3.17.4 Imam Sagad (a.s)
Das Vorgehen Imam Sagads (a.s.) zu Beginn seines Imamats unterschied sich von seinem
späteren Führungsstil. Er hatte das Geschehen von Kerbela miterlebt und an der Bewegung seines
Vaters – Imam Hussayn (a.s.) – teilgenommen. Nach dessen Schahadat war er in Gefangenschaft
geraten und zunächst nach Kufa und von dort aus nach Damaskus gebracht worden. Während
dieser Zeit hatte er – wenngleich Gefangener Yazids – unumwunden und in aller Offenheit die
Wahrheit kundgetan. In seinen Reden und Ansprachen klärte er die Öffentlichkeit über die
gottgegebene Aufgabe und Mission jener aus dem Hause des Gesandten Gottes – Ahl-Bayt (a.s.)
– auf und ebenfalls über ihren rechtmäßigen Anspruch auf Führung und Rechtleitung der
Muslime. Er machte das unbeschreibliche Unrecht, das die Bani Umayyah seinem Vater angetan
hatten, deutlich und rief mit seinen zu Herzen gehenden Worten in der Bevölkerung einen Sturm
an Bedauern, Reue und Sympathie für Ahl-Bayt (a.s.) hervor.
Nach seiner Gefangenschaft kehrte er nach Medina zurück, wo er – genötigterweise – in aller
Stille lebte..., mit Gottesanbetung und der Unterweisung aufrichtiger Muslime beschäftigt.
Während der 35 Jahre, die er nun in Medina verbrachte, vermochte er einer großen Schülerzahl
das Wissen, das der Islam vermittelt, nahezubringend. Allerdings erfolgte sein Unterricht
aufgrund der politischen Zwangslage, in der er sich befand, mehr oder weniger im Geheimen
oder auf indirektem Wege.
- 120 -
Seine wunderschönen, inhaltsreichen Du’as, die er mit seiner wohlklingenden Stimme vortrug58,
beinhalten eine vollständige Aufklärung über den Islam und dessen Lehre. Sie wurden
zusammengefasst zu den „Sahafieh Sagadieh“.
3.17.5 Imam Muhammad Baqir (a.s)
Zu Zeiten des Imamats Hadrat Muhammad Baqirs (a.s.) – des Sohnes Imam Sagads (a.s.) – waren
die Voraussetzungen zur Verbreitung des islamisch-theologischen Wissens günstiger als zuvor.
Im Zuge der Willkür und Tyrannei der Bani Umayyah waren die Ahadit Ahl-Bayts (a.s.) in der
Gesellschaft untergegangen, dieweil im Zusammenhang mit dem Erfassen und der richtigen
Anwendung der göttlichen Gebote – Ahkam – tausender notwendig sind. Selbst von den
Weisungen und Erläuterungen des Gesandten Gottes, die die „Sahabeh“59 überliefert hatten,
waren nur noch etwa fünfhundert übriggeblieben. Das bedeutete, das es der Gesellschaft an
religionsrechtlichen Erklärungen mangelte..., gleichwohl die Schi’ah infolge des Geschehens von
Kerbela, das sehr viele hatte aufhorchen und aufwachen lassen als auch der
fünfunddreißigjährigen Bemühungen Imam Sagads (a.s.) angewachsen war.
Da aber die Bani Umayyah aufgrund interner Konflikte, Übersättigung und eines ungezügelten,
disziplinlosen Lebensstiles von Tag zu Tag schwächer und ihre Herrschaft instabiler wurden, war
Imam Muhammad Baqir (a.s.) die Gelegenheit gegeben, sich intensiver der Öffentlichkeitsarbeit
widmen zu können. Er klärte über das Glaubenswissen und das unverfälschte islamische
Religionsrecht (Fiqh) auf und vermochte eine hohe Anzahl fähiger und in seiner Schule
ausgebildeter Gelehrter der Gesellschaft zu übergeben.
3.17.6 Imam Ga’far Sadiq (a.s.)
Als Imam Ga’far Sadiq (a.s.) das Imamat oblag, waren die Gegebenheiten, die es ihm
ermöglichten, sich intensiver und unbehelligter um Aufklärung und Ausbildung der Muslime zu
bemühen, zunächst besser als zu Lebzeiten seines Vaters.
