Vol 1, p. 586 Neuer Bihar, Vol. 40, S. 139
94
schaft fragte ihn etwas, was er nicht wusste. Die Frau sagte: "Wenn du die Antwort nicht kennst, warum bist du die drei Stufen der Redetreppe emporgestiegen?" Ibn Dschausi antwortete: "Die drei Stufen, die ich emporgestiegen bin, sind für das, was ihr nicht wisst. Hätte ich die Redetreppe zum Ausmaß meiner Unwissenheit bestiegen, bräuchte ich eine Redetreppe (Minbar), die bis zum Himmel reicht."
Der verstorbene Scheich Ansari (Gott habe ihn selig) war ein Genie in seiner Zeit, und die Gelehrten waren stolz darauf, seine Denkfeinheiten zu verstehen. Wann immer sie ihm eine Frage stellten, die er nicht beantworten konnte, wiederholte er absichtlich laut: "Das weiß ich nicht ! Das weiß ich nicht !" Damit wollte er seinen Studenten beibringen, sie sollten sich genauso verhalten, wenn sie etwas nicht wüssten, und sie sollten sich nicht schämen, Unwissenheit zuzugeben.
Vor ein paar Jahren, als ich noch Student war, ging ich zum Institut Nadschaf Abad in Isfahan (Iran); es war der Fastenmonat Ramadan. Ich war dort mit ein paar Freunden, aber die Klassen wurden noch nicht unterrichtet. Eines Tages überquerte ich die Straße; ein Dorfmann stoppte mich und sagte: "Ich habe ein Problem." Ich fragte: "Was ist das?" Er fragte: "Gehört Dschanabat-Ghusl39 zum Körper oder zur Seele?" Ich bemerkte: "Ich verstehe deine Frage nicht. Das Dschanabat-Ghusl ist wie jedes andere Ghusl." Dann dachte ich scharf nach entdeckte noch einen Punkt und fügte hinzu: "Von einem Standpunkt ist Dschanabat-Ghusl auf die Seele bezogen, denn man fasst den Vorsatz, sich zu reinigen, aber Dschanabat-Ghusl ist auch auf den Körper bezogen, denn man wäscht den eigenen Körper." Dann fragte ich ihn: "Bist du zufriedengestellt?" Er sagte: "Nein." Ich sagte darauf, dass ich die Antwort nicht wüsste. In seinem Dialekt protestierte er: "Warum trägst du dann diesen Turban?" Und er wiederholte die Frage: "Reinigt die Waschung auch die eigene Seele?"
39 Ganzkörperwaschung zur rituellen Reinigung wegen Geschlechtsverkehr und/oder Erguss