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DIE QUELLEN DES SCHIITISCHEN DENKENS



Bevor wir die Glaubensgrundsätze und praktischen Handlungen der Schiiten untersuchen, sollten wir zuerst die Quellen auf die diese ihr Islamverständnis aufbauen, kennenlernen.

In diesem Kapitel sprechen wir über die Quellen schiitischen Denkens, mit anderen Worten, über die Quellen, auf denen nach schiitischen Gesichtspunkten jegliches Studium und jegliche Anschauung über den Islam basieren sollen. Für das Verständnis aller islamischer Fragen in den Bereichen von Glauben, Ethik und islamischem Recht, soll man sich entsprechend der jeweiligen Frage, an eine oder mehrere dieser Quellen wenden. Diese Quellen sind: der Koran, die Tradition des Propheten, die Vernunft und die Übereinstimmung.
1. DER HEILIGE KORAN

Es ist hier notwendig zu sagen, dass der Heilige Koran zweifellos die wichtigste Quelle für die Islamkenntnis aller Muslime, eingeschlossen der Schiiten ist. Der Koran vereinigt alle Muslime. Abgesehen von den verschiedenen Glaubensrichtungen und Denkschulen sowie unterschiedlicher Kulturen, denen die Muslime angehören, glauben alle Muslime an e i n  Buch, dem KORAN, als dem göttlichen Führer in ihrem Leben. Wie seit Beginn des Islams, gibt es auch heute in der gesamten islamischen Welt, nur einen einzigen Koran, ohne Abweichungen und Unterschiede. Im Folgenden finden Sie die wichtigsten Grundsätze der Schiiten bezüglich des Koran:

Wir glauben daran, dass der Heilige Koran durch Allah dem Propheten Mohammad (s.a.a.s.) geoffenbart worden ist. Der Koran macht alles deutlich, und er ist ein ewiges Wunder. Seine Sprachkraft, Klarheit, Wahrheit und Weisheit machen es den Menschen unmöglich ähnliche Verse zu schreiben oder sie zu verändern. Der Koran, der uns heute vorliegt, ist genau der dem Propheten geoffenbarte Koran und wer etwas anderes behauptet, ist ein Sünder, Skeptiker oder Lästerer, der auf jeden Fall vom rechten Weg abgekommen ist. Denn der Koran ist das Wort Gottes: "an den weder von vorne noch von hinten herankommt, was unwahr ist." (41:42)

Wir glauben daran, dass wir den Koran mit unserem Handeln und mit unseren Worten ehren sollen. Deshalb soll sogar auch nicht ein Buchstabe davon mißachtet oder durch eine unreine Person berührt werden. Der Koran sagt: "der nur von Gereinigten berührt wird."(56:79)19
Die Schiiten lehnen jede Veränderung des Korans ab

Wie zuvor erwähnt wurde, lehnen die Schiiten jede Änderung des Korans ab, und glauben fest daran, dass der jetzige Koran genau die auf den Propheten herabgesandte Offenbarung ist. Der Koran ist vollkommen und umfassend, bisher hat niemand auf der ganzen Welt ein Exemplar des Korans gesehen, das vom Original abweicht. Heute stehen uralte Manuskripte aus der Zeit der schiitischen  Imame zur Verfügung, die exakt dem heutigen Koran entsprechen.

Der Heilige Koran sagt selbst deutlich, dass Allah ihn vor jeder Änderung bewahrt:

"Wir haben die Mahnung herabgesandt und wir geben auf sie Acht." (15:9)20

'Allameh Moĥammad Ĥoseyn Ţabaţaba'i erklärt diesen Vers in seinem wertvollen Korankommentar-Werk  'Al-Mizan':

 "... Der Koran ist eine ewig bleibende Mahnung, die nie vergeht oder vergessen wird. Er ist vor jeder Abweichung bewahrt und auch geschützt vor jeder Änderung seiner Form oder Gestalt, die seinen Charakter oder seine Aufgabe, welche die Mahnung von Allah ist, und die göttlichen Weisheiten und Wahrheiten zum Ausdruck bringt, beeinflussen. Der oben genannte Vers weist darauf hin, dass das Buch Gottes immer vor jeglicher Änderung bewahrt wurde und auch zukünftig bewahrt werden wird."
2. DIE TRADITION (SUNNA)