Einerseits waren infolge des Schaffens und Wirkens Imam Muhammad Baqirs (a.s.) als auch der
Öffentlichkeitsarbeit der von ihm ausgebildeten Lehrer Bereitschaft und geistiges Niveau der
Gesellschaft angestiegen. Sie empfand nun deutlich ihr Bedürfnis nach echtem Wissen, nach den
Belehrungen Ahl-Bayts (a.s.) und wollte mehr und eingehender über all das erfahren.
Andererseits war die Herrschaft der Bani Umayyah heftig ins Schwanken geraten, denn die Bani
Abbas verlangte es nach der Macht. Um ans Ziel ihrer Wünsche zu kommen, zeigten sich letztere
Ahl-Bayt (a.s.) gegenüber zunächst wohlgesonnen und beklagten – scheinbar – das Leid und
Unrecht, das diesen als auch den Märtyrern von Kerbela angetan worden war.
58 Mit seinen Du’as teilte er sich Gott und auch seinen Freunden, Schülern und
Anhängern mit, da ihm aufgrund des politischen Drucks, unter dem er stand, andere
Möglichkeiten nicht gegeben waren
59 Sahabeh: Prophetengefährten
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Mit anderen Worten: Ahl-Bayt (a.s.) und die Tyrannei, der sie und die Schi’ah unter den Bani
Umayyah ausgesetzt waren, dienten den Bani Abbas als „Mittel zum Zweck“.
Diese Entwicklung kam Imam Sadiqs Bemühungen entgegen. Er sorgte für die Vertiefung bzw.
Verbreitung der Wissenschaften. Von weither, aus fernen Ländern und aus allen Richtungen
kamen Gelehrte und Wissenschaftler, um von seinem hohen Wissen zu schöpfen und von ihre
über die Vielfalt der „Ma’arif Islami“60 zu erfahren..., über die islamische Ethik,
Weltanschauung, die Geschichte der Propheten und Völker, Weisheit etc.
Imam Sadiq (a.s.) diskutierte mit den Leuten aus den verschiedensten Gesellschaftsschichten...,
erklärte, lehrte und bildete viele Lehrer aus.
Hunderte Bücher sind über seine Vorlesungen, wissenschaftlichen Abhandlungen, seine Worte
und Weisheiten geschrieben worden. Unter dem Titel: „Usul“.
Kurz..., Imam Sadiq (a.s.) vermochte in der kurzen Zeit, in der ihm dieses aufgrund der
politischen Wirren möglich war, tausender Lehrer und Gelehrte heranzubilden und einen
kostbaren Schatz an Wissen und Erkenntnissen zu hinterlassen.
Die Zahl der Wissenschaftler und Gelehrten, die durch ihn ausgebildet wurden, beläuft sich auf
mehr als viertausend.
Imam Sadiq (a.s.) hatte seine Schüler und Studenten angewiesen, seine Vorlesungen
niederzuschreiben und die Schriften aufzubewahren. Er sagte:
Es wird eine Zeit voller Unruhen und Wirren kommen, in der viele Bücher vernichtet werden.
Dann werden die Muslime auf diese eure Niederschriften zurückgreifen können. Sie werden
ihnen die einzige „Instanz“ sein, bei der sie bezüglich theologischer und anderer Wissensdinge
nachfragen können.
So schrieben seine Studenten alles, was sie von ihm erfuhren und in seinen Vorlesungen hörten,
nieder und bewahrten es auf.
Imam Sadiq (a.s.) nutzte – wo immer er auch war, offenkundig und insgeheim – jede
Gelegenheit, um zu lehren und aufzuklären. An dem unermesslich reichen Schatz seines Wissens
ließ er einen jeden, der wollte, teilhaben.
Seine „Schule“ riss die Mauern des Unwissens nieder und brachte die reine Lehre Muhammads
(s.a.a.s.) erneut zum Erstrahlen. Aus diesem Grunde wird Imam Sadiq (a.s.) als der Begründer der
schiitischen Lehre bezeichnet und infolgedessen die schiitische Glaubenslehre als
„ga’faridische“.
60 Ma’arif Islami: Islamisches Glaubenswissen, islamische Wissenschaften
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3.17.7 Imam Mussa Kazim (a.s.)
Nachdem die Bani Abbas61 die Bani Umayyah62 gestürzt hatten, bemächtigten sie sich des
Kalifats. Und nun, die Macht in Händen, zeigten sie sich Ahl-Bayt (a.s.) von einer anderen Seite.
