Traktat zur Diversität in der islamischen Jurisprudenz
Vorwort
Im Namen Gottes, des Allerbarmers, des Ewigerbarmenden; Das Lob sei Gott, dem Herrn der Welten. Und der Segen und der Friede seien über dem Siegel der Propheten und Gesandten, Muhammad, und seiner Familie, den Lauteren und Reinen und mit seinen gläubigen und [Gott] ergebenen Gefährten.
Das Phänomen der Diversität
Im Verlauf dieses Traktats, wollen wir uns mit der Diversität der Rechtswege (al-Madāhib) im Islam auseinandersetzen. Zu diesem Zwecke müssen wir uns, natürlich im religiösen Rahmen, zunächst mit dem Begriff der Diversität im Allgemeinen und, mit dem Begriff religiöser Diversität im Besonderen befassen.
Für jede Wahrheit liegt ein entsprechender Beweis vor und zu jeder Wahrheit führt ein Weg, der mit richtungweisenden Wegzeichen und Markierungen versehen ist.
All das lässt sich aus vorhandenen Quellen deduzieren, die der Islam in Form von mündlichen Überlieferungen und schriftlich hinterlegten Texten offenbart hat: In der Schrift Gottes (Koran) und der Tradition (Sunna) des Propheten, die auch durch die Leute des Hauses verkörpert wird. Beide gelten als unzertrennlich.
Der Prophet Muhammad sagte:
„Wahrlich, ich hinterlasse unter euch was, solange ihr dar-an festhaltet, werdet ihr nach mir niemals irre gehen; Eines der Beiden ist gewaltiger als das Andere: Die Schrift Gottes; ein vom Himmel zur Erde ausgestrecktes Tau, und meine Nachkommen, die Leute meines Hauses. Und niemals werden sich die beiden trennen, bis sie am Hawż zu mir kommen. So schaut, wie ihr nach mir mit ihnen umgehen werdet!”
Nach dem Propheten zerspaltete sich die muslimische Ge-meinde. Die Lehren des Propheten wurden verändert. Der Islam, den man heute kennt, ist der Islam der Konfessions-gruppen; ein Islam der Irrtümer, bis auf wenige Ausnahmen. Der Islam selbst ist es, der über diese Tatsache berichtet:
„Und sie werden nicht aufhören uneins zu sein, ausge-nommen wen dein Herr will.”
So wird sich, laut dem Vers, stets nur eine Minderheit geben, die den Weg der Wahrheit findet und ihn geht. Die meisten Mitglieder der Gemeinschaft haben eine verkehrte Vorstellung von der Wirklichkeit des Islam: Sie leben in Gefangenschaft ihres Ichs, ihrer Geschichte, ihrer Kultur ihrer Zugehörigkeit und ihrer Anschauungen und wollen den Islam dementsprechend interpretieren.
Der Islam der Botschaft, der wahre Islam, lehrt Vorstellungen die ihn völlig und gänzlich von der Religion der Konfessionen und Irrungen unterscheiden. Dieser Islam aber, ist der Umma verloren gegangen. Überall ist dieser Islam unüblich und fremd geworden und jeder, der seine Weisungen befolgt und vertritt, wird als Verrückter und Irrer verschrien. Und das, obwohl dieser Islam in Koran und Sunna absolut deutlich gemacht wird.
Doch viele dieser mündlich und schriftlich niedergelegten Texte sind so sehr in Vergessenheit geraten, dass man heute bereits deshalb ihre Authentizität anzweifelt, weil sie so unbe-rücksichtigt geblieben sind.
Zu diesen Texten gehören beispielsweise die, die im Kontext zur Layla al-Kadr, (Nacht des Beschlusses) und dem, was in ihr herab gesendet wird, stehen. In diesen Texten ist die Rede davon, dass in ihr, in der Nacht des Beschlusses die Engel herabsteigen, und der Geist, mit der Erlaubnis ihres Herrn, auf jeden Befehl, und das solange, bis Gott die Erde erbt und ihre Bewohner.
Die islamische Umma weiß zwar mit Selbstverständlichkeit, dass der Koran in der Nacht des Beschlusses herab gesandt wurde, doch weiß beinahe keiner aus ihr, auf wen und was in jedem Jahr in ihr an Wissen, Urteilen, Befehlen und Gesetzeswegen in ihr herab gesandt wird! Genauso wie beinahe keiner mehr weiß, dass sich dieses Ereignisses wiederholt, bis Gott die Erde und ihre Bewohner erben wird.
„In ihr wird unterschieden, jeder weise Befehl.”
Allein dadurch war der Gesandte Gottes im Stande das Geheiß, das System, die Regierung und den Staat des Islam zu errichten. Und in gleicher Weise werden alle diese Dinge, seit dem Tode des Propheten, mittels des bewahrten Imām aufrechterhalten.