Nach dem Koran ist die wichtigste Quelle für die Islamkenntnis und das schiitische Denken, die Tradition (Sunna) des geehrten Propheten Mohammad (s.a.a.s.), welche seine Reden und Handlungen enthält. Der Koran selbst gibt dem Propheten deutlich diese Stellung und diesen Rang, denn entsprechend der Verse des Korans, ist es die Pflicht des Propheten, dass er den Menschen den Koran erläutert (16:44) und sie den Koran und die Weisheit lehrt (62:2). Der Prophet Mohammad (s.a.a.s.) ist ein vollkommenes Vorbild für die Gläubigen (33:21). Er redete nie nach seinem privaten Willen und Wunsch (52:3). Die Muslime sollen alles, was ihnen der Prophet gebietet annehmen, und sollen auf alles, was er ihnen verwehrt, verzichten. (59:7)

Die Schiiten, so wie auch die anderen Muslime, lieben den Propheten Mohammad (s.a.a.s.) aus Achtung der zuvor genannten Koranverse, wie auch anderer Verse bezüglich seines Ranges  und seiner Stellung als einer Person, die durch Gott direkt erwählt wurde um den Menschen seine Botschaft mitzuteilen, und sie folgen allen seinen Befehlen. Dies wird später noch genauer erläutert.
DIE AHL-E BEYT DES PROPHETEN

Offensichtlich gibt es keine unterschiedliche Meinung zwischen den Muslimen über die Rechtmäßigkeit der Befolgung der Lehren der Ahl-e Beyt des Propheten für das Verständnis des Islams, insbesondere auch bezogen auf die Sunniten, die alle Freunde des Propheten als verlässliche Quelle für das Islamverständniss betrachten.21 Zweifellos repräsentieren die Ahl-e Beyt des Propheten zuverlässig und vertrauenswürdig den Islam. Dies wird klarer, wenn wir uns an die Ahadith des geehrten Propheten über die Ahl-e Beyt (a.s.) wenden; sowie die Aussagen der sunnitischen Gelehrten über das hohe Wissen von Imam Ali (a.s.) und der anderen Mitglieder seiner Familie beachten. Zum Beispiel sagte Emam Malik: "Bisher hat niemand einen weiseren, klügeren, gottesfürchtigeren und gläubigeren Menschen als Ja'far Ibn-Moĥammad (der sechste Imam, Imam Sadeq) (a.s.), gesehen, gehört oder kennengelernt."22 Dies berichtet  Ibn- Taymiyah in seinem Buch 'Al-Tawassol wa Al-Wasilah'  S. 52, von Emam Malik.

Scheykh Al-Mofid (gest. 413 n.d.Mondkalender) schätzte in seinem Buch 'Al-Erschad' die Anzahl der Muslime anderer islamischer Denkschulen, die Überlieferungen von Imam Sadeq (a.s.) angeführt haben, und auf die man vertrauen kann, auf 4000 Personen. Deswegen gibt es keinen Zweifel darüber, dass sich die Gläubigen an die Ahl-e Beyt (a.s.) wenden können. Sunnitische Gelehrte wie Scheykh Al-Schaltut, ein bekannter Gelehrter seiner Zeit, haben offen darauf hingewiesen, dass die Muslime bei Rechtsfragen, jeder der fünf islamischen Denkschulen folgen können. Diese sind: Ja'fari, Ĥanafi, Ĥanbali, Maleki und Schafe'.

Wenn wir annehmen würden, dass Imam Ja'far Şadeq (a.s.) oder die anderen Imame aus dem Hause des Propheten nicht mehr als andere über die Tradition des Propheten wissen oder Auskunft darüber haben, so müssen wir dennoch sagen, dass ihre Informationen nicht weniger als die anderer sind.