Sie begannen mit einer systematischen Vernichtung der „Bani Fatimah“, das heißt der
Nachkommen des Gesandten Gottes (s.a.a.s.) bzw. Hadrat Fatimahs (s.a.). Die einen wurden
getötet, die anderen bei lebendigem Leibe verscharrt und wieder andere wurden in die
Grundfesten und Wände von Gebäuden eingemauert. Das Haus des sechsten Imam wurde in
Brand gesteckt und er selbst mehrere Male nach Irak deportiert. Er brachte seinen Lebensabend
unter scharfer Bewachung zu, musste seinen Umgang stark einschränken und empfing aus
Gründen der Vorsicht niemanden mehr in seinem Hause, es sei denn jemanden, der ihm und der
Schi’ah treu verbunden war und nahestand...
Schließlich dann ließ Mansur, der zweite Abbassidenkalif, ihn vergiften, so das Imam Sadiq (a.s.)
das Schahadat fand.
Das Imamat lag nun auf den Schultern seines Sohnes Hadrat Musa Kazim (a.s.). Dieser siebte
Imam war ebenfalls schwerstem Druck seitens der Abbassiden ausgesetzt. Tag für Tag nahmen
die Repressalien an Heftigkeit zu. Dennoch setzte er unermüdlich, wenn auch unter
Vorsichtsmaßnahmen, in seiner Mission fort und sorgte für die Vertiefung und Verbreitung der
islamischen Wissenschaften.
Sehr viele Ahadit von ihm sind uns überliefert worden. Die meisten „Fiqh“-betreffenden Riwayat
sind – nach Imam Muhammad Baqir und Imam Ga’far Sadiq (a.s.) – von ihm. Hinzuzufügen ist,
dass die Überlieferer die meisten seiner Riwayat nicht unter seinem Namen weitergaben, sondern
unter Bezeichnungen wie „Alim“, „Abd Salih“ etwas, das aus Gründen der Vorsicht unbedingt
erforderlich war.
Imam Mussa Kazim (a.s.) hat viele Abbassiden-Kalifen miterlebt: Mansur, Hadi, Mahdi und
Harun. Sie alle übten Gewalt gegen ihn aus. Harun ließ ihn schließlich gefangen nehmen und von
einem Kerker zum anderen deportieren. Im letzten Gefängnis, in dem er inhaftiert war, wurde der
Imam vergiftet und fand das Schahadat.
3.17.8 Imam Rida (a.s.)
Was bei einem etwas genaueren Studium der politischen Verhältnisse jener Zeit deutlich wird ist,
dass die Kalifen und Widersacher Ahl-Bayts (a.s.) nichts unterließen, um den Nachkommen des
Gesandten Gottes als auch der Schi’ah ganz allgemein Gewalt anzutun. Sie drohten, folterten,
verfolgten und mordeten. Dennoch wuchs die Zahl der Freunde Ahl-Bayts (a.s.) immer weiter an,
und deren Glaube wurde fester und bewusster. Sie erkannten die Korruptheit, Tyrannei und
Ruchlosigkeit des herrschenden Kalifats und zollten ihm keinerlei Applaus. Genau das aber
machte den Kalifen zu schaffen. Und so mächtig sie auch waren, so hilflos standen sie dieser
Realität gegenüber.
61 Bani Abbas: Abbassiden-Dynastie
62 Bani Umayyah: Umawwiden-Dynastie
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Ma’mun, der siebte Abbassiden-Kalif, regierte zu Zeiten Imam Ridas (a.s.). Nachdem er seinen
Bruder Amin getötet hatte, nahm er das Zepter in die Hand. Da er seine Macht und Herrschaft
gefährdet sah – denn der Imam (a.s.) besaß große Beliebtheit in der islamischen Welt – verfiel er
auf den Gedanken, auf andere Weise als durch rohe Gewalt Ahl-Bayt (a.s.) und Schi’ah
„gefügig“ zu machen.
Sein Plan war folgender. Er wollte Imam Rida (a.s.) als seinen Thronfolger ausrufen lassen.
Gewiss würde sich die Schi’ah, wenn der Imam erst einmal Fuß in das korrupte Kalifat gesetzt
hatte, enttäuscht von ihm abwenden. Das aber hatte zur Folge, dass das Imamat, das zu den
Grundlagen der schiitischen Glaubenslehre zählt, in den Augen der Schi’ah an Bedeutung
verlöre. Mit dem Resultat, dass die Basis ihrer Lehre mehr und mehr ins Schwanken geraten und
letztlich einstürzen würde.
