Die Schleierfrage - Freiheit zur Bekleidung
„O Du Prophet! Sag zu deinen Gattinnen und deinen Töchtern und den Frauen der Gläubigen, sie sollen über sich ziehen von ihren Ğalābīb. Solches ist eher, daß sie erkannt und nicht belästigt werden. Und Gott ward sehr vergebend, sehr erbarmend.“Die Frage der Freiheit
Die Sache ist einfach und unkompliziert. Es handelt sich schlicht und ergreifend um eine Frage des Willens und des Interesses. Beinahe nichts ist so offensichtlich wie unsere Freiheit. Und unsere Freiheit betreffend ist nichts so offensichtlich, als daß wir in unseren Freiheiten (die Freiheit zur Bekleidung, die Freiheit zur Arbeit, die Freiheit zur Ehe, die Freiheit zum Studium, die Freiheit zum An- und Verkaufen) fortwährend eingeschränkt sind. Denn die Freiheit eines jeden von uns kollidiert sofort und natürlicher Weise mit der Freiheit eines jeden Anderen. Und dort liegen die Grenzen unserer Freiheiten. Der Satz: „Ich bin frei“, ist so gesehen nichts weiter als ein anderer Ausdruck des Satzes von der Bedingtheit: „Ich bin frei und auch nicht.“ Nach allen Seiten hin sind wir von anderen abhängig, sind durch anderes bedingt – ja sind nur durch anderes.
Niemand wird deshalb ernsthaft behaupten, daß er in allen Dingen und in jeder Hinsicht absolut und grenzenlos frei sei. Und wer das dennoch behauptet liegt in erster Linie sich selbst und in zweiter Linie alle anderen an. Eine solche Person kann man nur noch dazu auffordern durch eine Wand zu laufen, Wasser zu atmen oder Steine zu zerkauen. So jemanden kann man nur noch dazu auffordern nichts mehr zu tun, außer was ihm beliebt.
Aus koranischer Sicht
Im genannten Sinne ist Freiheit aus der Sicht des Korans etwas Natürliches und bereits Erledigtes. Aus diesem Grunde wird so etwas wie „Freiheit“ im Koran, ebenso wie das Dasein Gottes, gar nicht erst thematisiert. Denn das würde nur Zweifel an der Freiheit berechtigen.
Ein Vers in der Sure al-Bakara ist überdeutlich:
„Es gibt keine Nötigung in der Religion…“
Warum? Ganz einfach. Denn der Betreffende kann die Religion ohne Selbstwahl gar nicht erfüllen. Religion erfüllt sich erst gar nicht, wenn wir uns nicht selbst für sie entscheiden. Denn:
„Schon hat sich das Vernünftige von der Abwegigkeit deutlich unterschieden…“
Richtig und Falsch sind also in ihrer Gegensätzlichkeit unterschieden. Und das Richtige unterscheidet sich klar in seinem Gegenteil. Niemals werden wahr und falsch in der Wirklichkeit durcheinander geraten. Nur in unseren Herzen, dem Zentrum unserer Entscheidungen, können wir das Wahre mit dem Falschen vermischen oder vertauschen.
„Wer darum dem Dtāġūt den Glauben verweigert und an Gott glaubt, der hält bereits am reisfesten Vertrauenstau fest. Und Gott ist allhörend, allwissend.“
Das Gesetzesinteresse des Korans
Aus koranischer Sicht liegen die Dinge also ein wenig anders. Der Koran richtet sich mit seinen Geboten an die Gläubigen und die Ergebenen. Für sie ist er Leitung und Heilung. Die anderen aber, die Ungläubigen etwa, schlägt er mit Blindheit und bringt sie irre.
Vielleicht fragst du jetzt verwundert: Richtet sich der Koran nicht an alle Menschen? Heißt es denn im Koran nicht:
„O ihr Leute!“
Das ist richtig. Doch wenn du den Korantext aufmerksam verfolgst, dann wirst du feststellen, daß sich der Koran an die Menschen, oder an die „Leute“ in ihrer Eigenschaft als Nās (Leute) wendet, wenn er ihnen nahelegt zu glauben.
In seinen Bestimmungen und Weisungen jedoch richtet er sich an sie als Gläubige, seinen Weisungen zu folgen und ihr Glück in seinen Weisungen und Bestimmungen zu suchen, ohne abzuweichen. Nur eine Gemeinschaft von gläubigen Frauen und Männern vermag überhaupt durch die Gebote Gottes zum Erfolg zu finden. Für alle anderen sind diese Gebote unbequeme Einschränkungen ihrer Interessen und Neigungen.
Die Frage der Ergebenheit
Islām, das ist Hingabe, Hingabe in den Willen Gottes. Islām, das ist Ergebenheit und Gehorsam, nicht weniger:
„Wahrlich die Religion bei Gott ist die Ergebenheit.“
„Und wer eine andere Religion, als die Ergebenheit begehrt, nimmer soll sie von ihm angenommen werden, und im Jenseits gehört er zu den Verlierenden.“
„Und sterbt ja nicht anders, außer ihr seid Ergebene.“
Imām
„Ich werde den Islām ganz gewiß auf eine Art beschreiben, wie es kein anderer vor mir getan hat und wie es kein anderer nach mir tun wird: Der Islām ist die Ergebenheit (at-Taslīm). Und die Ergebenheit ist die Bejahung (Tasdīk). Und die Bejahung ist die Gewißheit (al-Yakīn). Und die Gewißheit ist die Erfüllung (al-Adā‘). Und die Erfüllung ist die Tat (al-
Der Schleier
Nimmt man den Koran beim Wort – und das sollte man tun, denn er ist Gottes Wort – dann ist der Hiğāb (Schleier) mehr als nur ein Kleidungsstück und eine Körperbedeckung, sondern Ausdruck einer inneren Einstellung, die durch und durch als eine Frage des Glaubens zu sehen ist.