Abu Ĥanife, der Führer der Ĥanafiischen Denkschule, war zwei Jahre Schüler von Imam Şadeq (a.s.), und auch viele andere sunnitische Gelehrte sind mittelbar oder unmittelbar Schüler der Ahl-e Beyt gewesen. Deswegen erwartet man von den Wissenden und Wahrheitsuchenden, dass sie sich neben den anderen gültigen Quellen bezüglich aller islamischer Fragen, an die Lehren, Handlungen und Reden der Ahl-e Beyt (a.s.) des geehrten Propheten wenden. Nun werden wir untersuchen, ob es nötig ist, sich zur Klärung von Fragen bezüglich des Islams, an die Ahl-e Beyt zu wenden oder nicht.

Um eine passende Antwort auf diese Frage zu finden, erwähnen wir hier nun einige Ahadith vom Propheten Mohammad (s.a.a.s.), die durch die berühmten sunnitischen Gelehrten überliefert, und sowohl von den sunnitischen als auch den schiitischen Denkrichtungen akzeptiert wurden.

Es ist hier noch notwendig zu erwähnen, dass alle Lehren der Ahl-e Beyt (a.s.) auf dem Heiligen Koran und der Tradition des geehrten Propheten basieren. Niemals haben sie etwas von sich aus oder nach ihren privaten Interessen und Wünschen gesagt. Wir finden viele Ahadith von den Ahl-e Beyt (a.s.) in den wichtigen schiitischen Ahadtih-Sammlungen, wie Usul Al-Kafi, die daraufhinweisen, dass die Imame alles, was sie gesagt haben, von ihren Vätern bzw.Vorvätern und dem Propheten erhalten haben. Eines der berühmtesten und wichtigsten Ahadith über die Notwendigkeit des Sich-wendens an die Ahl-e Beyt, welches sowohl bei den Schiiten als auch bei den Sunniten erwähnt wurde, ist der Hadith 'Šaqaleyn'. Diesen Hadith hat der Prophet in verschiedenen Situationen, wie z.B. am Tag 'Arafe während seiner letzten Pilgerreise, und auch am 18. Tag des Monats Źi-Al-Ĥajjeh, während der Pilgerreise, an einem Ort namens 'Qadir Al-Khom' gesagt. In einigen dieser Überlieferungen finden wir mehrere Unterschiede in den Worten, aber der Inhalt ist gleich. In einer Ausführung hat der Prophet z.B. gesagt:

 "O Leute, ich hinterlasse Euch zwei Kostbarkeiten: Den Heiligen Koran und meine Ahl-e Beyt. Solange Ihr an diesen beiden Kostbarkeiten festhaltet, und bei ihnen Zuflucht sucht, werdet Ihr nicht in die Irre gehen."

In einer anderen Überlieferung sagt er:

"Ich hinterlasse Euch zwei Kostbarkeiten, wenn Ihr an diesen festhaltet und bei ihnen Zuflucht sucht, werdet Ihr nicht in die Irre gehen: Das Buch Gottes, das wie ein Tau zwischen Himmel und Erde hängt; und meine Ahl-e Beyt. Diese beiden werden sich niemals voneinander trennen, bis dass  sie am Tag der Auferstehung, zu mir, neben die Quelle 'Kowšar' kommen. Achtet darauf, wie Ihr sie nach meinem Tod behandelt."

Dies zeigt, dass der geehrte Prophet um die Art und Weise des Umgangs der Muslime mit dem Koran und den Ahl-e Beyt besorgt war. In einer anderen Überlieferung sagte er:

"Ich hinterlasse Euch zwei Nachfolger: der Erste ist das Buch Gottes, das wie ein Tau zwischen  Himmel und Erde hängt, und der Zweite ist meine Ahl-e Beyt (a.s.). Sie werden sich nie voneinander trennen, bis das sie am Tag der Auferstehung zu mir neben die Quelle 'Kowšar' kommen."