Noch ein anderes Plus erhoffte sich Ma’mun von diesem politischen Schachzug und zwar: Die
Widerstandsbewegung der „Bani Fatimah“ gegen das Kalifat fände damit sicherlich ein Ende.
Denn wenn der Imam am Kalifat beteiligt wäre, würden sie nicht mehr motiviert sein, gegen es
anzukämpfen. Dass Ma’mun dann, wenn dieses Ziel endlich erreicht war, Imam Rida (a.s.) töten
lassen würde, stand außer Zweifel...
Aber die Dinge entwickelten sich nicht so, wie er geplant und gewollt hatte. Zunächst forderte
Ma’mun den Imam auf, seinen Vorschlag anzunehmen. Imam Rida (a.s) weigerte sich, lehnte den
Vorschlag ab. Doch letztlich, auf Bitten, Drängen und Drohen Ma’muns hin, willigte er – um die
Sache des Islam und der Muslime nicht zu gefährden – ein. Allerdings nur unter der Bedingung,
dass er sich aus Regierungsangelegenheiten völlig heraushalten könne. Er durchschaute das
Ansinnen Ma’muns. Durch seine Beteiligung an dem herrschenden verderbten Kalifat würde
dessen Tyrannei und Ruchlosigkeit einen legalen Anstrich erhalten..., etwas, das nicht sein durfte.
Kurz, unter dieser Voraussetzung, auf der er bestand, willigte Imam Rida (a.s.) schließlich in die
Thronfolge ein. Um Regierungsangelegenheiten kümmerte er sich aus den genannten Gründen
nicht, wohl aber um die Rechtleitung und Aufklärung der Gesellschaft. Soweit er vermochte,
lehrte und unterrichtete er und diskutierte mit den Großen der verschiedenen Religionen.
Ma’mun, der an wissenschaftlichen Diskussionen interessiert war, ließ ihn gewähren und
unternahm nichts gegen seine Vorlesungen.
Die wertvollen Ausführungen Imam Ridas (a.s.) im Zusammenhang mit den Grundlagen zu den
islamisch-theologischen Wissensgebieten sind zahlreich..., zu vergleichen mit denen Amir al
Mu’minans Ali (a.s.). Zu seinem segensreichen Schaffen zählt, dass er die Erklärungen bzw.
Ahadit, die von seinem Vorvater, dem Gesandten Gottes, überliefert worden waren, von
Entstellungen und Veränderungen, die unlautere Elemente im Laufe der Zeit hineingebracht
hatten, bereinigte.
Während einer Reise, die er als Thronfolger Ma’muns von Medina nach Marv unternahm,
strömten ihm die Bewohner der Gegenden, durch die er zog – besonders in Iran – in Scharen
entgegen. Sie begrüßten ihn hoch erfreut, versammelten sich um ihn und lauschten seinen
Worten. Und er sprach mit ihnen und klärte sie über die göttlichen Gebote und Weisungen auf.
Ma’mun war äußerst besorgt ob der Sympathie, die Imam Rida (a.s.) entgegengebracht wurde
und erkannte, dass er sein Vorhaben nicht wurde verwirklichen können. Um nicht ein noch
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größeres „Fiasko“ erleben zu müssen, beschloss er, Imam Rida töten zu lassen. Er ließ ihn
vergiften..., Imam Rida (a.s.) fand das Schahadat.
Ma’mun änderte daraufhin seine Taktik und ging von nun an in der Weise der vorausgegangenen
Kalifen gegen Ahl-Bayt (a.s) und deren Schi’ah vor.
3.17.9 Imam Muhammad Taqi, Imam Ali ul Naqi, Imam Hassan Askari (a.s.)
Die gesellschaftlichen und politischen Bedingen zu Zeiten dieser drei großen Imame waren
nahezu gleich. Nach dem Schahadat Imam Ridas (a.s.) ließ Ma’mun Imam Muhammad Taqi
(a.s.), den einzigen Sohn Hadrat Ridas, nach Bagdad bringen. Er zeigte sich ihm gegenüber
wohlwollend und vermählte ihn mit seiner Tochter. Auf diese Weise konnte er ihn in seiner Nähe
haben und besser kontrollieren.