In West und Ost aber, will man heute in der Hiğāb-Frage vom eigentlichen Gegenstand ablenken, wenn man den Schleier (al-Hiğāb) auf die Bekleidungsform der muslimischen Frau reduziert und herunter redet, oder zu einem islamistischen Symbol dramatisiert. Die Ziele dieses Verhaltens sind leicht zu durchschauen. Und jeder, ganz gleich ob er für, oder gegen den Hiğāb ist, kann die Pläne, die hinter diesen Über- und Untertreibungen stehen, bereits durch seine eigene Erfahrung mit den Dingen enthüllen und aufdecken.
Ziel und Zweck des Hiğāb werden im Koran ebenso erwähnt, wie Grund und Ursache. In diesem Sinne macht der Koran jede Überbürdung in dieser Frage hinfällig.
„O Du Prophet! Sag zu deinen Gattinnen und deinen Töchtern und den Frauen der Gläubigen, sie sollen über sich ziehen von ihren Ğalābīb. Solches ist eher, daß sie erkannt und nicht belästigt werden. Und Gott ward sehr vergebend, sehr erbarmend.“
Zum historischen Anlaß der Sendung dieses Verses wird berichtet, daß die Frauen zur Moschee des Propheten zu gehen pflegten um zu beten. Und wenn es Nacht wurde und sie dorthin gingen um das Abend- und Spätabendgebet zu verrichten stellten ihnen die jungen Männer der Stadt nach und belästigten sie. Da offenbarte Gott Seinem Propheten die genannten Verse.
Der Vers zeigt uns, daß es die Gewohnheit der Frauen gewesen sein muß, eine Ğilbāb zu tragen. Denn wie sonst sollten sie etwas davon über sich ziehen. Im selben Moment zeigt und das etwas über die Beschaffenheit der Ğilbāb, daß diese nämlich groß genug gewesen sein muß, daß die Frauen einen Teil davon (Min Ğalābībihinna) über sich ziehen konnten.
Was ist also eine Ğilbāb?
Der Koran verwendet im Zusammenhang mit der Bekleidung und dem Auftreten der Frauen gleich zwei unterschiedliche Wortlaute: Ğalābīb, die Mehrzal von Ğilbāb und Khumur, die Mehrzahl von Khimār (Schleier), sowie Hiğāb (Isolation).
Interessanterweise ist Ğilbāb (von ğalaba-yağlibu/-ğalbaba) bereits ein Überzug, was uns eine zusätzliche Korrektur der gängigen Übersetzungen zu dieser Stelle vorzunehmen verlangt.
„Sie sollen von ihren Überzügen über sich näher bringen.“
Zusammen ergeben die besagten Stellen im Kontext des Koran ein klares Bild über Bekleidung und Auftreten der gläubigen Frauen in der Öffentlichkeit und in Gegenwart Fremder, an dem sich nur dann rütteln läßt, wenn man persönliche Wünsche und Neigungen in den Text hineininterpretiert. Der Koran aber verweigert ein solches Vorgehen, welches ganz und gar mit dem im Widerspruch steht, was wir Religion nennen.
Nachtrag
Religion (Dīn) nämlich, ist Gehorsam und Gehorsam ist Hingabe und Ergebenheit in Gottes Willen in Gesetz- und Seinsgebung.
„Und nicht ward es einem Gläubigen oder einer Gläubigen, wenn Gott und Sein Gesandter eine Sache entschieden haben, daß ihnen die Wahl in ihrer Sache sei. Und wer gegen Gott und seinen Gesandten aufsässig wird, der irrte ein deutliches Irren.“
„O ihr, die ihr gläubig wurdet, gehorcht Gott und gehorcht dem Gesandten und den Besitzern des Befehls von euch.“
Ğābir ibn
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Vgl. Kor: 33 (al-Ahzāb) 59-60.
Vgl. Kor: 2 (al-Bakara), 256.
Vgl. Kor: 2 (al-Bakara), 21.
Vgl. Kor: 3 (Āli-
Vgl. Kor: 3 (Āli-
Vgl. Kor: 3 (Āli-
Vgl. Šaikh as-Sadūk, Ma<ānī al-Akhbār: S. 185; al-Amālī: S. 211; al-Mağlisī, Bihār al-Anwār: Bd. 61, S. 309.
Vgl. Kor: 33 (al-Ahzāb) 59-60.
Vgl. MOJAM CD.
Vgl. 33 (al-Ahzāb), 37.
Vgl. 4 (an-Nisā‘), 59.
Vgl. Ġāya al-Marām: S. 267, Bd. 1; Yanābī< al-Mawadda: S. 494.