Diese zuvor erwähnten Ahadith kann man in den wichtigsten sunnitischen Quellen finden, wie:

'Al-Şaĥiĥ' von Moslem (Vol. 8, S. 25, Nr. 2408), 'Al-Mosnad' von Aĥmad (Vol. 3, S. 388, Nr. 17020), 'Al-Şonan' von Darmi (Vol. 2, S. 432), 'Şonan' von Termeźi (Vol.5, S. 6432, Nr. 3788), 'Asad Al-Ghabah' von Ibn-Ašir (Vol. 2, S. 13), 'Al-Şonan Al-Kobra' von Beyhaqi (Vol. 2, S. 198) und 'Kanz Al-'Ommal' (Vol. 1, S. 44).

Jetzt wollen wir den Inhalt dieser Hadith sorgfältig untersuchen. Der Prophet hat den Muslimen zwei kostbare Dinge, d.h. den Koran und die Ahl-e Beyt, hinterlassen. Und solange die Muslime an diesen beiden festhalten und bei ihnen Zuflucht suchen, werden sie nicht in die Irre gehen.

Darunter ist zu verstehen, dass der Koran und die Ahl-e Beyt miteinander übereinstimmen müssen und sich nicht widersprechen dürfen. Ansonsten würde der Prophet nicht die Anweisung gegeben haben, beiden zu folgen. Die Muslime würden verwirrt werden, und wüssten nicht wie sie handeln, und an wen sie sich wenden sollen. Obwohl man unausgesprochen von Beginn der Hadith an die Unzertrennlichkeit dieser beiden Kostbarkeiten versteht, sagt der Prophet es noch am Ende des Hadith deutlich: "Sie werden sich nie voneinander trennen, bis das sie am Tag der Auferstehung zu mir neben die Quelle 'Kowšar' kommen."

Somit sagt der obengenannte Hadith in allen Versionen folgendes:

- Von der Zeit des Propheten bis ans Ende der Welt, werden das Buch Gottes und die Ahl-e Beyt des Propheten zusammen sein, und sich nie voneinander trennen.

- Niemand kann behaupten, dass das Buch Gottes alleine ausreichend ist, und die Muslime nicht die Ahl-e Beyt (a.s.) brauchen, oder umgekehrt. Denn der geehrte Prophet hat deutlich gesagt, dass er zwei Kostbarkeiten für die Muslime hinterlässt, und sie an diesen beiden festhalten und bei ihnen Zuflucht suchen sollen, um nicht in die Irre zu gehen.

- Die Ahl-e Beyt des Propheten gehen nie in die Irre und sie sind immer mit der Wahrheit.

- Die Ahl-e Beyt des Propheten sollen, wie auch der Koran, bis zum Tag der Auferstehung auf der Erde sein, und auch nicht für einen Moment verschwinden, und dies ist nur möglich, wenn mindestens ein Mitglied der Ahl-e Beyt auf der Erde anwesend ist.

Der andere wichtige Hadith ist der Hadith 'Safineh' (Arche Noah). Alle Muslime (sowohl die Sunniten als auch die Schiiten) zitierten, dass der Prophet sagte:

"Seid Euch darüber sicher, dass meine Ahl-e Beyt unter Euch ist wie die Arche Noah. Ein jeder, der bei ihr Zuflucht sucht, findet Rettung. Wer sich aber von ihr fernhält, wird untergehen."

Diesen Hadith kann man in verschiedenen sunnitischen Schriften finden, wie zum Beispiel: 'Al-Mostadrak' von Ĥakem Neyschaburi (Vol. 3, S. 149 u. 151), 'Arba'in Hadiš' (vierzig Hadith) von Nabahani und 'Al-Şawaeq Al-Moĥraqah' von Ibn-Ĥajar.

Also, entsprechend den Ahadith 'Šaqaleyn' und 'Safineh' ist es notwendig, dass sich die Muslime an die Ahl-e Beyt des Propheten wenden.