Wenngleich er sich Imam Muhammad Taqi (a.s.) (Imam Gawad) gegenüber entgegenkommend
verhielt, so bezweckte Ma’mun jedoch nichts anderes, als den Imam in jeglicher Hinsicht
überwachen zu können. Was er auch ausgiebig tat...
Unter scharfer Kontrolle standen ebenfalls Imam Ali ul Naqi (a.s.) und Imam Hassan Askari
(a.s.). Sie waren nach Samarra, der Residenzstadt der damaligen Kalifen, beordert worden, wo sie
auf Schritt und Tritt kontrolliert wurden. Ein nicht endenwollendes Dasein in Unfreiheit, das sie
zu führen gezwungen waren...
Das Imamat dieser drei Imame (a.s.) währte insgesamt 57 Jahre. Die Schi’ah, die hauptsächlich in
Iran, Irak und Syrien lebte, war inzwischen zu einer großen Gemeinschaft von ca. 100 000
Beteiligten angewachsen. Unter ihnen gab es tausende Haditkundige63..., dennoch sind uns von
diesen drei Imamen selbst, die in jungen Jahren das Schahadat fanden, nur wenige Ahadit
überliefert worden.
Imam Muhammad Taqi (a.s.) fand im Alter von 25 Jahren das Schahadat, Imam Ali ul Naqi (a.s.)
im Alter von vierzig Jahren und Imam Hassan (a.s.) Askari im Alter von 27 Jahren.
All dieses ist Hinweis dafür, wie stark die Feindseligkeit der Kalifen ihnen gegenüber war. Sie
hatten keine Möglichkeit, frei und unbehelligt ihre göttliche Mission wahrnehmen zu können und
waren schwerstem Druck und schärfster Kontrolle ausgesetzt. Trotz allem aber vermochten sie,
uns wertvolle Informationen und Kenntnisse zu „Usul-Fiqh“, das heißt den Grundlagen der
islamischen Rechtswissenschaft als auch den weiteren theologischen und weltanschaulichen
Wissensdingen zu vermitteln.
63 Riğal-Hadit
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3.17.10 Imam Mahdi (a.s).. der verheißene Befreier
Das Kalifat hatte zu Zeiten Imam Hassan Askaris (a.s.) beschlossen, unter allen Umständen und
Einsatz seiner gesamten Möglichkeiten den Nachfolger Hadrat Hassan Askaris (a.s.) aus dem
Wege zu schaffen. Imamat und die schiitische Glaubenslehre mussten ein Ende finden..., koste
es, was es wolle.
Aus diesem Grunde hatte man Imam Hassan Askari (a.s.) unter besonders scharfe Bewachung
gestellt..., selbst hinsichtlich seiner Privatsphäre. Dieses machte notwendig, dass die Geburt
seines Sohnes – Imam Mahdis (a.s.) – geheimgehalten wurde und dass diesen bis zu seinem
sechsten Lebensjahr – das heißt solange sein Vater lebte – niemand zu Gesicht bekam. Mit
Ausnahme einiger weniger, besonders vertrauenswürdiger Männer der Schi’ah.
Nach dem Schahadat Imam Hassan Askaris (a.s.) begann für den Zwölften Imam – Imam Mahdi
(a.s.) – die Zeit der „Gaybat Sugra“. Mit anderen Worten, die Zeit seines kurzfristigen
„Verborgenseins“. Mittels seiner vier Stellvertreter, die einer nach dem anderen mit dieser
Aufgabe betraut wurden, stand er mit der Gemeinde in Kontakt, beantwortete ihnen ihre Fragen
und half ihnen bei ihren Problemen.
Nach dieser kurzfristigen „Gaybat“ begann die Zeit seiner „Gaybat Kubra“, das heißt die Zeit
seines langen „Inkognitos“ bzw. „Anonymseins“. Denn er lebt, im „Verborgenen“, unerkannt von
den Menschen. Auf Geheiß Gottes wird er eines Tages erscheinen bzw. sich zu erkennen geben
und der Welt voller Unrecht und Gewalttätigkeit zu Gerechtigkeit verhelfen.
Viele „Riwayat“, das heißt sowohl Äußerungen und Erklärungen des Gesandten Gottes (s.a.a.s.)
als auch der Unfehlbaren Imame (a.s.) zu Imam Mahdi (a.s.), dessen „Gaybat“ und Erscheinen
sind uns durch sunnitische als auch schiitische „Riwayan“64 überliefert worden. Abgesehen
davon haben einige der Großen Ahl-Taschayyuhs65 Imam Mahdi (a.s.) in seiner
außergewöhnlichen Schönheit noch zu Lebzeiten seines Vaters gesehen und von dieser erfahren,
dass er – Mahdi (a.s.) – nach ihm mit dem Imamat beauftragt sein werde.