Der Islam ist eine fortdauernde Offenbarung, in der zu jeder Zeit nötiges Wissen vermittelt wird. Und dieses Wissen, das bei Gott ist, wird in der Layla al-Kadr, in der Nacht des Beschlusses, und zu jedem Tag und zu jeder Stunde, über den Imām der Zeit herab gesendet. Insbesondere die Definition der aktuellen Urteile, welche die Diener betreffen und die Art und Weise in der sie gefällt werden, denn selbst der Imam fällt kein Urteil und trifft keine Entscheidung, bevor ihm Gott die Erlaubnis dazu erteilt und ihn darüber informiert, wie er vorzugehen hat. Und wäre dem nicht so, dann ginge selbst das Wissen des Imāms zur Neige und der Koran würde emporgehoben werden und die Sache des Islām wäre dem Ende geneigt. Dieser Verhalt kann in Koran und Sunna, ohne große Schwierigkeit eingesehen werden.
Islām und Imām sind zwei unzertrennliche Kammeraden, die niemals voneinander abweichen werden. Der Imām ist der Islām. Der Islām ist, ganz so wie es aus den Gesetzestexten hervorgeht, ein Mann, und ohne Kenntnis von diesem zu ha-ben, vermag das Geheiß des Islam nicht erfüllt werden.
Aus diesem einfachen Grunde aber, sind, mit dem Imām, auch der lebendige Islam und die lebendige fortdauernde Offenbarung, in die Verborgenheit gegangen. Zurückgeblieben ist davon nicht mehr, als das, was den Menschen bereits vor der Zeit der vollständigen Verborgenheit (al-Ġayba at-Tāmma) übergeben wurde. In diesem Sinne äußern sich auch die wegweisenden Traditionen, die sich auf den Zeitraum der Verborgenheit be-ziehen.
Von Abdillah ibn Sanan, der sagte: „Ich und mein Vater traten bei Abī
Von Abi Abdillāh, dass er sagte: „Wie wird es um euch stehen, wenn ihr ein Leben lang lebt, ohne euren Imām zu kennen?” Es wurde gesagt: „Wenn das geschieht, wie sollen wir dann verfahren?” Er sagte: „Haltet am ersten Geheiß fest, bis ihr Klarheit erfahrt!”
Es ist darum unsererseits anmaßend und törischt anzunehmen, wir armseligen Ignoranten könnten alle die juristischen Dissense (al-Ikhtilāfāt) ganz alleine beilegen und die neuzeitlichen Fragen ganz aus eigenem Ermessen heraus rechtens beantworten.
Doch, hätte sich die Umma, für die Zeit der Verborgenheit und der Fremde nur an diese Weisung gehalten, bis Gott ihnen ihren Imām erscheinen lässt! Aber nicht nur, dass sie diese Weise nicht beachtet haben, nein, sie haben sie so sehr verkehrt und veruntreut, so dass vom Islām, beinahe ohne Ausnahme, nicht mehr als der Name und vom Koran nicht mehr als das Schriftbild erhalten geblieben sind.
Der Prophet sagte:
„Es wird eine Zeit über meine Umma kommen, da vom Is-lam nichts als der Name und vom Koran nichts als die Schrift bleiben wird. In einem solchen Moment, wird Gott ihm - dem Imām Mahdī - die Erlaubnis zum Auszug geben und er wird den Islam sichtbar machen und die Religion erneuern.”
Der Prophet (s.) sagte:
„Wahrlich, der Islam begann fremd und er wird wieder fremd werden, wie er begann. Darum wohl an den Frem-den!”
Wohl an also den Fremden, die die Wahrheit des Geheißes begriffen und an dem festgehalten haben, was ihnen der Islam gebot.
Der Islam ist ein Mann der Sendung, der die Verbindung zum Himmel, ohne Unterbrechung, aufrechterhält. Er erfährt Offen-barung und ist der Mann der Layla al-Kadr, der Nacht des Be-schlusses, und der Bewahrer dessen, was zu jedem Tag und zu jeder Stunde herab gesendet wird.
Wohl an also denen, die zu diesen Lehren und Vorstellungen geleitet sind und die darum bei Tage und bei Nacht in der Er-wartung ihres Imam leben.
„Wahrlich, die Religion und das Fundament der Religion ist ein Mann. Und jener Mann ist die Gewissheit und er ist der Glaube und er ist der Imam seiner Gemeinde und der Leute seiner Zeit. Wer ihn darum erkannt hat, der hat auch Gott und Seine Religion erkannt und wer ihn nicht erkannt, der erkannt Gott nicht und nicht Seine Religion und nicht Seine Gesetzeswege. Und wer ihn geleugnet hat, der hat Gott geleugnet und Seine Religion. Und wer ihn ignoriert hat, der hat Gott ignoriert und Seine Religion und Seine Grenzen und Seine Gesetzeswege - ohne jenen Imām.”
Wenn gesagt wird der Islām ein Mann sei, dann ist gemeint, dass der Islām ohne diesen Imām wie ein Leib ohne Seele ist. Ohne den bewahrten Imām wird der Islām weder recht ver-standen, noch umgesetzt werden können.
Das ist eine Tatsache die keiner übersehen kann, der Grund-kenntnis vom Islām hat. Sagte der Prophet doch über Imām
„Der ganze Glaube trat dem ganzen Unglauben (der ganzen Beigesellung) entgegen.”
Ergo ist der Imām der ganze Glaube, ergo der ganze Islām. Mehr noch, ist er die ganz deutliche Schrift, da sich diese beiden niemals von einander trennen werden.