Anmerkung: Wie schon zuvor erwähnt wurde, haben sowohl die Sunniten als auch die Schiiten den Hadith Šaqaleyn zitiert. Es gibt auch eine andere Überlieferung von diesem Hadith, die aber nur in einigen sunnitischen Quellen vorkommt. In diesem Hadith hat der geehrte Prophet des Islams anstelle der Ahl-e Beyt die Tradition neben dem Buch Gottes erwähnt. Auch wenn wir dieses Hadith als gültig anerkennen, gibt es keine Probleme. Entsprechend der bekannten Überlieferung, die sowohl von den Sunniten als auch den Schiiten zitiert wurde, hat der Prophet es für notwendig gehalten, dass die Muslime sich an die zwei von ihm hinterlassenen Kostbarkeiten, d.h. den Koran und die Ahl-e Beyt, halten. Nach der zuvor genannten Überlieferung, die nur in einigen sunnitischen Quellen vorkommt, heißt es vom Propheten, dass die Gläubigen sich an den Koran und die Tradition wenden sollen. Das Ergebnis eines Vergleiches ist offensichtlich, nämlich die eine der beiden Kostbarkeiten ist der Koran und die andere Kostbarkeit, die Ahl-e Beyt oder die Tradition sind identisch. Das heißt der einzige Weg zur Tradition des Propheten und zum genauen Verstehen der Tradition ist die Hinwendung an die Ahl-e Beyt, die die engste Beziehung zum Propheten hatten, und mehr als die anderen über seine Worte und Handlungen (Tradition) wissen.
WER SIND DIE AHL-E BEYT DES PROPHETEN?

In diesem Abschnitt soll genauer erklärt werden, wer die Ahl-e Beyt sind.

Wie zuvor schon des Öfteren erwähnt wurde, soll man sich gemäß den verschiedenen Überlieferungen an die Ahl-e Beyt oder ’Etrat des Propheten wenden.

Unter den Muslimen gibt es keinen Zweifel über den hohen Rang der Ahl-e Beyt des Propheten. Aber wir sollen weiter forschen um zu verstehen, was Ahl-e Beyt oder 'Etrat eigentlich bedeutet und ob man alle Verwandten des Propheten zu den Ahl-e Beyt oder 'Etrat zählt, oder, ob es eine andere genauere Definition gibt. Alle Muslime glauben daran, dass die Prophetentocher Fatemeh (s.a.), ihr Ehemann bzw. der Schwiegersohn des Propheten, Imam Ali (a.s.) und ihre Söhne, d.h. Imam Ĥasan und Imam Ĥoseyn (a.s.), zur Ahl-e Beyt gehören. Die einzige Überlegung ist, ob die anderen Verwandten des Propheten auch zur Ahl-e Beyt gehören oder nicht. Und wenn es so ist, dann bis zu welchem Grad. Die sunnitischen Muslime glauben, dass alle Verwandten des Propheten zur Ahl-e Beyt gehören, mit Ausnahme derjenigen, die den Islam nicht angenommen haben, wie z.B. Abu Lahab, dem Onkel von Mohammad (s.a.a.s.), der ein großer Feind des Propheten war und auch im Koran verworfen und verflucht wurde. (Sure 111). Nach sunnitischer Meinung bezeichnet Ahl-e Beyt oder 'Etrat alle muslimischen Verwandten des Propheten.

Die schiitischen Muslime sind aber der Ansicht, dass die Ahl-e Beyt des Propheten Mitglieder der Prophetenfamilie sind, die einen starken Glauben und ein großes Wissen besitzen und sie aufgrunddessen neben dem Koran in dem Hadith Šaqaleyn erwähnt werden konnten. Und wie im Hadith 'Safineh' und in anderen Ahadith erwähnt wurde, können sich die Gläubigen retten, wenn sie ihnen folgen.

Weiterhin glauben die Schiiten daran, dass der Prophet seine Ahl-e Beyt oder 'Etrat deutlich vorgestellt hat. Einige Ahadith vom Propheten, die in den wichtigen sunnitischen Quellen erwähnt wurden, sind folgende:

 Moslem zitiert von A'yesche, einer der Prophetenfrauen:

Eines Tages verließ der Prophet das Haus, er trug einen wollenen Umhang (Aba). Da kam sein Enkel Ĥasan, der älteste Sohn von Ali (a.s.) zu ihm und der Prophet erlaubte ihm unter seinen Umhang zu kommen. Dann kam Ĥoseyn, der jüngere Bruder von Ĥasan, und ging auch unter den Umhang. Dann kam Hadrat-e Fatemeh (s.a.) und ging auch unter den wollenen Umhang. Nach kurzer Zeit kam Hadrat-e Ali (s.a.), und auch er ging zu den anderen unter den Umhang, sodass dieser sie alle umfaßte. Da rezitierte der Prophet aus Sure 33/ aus Vers 33:" Gott will die Unreinheit von Euch entfernen, ihr Leute des Hauses (Ahl-e Beyt), und Euch wirklich rein machen."23

Moslem zitiert von Sa'd Ibn-Abi Waqaş, dass er auf die von Mo'awiyeh gestellte Frage, warum er Ali nicht beschimpfe, so antwortete:

" Ich erinnere mich an drei Aussagen des Propheten über Ali, die mir nicht erlauben, schlecht über ihn zu sprechen. Wenn auch nur eine dieser Aussagen des Propheten über mich gewesen wäre, wäre dies wertvoller für mich als ein rotes Kamel. Die erste dieser Aussagen machte der Prophet zu der Zeit, als er Medina verließ um in den Tabuk-Krieg zu ziehen und Ali in Medina hinterlassen hat. Ali (a.s.) war darüber sehr traurig und sagte: Hinterlassen sie mich in der Stadt mit den Frauen und Kindern?" Der Prophet antwortete: „Bist Du nicht  damit zufrieden, dass Du bei mir wie Aaron bei Moses bist, mit dem Unterschied, dass nach mir kein Prophet mehr kommen wird.“ Die zweite Aussage habe ich am Tag der Eroberung von Kheybar gehört. Der Prophet sagte: „Bestimmt übergebe ich jemandem die Fahne des Islams, der Gott und seinen Propheten liebt, und den auch Gott und sein Prophet lieben.“ Wir hofften darauf, dass der Prophet uns die Fahne gäbe, aber er sagte: Lassen Sie Ali (a.s.) zu mir kommen. Ali (a.s.), der unter Augenschmerzen litt, kam zu ihm. Der Prophet gab ihm die Fahne und sagte, Gott schenkte uns den Sieg durch Alis Hand. Die dritte Aussage hörte ich, als dem Propheten der Vers Mobaheleh geoffenbart wurde. Da rief der Prophet Ali, Fatemeh, Ĥasan und Ĥoseyn (a.s.) zu sich und sagte: "O Gott, diese sind meine Ahl-e Beyt."24 

3. Emam Aĥmad Ibn-Ĥanbal zitiert von Anas Ibn-Malek, dass als der Vers "Die Reinigung" (33:33) auf den Propheten herabgesandt wurde, der Prophet in den kommenden sechs Monaten, jeden Morgen, wenn er zur Moschee zum Morgengebet ging, vor dem Haus von Ali (a.s.) und Fatemeh (s.a.) stehen blieb und rief: "Kommt zum Gebet meine Ahl-e Beyt!"

Es gibt auch andere Ahadith über die Bedeutung von Qorba' (nahe Verwandte), die im Koran verwendet worden ist. Zum Beispiel verlangte der Prophet, entsprechend dem Koran, von den Leuten kein Entgelt für seine Mission, er forderte die Leute nur auf, dass sie seine Verwandten (Qorba') lieben. Dies sei für ihren eigenen Nutzen. Aber wer sind die Qorba'? Zamachschari, der berühmte sunnitische Gelehrte und Kommentator sagte:
" Als dieser Vers herabgesandt wurde, fragte man den Propheten, wer die Qorba' sind, die die Muslime lieben sollen. Der Prophet antwortete: 'Ali, Fatemeh und ihre beiden Söhne’."25
3. DIE VERNUNFT (AL-'AQL)

Die Schiiten glauben daran, dass die Vernunft eine vertrauenswürdige Quelle für die Kenntnis des Islams ist, und ganz mit der Offenbarung übereinstimmt. Gemäß einiger Ahadith hat Gott den Menschen zwei Bestätigungen  gegeben, damit sie Gottes Willen verstehen können. Die innere Bestätigung ist die Vernunft und die äußere sind die Propheten. Manchmal nennt man die Vernunft den 'inneren Propheten' und die Propheten die 'äußere Vernunft'. Unter den schiitischen Rechtsgelehrten hat sich eine Regel gebildet, die besagt: So wie die Vernunft urteilt, so urteilt auch die Religion und umgekehrt.