Zur Erinnerung: Wie wir schon im Zusammenhang mit „Prophetenturm und Imamat“ sagten,
wird die Religion Gottes immer gegeben sein. Und ebenfalls ein Imam, der sie schützt und über
sie aufklärt...
3.17.11 „Ahl-Bayt“ (a.s.)..., Vorbild, Guide und Lehrer
Das, was aus der Lebensgeschichte der Propheten und Imame (a.s.) deutlich wird ist, dass sie
realdenkende, wirklichkeitsliebende Männer waren. Männer, die für Recht und Wahrheit
eintraten und die Menschheit einluden, die Welt und das Sein durch eine objektive Brille zu
betrachten und nach deren Rechten und Wahren zu streben. Sie kamen ihrer göttlichen Mission
gewissenhaft und unermüdlich nach, scheuten keine Mühe und opferten sich auf diesem ihrem
Wege auf. Mit anderen Worten: Sie taten alles in ihren Kräften Stehende, um den Menschen zu
64 Riwayan: Überlieferer
65 Ahl-Taschayyuh: Schi’ah
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einem „menschlichen“ Menschen zu erziehen und zu formen. Es ging ihnen darum, die
Bevölkerung aus Unwissenheit und Torheit herauszuholen und sie mit einer Reihe realer,
menschenwürdiger Gedanken und Überzeugungen vertraut zu machen. Sie wollten, dass der
Mensch sein reines, gutes Wesen nicht durch animalisches Verhalten trübe, dass er nicht wie ein
reißendes oder wiederkäuendes Tier werde, dem es lediglich daran gelegen ist, zu jagen und zu
grasen. Der Mensch sollte lernen, seine Menschlichkeit zur Entfaltung zu bringen, zu nutzen und
zu seinem wahren Glück zu finden. Zum Wohle seinerselbst als auch der gesamten menschlichen
Gesellschaft.
Das heißt, sie bemühten sich um der Menschheit Wohlergehen willen..., um sie auf den rechten
Weg, den Weg zu ihrem wahren Glück zu führen. Sie sahen ihr Wohl darin, allen zu
Wohlergehen zu verhelfen. Und sie wünschten, dass ein jeder ebenfalls danach strebe, das heißt
das Wohl aller anzustreben. Das, was der Mensch für sich selbst mochte, sollte er auch für seine
Mitmenschen wollen. Und das, was er für sich selbst nicht wünscht, wünsche er auch nicht
anderen...
Infolge ihrer Objektivität und somit ihres Strebens nach dem Rechten und Guten, erkannten sie
die Bedeutung dieser allgemeinen menschlichen Verpflichtung:
„Wohlwollen und Wohlergehen für alle“ sowie die Erfüllung sämtlicher daraus erwachsener
Aufgaben.
Zur Erinnerung: Die Unfehlbaren Imame (a.s.) waren geprägt von Nachsicht, Selbstverzicht und
Opfermut und setzten ihr Leben und Gut auf diesem Wege ein. Alles, das einhergeht mit
Missgunst, verneinten und bekämpften sie. Sie waren großherzig und freigiebig, frei von Dunkel,
Eigensucht und Selbstgefälligkeit. Sie denunzierten, verleumdeten und kränkten niemanden und
vergingen sich niemals an der Ehre und Würde anderer.
Weitere Erklärungen hierzu als auch über die Auswirkungen einer solchen Gesinnung sind dem
Kapitel „Ethik“ zu entnehmen.
3.18 „Ma’ad“, Rückkehr zu Gott
Die Auferstehung nach dem Tod bzw. die Rückkehr zu Gott – in der islamischen Terminologie
„Ma’ad“ – gehört zu den drei fundamentalen islamischen Überzeugungsgrundsätzen. Aufgrund
seiner gottgegebenen Natur erkennt jeder Mensch – ausnahmslos – den Unterschied zwischen
Gutem und Schlechtem. Er weiß, das gute Werke „ gut“ und erststrebenswert sind, schlechte aber
„schlecht“ und zu meiden.
Darüber ist er im Bilde. Sein „inneres Erkennen“, seine Natur sagen es ihm, auch wenn er sich
nicht daran hält.