Weiterhin glauben alle schiitischen Rechtsgelehrten ohne Ausnahme, dass alle moralischen Pflichten und religiösen Gesetze auf der Vernunft beruhen sollen. Wenn jemand geisteskrank ist, ist er für seine Handlungen nicht verantwortlich. Die Erwartungen und Ansprüche, die an jeden Menschen gestellt werden, entsprechen seinen geistigen Fähigkeiten. Von Personen, die intelligent sind und viel wissen, erwartet man mehr, dass sie den Befehlen Gottes folgen, als von solchen, die weniger wissen oder Analphabeten sind. Dem Koran zufolge verlangt Gott von allen Menschen, dass sie ihre Vernunft benutzen und über seine Zeichen auf der Erde und im Kosmos nachdenken. In verschiedenen Koranversen werden diejenigen, die nicht mit Vernunft denken oder handeln, verflucht und getadelt. Zum Beispiel werden die Heiden aufgrund der blinden Nachahmung ihrer Vorväter getadelt und in verschiedenen Versen wird die Frage gestellt:" Haben sie denn keinen Verstand?" (36:68) und "Machen sie sich denn keine Gedanken über den Koran?" (4:82; 47:24)

Eine Bedingung für die Umsetzung der göttlichen Verse und Zeichen, ist das Denken und die Vernunft, so wird es in zahlreichen Koranversen gefordert. Im Allgemeinen kann die Vernunft in drei wichtigen Gebieten für das Verständnis der Religion eine große Rolle spielen: Zunächst für das Verstehen der Realitäten in der Welt, wie der Existenz Gottes oder der Wahrheit der Religion. Zweitens für die Kenntnis der moralischen Werte und der gesetzlichen Normen, wie dem Unrecht der Unterdrückung und dem Recht der Gerechtigkeit. Und drittens bei der Festlegung von Normen, Beweisen und Schlussfolgerungen. Der Islam erkennt all diese drei Rollen der Vernunft an und betont sie nachdrücklich.

Andererseits kann man die Rolle der Offenbarung oder der religiösen Schriften für religiöse Studien wie folgt zusammenfassen:

 -Bestätigung der Tatsachen, welche die Vernunft anerkennt

-Erklärung der Fragen und Tatsachen, die nicht mit der Vernunft zu verstehen sind, wie der genauen Erklärung des Tages der Auferstehung und der Einzelheiten moralischer und gesetzlicher Systeme.

-Bereitstellung der Bürgschaft für die moralischen und gesetzlichen Richtlinien nach dem religiösen System von Belohnung und Strafe.

Zum Abschluss ist es erforderlich zu erwähnen, dass nichts im Islam entgegen der Vernunft ist. Natürlich soll man zwischen den islamischen Geboten und einer vernüftigen Überzeugung, und Vermutungen und privaten Meinungen unterscheiden. Immer wenn in einem Fall das Urteil der Vernunft nicht dem religiösen Gebot entspricht oder umgekehrt, liegt ein Fehler vor. Entweder entspricht das Urteil nicht wirklich der Vernunft, oder das religiöse Gebot ist nicht wirklich gemäß der Religion. Gott lässt die Menschen nie in die Irre gehen. Einerseits leitet er sie durch die von ihm gesendeten Propheten und andererseits durch die Vernunft, die er selbst den Menschen gegeben hat.