Dass Gutes und Schlechtes, gute Werke oder aber schlechte positive bzw. negative Resultate
haben, steht außer Frage. Auch ist nicht daran zu zweifeln, dass die letztliche Auswirkung bzw.
der volle „Lohn“ für Gutes und Schlechtes – von denen die Religion spricht – ganz sicher in
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dieser Welt nicht zu erleben ist. Denn wie jedermann weiß, fristen sehr viele, die gut sind und
Gutes tun, ein höchst bitteres, hartes Dasein, wohingegen Übeltäter, die von Kopf bis Fuß mit
Hässlichkeiten und Verbrechen besudelt sind, sehr oft auf der sogenannten „Sonnenseite des
irdischen Lebens“ zubringen.
Das heißt also, wenn es für den Menschen nur das diesseitige Leben gäbe, aber keines in einer
anderen, zukünftigen Welt, in dem er für seine guten und schlechten Taten zur Rechenschaft
gezogen und belohnt wird, würde ein solches Denken – nämlich das Gutes-Tun gut und
notwendig und schlechte Werke schlecht und zu meiden sind – in der menschlichen Natur nicht
verwurzelt sein.
Ebenfalls steht die Vorstellung, dass der Lohn für gute Werke darin beruhe, dass die Gesellschaft
zu Ruhe und Frieden und auch der Gutestuende zu einem glücklichen, sorgenfreien Leben finde
oder umgekehrt, dass der Lohn für schlechtes Tun darin bestünde, dass Chaos und Unfrieden in
der Bevölkerung Einzug hielten, worunter der Üble ebenfalls zu leiden habe, auf recht schwachen
Füßen. Wenngleich dieses im Hinblick auf das Tun und Lassen der einfachen Bevölkerung oder
Einzelperson in etwa zutreffend ist, so bestätigt sich diese Annahme im Zusammenhang mit
jenen, in deren Händen Macht und Einfluss liegen, meistenteils nicht. Das Befinden der
Gesellschaft, deren Not oder Wohlergehen, beeinflusst im Allgemeinen keineswegs die
Lebenssituation dieser Machtgewaltigen. Wie oft ist doch so, dass ganze Bevölkerungen unter
Entbehrung und Wirren zu leiden haben, wohingegen es ihren „Herren“ an nichts mangelt.
Warum sollten daher letztere – angesichts des Tatbestandes, dass sie, selbst wenn sie unredlich
sind und Unrecht tun, dennoch ein angenehmes Dasein führen, wohingegen der Gutestuende in
Not und Entbehrung zubringt – von dem Positiven des Gutestun oder Negativen unrechten
Handelns überzeugt sein?
Zudem..., auch wenn der Name skrupelloser Machtgewaltiger nach einiger Zeit, das heißt
nachdem sie ein paar Lebenstage in weltlichen Freuden geschwelgt haben, mit Schimpf und
Schande beladen in die Geschichte eingeht und die Öffentlichkeit sich nur voller Widerwillen an
sie erinnert, so betrifft dieses doch die Zeit nach ihrem Tode..., ihr irdisches, materielles Dasein
ist davon nicht im geringsten betroffen.
Unter derartigen Voraussetzungen aber, das heißt wenn man davon ausginge, dass sich Nutzen
und Schaden für gute bzw. schlechte Werke allein im Diesseits zeigen, würde der inneren
Überzeugung des Menschen, dass Gutes positiv und zu tun und Übles schlecht und zu lassen ist,
jegliche reale Basis fehlen. Wenn die Auferstehung und das Leben nach dem Tod – Ma’ad –
nicht im Spiele wären, könnte man ein solches Denken geradewegs als Unfug und irreal
bezeichnen.
Mit anderen Worten: Diese Gewissheit – das heißt, dass Gutes gut und nützlich und Übles
schlecht und von Schaden ist – die in jedem Menschen veranlagt ist, gibt Kunde und Aufschluss
darüber, das es nach diesem Erdendasein ein zukünftiges, jenseitiges Leben geben muss.
Das uns der Erhabene Gott nach unserem Tode zu neuem Leben erwecken wird und wir dann den
vollen Lohn für unser Tun und Lassen erfahren. Paradiesische Glückseligkeit für die einen, die
Guten, Höllenverdammnis für die anderen, die Frevler.
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Jener Tag aber, an dem die „Große Abrechnung“ geschehen wird, ist der „Tag der
Auferstehung“.