Es ist mehrmals vorgekommen, dass die Menschen etwas für ein vernunftmäßiges oder wissentschaftliches Urteil hielten, welches aber den religiösen Geboten widersprach, später  jedoch wurde aufgrund von Untersuchungen deutlich, dass das Urteil falsch war.
4. ÜBEREINSTIMMUNG (AL-EJMA')

Traditionell wird eine der Quellen für das Verständnis des Islams die Übereinstimmung (Al-Ejma') genannt. Nach schiitischem Denken ist das Al-Ejma' oder die Übereinstimmung aller Menschen oder einer bestimmten Gruppe, z.B. islamischer Gelehrter, alleine als Beweis nicht ausreichend. So wie eine Person Fehler machen kann, können auch einige Personen oder tausende Personen oder sogar die ganze Menschheit, Fehler machen. Aber wenn alle Muslime oder muslimischen Gelehrten auf eine Weise übereinstimmen, dass diese Übereinstimmung auf der Tradition beruht, kann man diese als Beweis anerkennen, und damit das Gebot Gottes verstehen. Zum Beispiel, wenn wir durch Nachforschungen erkennen, dass alle Muslime zur Zeit des Propheten auf die gleiche Weise ihre Gebete verrichteten, können wir daraus schließen, dass ihre Art und Weise entsprechend der des Propheten war, d.h. sie es so vom Propheten gelernt haben. Sonst gäbe es keinen Grund für ihr gleichartiges Verhalten. Es ist nicht vorstellbar, dass sie alle zufällig und blind so handelten, oder sie alle entgegen dem wahren Gebot des Islams handelten und der Prophet es ihnen nicht verwehrt hat. Denn wenn der Prophet es ihnen verwehrt hätte, gäbe es bestimmt mindestens eine kleine Gruppe, die der Meinung des Propheten folgten und den anderen widersprächen.

So also gilt nach schiitischer Ansicht das Ejma' alleine nicht als ein Beweis. Es ist nur dann gültig, wenn es mit der Tradition übereinstimmt. Also immer, wenn es eine Übereinstimmung unter den Muslimen gibt, aber diese in der Tradition des Propheten oder im Koran keine Bestätigung findet, ist diese Übereinstimmung nicht rechtmäßig. Zum Beispiel, wenn in unserer heutigen Zeit die Muslime in einer Frage übereinstimmen, diese aber nicht im Koran oder der Tradition ihre Entsprechung findet, so kann der islamische Rechtsgelehrte nicht, nur weil alle es so sagen, auch auf diese Weise urteilen.

In der Geschichte finden sich viele Fälle, sowohl auf religiösen als auch nichtreligiösen Gebieten, in denen die Menschen an etwas glaubten, was sich später aber als falsch herausstellte (wie z.B. das die Erde flach ist, oder das sich die Sonne um die Erde dreht.)

Es sind nur der Koran und die Tradition, die ohne Zweifel richtig und vor jedem Irrtum und Fehler bewahrt sind.

Diese Methode dynamisierte das schiitische Denken, sodass jede Generation schiitischer Gelehrter oder jeder Einzelne von ihnen fähig ist, und in Wahrheit dazu verpflichtet ist, sich an die wichtigen Quellen, d.h. den Koran und die Tradition zu wenden, und mit Hilfe der Vernunft und der richtigen Methoden der Beweisführung und Schlussfolgerung wissenschaftlich und unabhängig zu forschen und eine selbstständige Entscheidung (Al-Ejtehad) über eine Rechtsfrage zu treffen. Die Ejtehad, d.h. die selbstständige Entscheidung ist aus diesem Grund bei den Schiiten nie verworfen worden. Die Schiiten sind aber der Ansicht, dass die Meinung (Fetwa) eines islamischen Rechtsgelehrten, auch wenn er einen hohen Rang besitzt, nicht vor der wissenschaftlichen Diskussion geschützt ist. D.h., jede Fetwa kann auf wissenschaftlichem Wege kritisiert werden. Natürlich kann sich der Forscher auf dem Gebiet der islamischen Rechtslehre, wie in jedem anderen wissenschaftlichen Fachgebiet, vor einer Entscheidung sowohl an die wichtigen Quellen, als auch an die Werke und Meinungen früherer und jetziger Wissenshaftler auf diesem Gebiet wenden und diese beachten.


source : الشیعه
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Letitia
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2013-01-01 17:52:39
Delly
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2013-01-01 17:52:00