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Toleranzgedanke und religiöse Werte im Islam

Toleranzgedanke und religiöse Werte im Islam

- Ein Vortrag von Hojjat-ul-Islam Mahmood Khalilzadeh -

 

                Vorwort

                Religiöse Werte im Islam

                Rolle der Religion aus islamischer Sicht

                Toleranzgedanke

 

 

Vorwort

 

Der Islam ist die jüngste der monotheistischen Religionen. Die Muslime glauben also an einen einzigen Gott, der zugleich Schöpfer und Erhalter des Universums ist. Das Wort Allah ist ein arabischer Begriff und bedeutet „der Eine Gott". Auch arabischsprachige Christen verwenden das Wort Allah, wenn sie von Gott sprechen.

 

Aus islamischer Sicht ist der Mensch kein Zufallsprodukt der Natur. Er ist vielmehr von Gott auserwählt worden, um Sein Statthalter in dieser Welt zu sein. Er trägt daher eine sehr hohe Verantwortung und sollte im Umgang mit der  Schöpfung (also im Umgang mit seinen Mitmenschen und mit der Natur) im Sinne Gottes handeln. Damit der Mensch diesen Auftrag erfüllen kann, wurde er von Gott mit einem freien Willen ausgestattet und mit der Fähigkeit sich sowohl zum Guten als auch zum Bösen zu entwickeln. Er braucht auf diesem Weg jedoch eine Rechtleitung von Gott. Diese wird ihm in zwei Formen zuteil:

 

1. Eine innere Veranlagung (fitra): Diese von Gott verliehene Fähigkeit gibt ihm die Fähigkeit zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Bei seiner Geburt ist der Mensch nach islamischer Auffassung frei von Sünden und kann durch seine Veranlagung, die ihm als eine Art Kompass dient, sich in seiner Entwicklung orientieren. Der Mensch muss sich daher auch ausschließlich für seine eigenen Taten vor Gott verantworten. Im Koran 99:7-8 heißt es: „Wer auch nur eines Stäubchens Gewicht Gutes tut, der wird es dann sehen. Und wer auch nur eines Stäubchens Gewicht Schlechtes tut, der wird es ebenfalls sehen".

 

2. Das Prophetentum: Die Menschheit durchlief in ihrer historischen Entwicklung verschiedene Stufen und wurde von Gott durch die Entsendung von Gesandten und Propheten, die die religiösen Werte übermittelten, auf diesem Weg begleitet. 14:4 „und wir schickten keinen Gesandten, es sei denn mit der Sprache seines Volkes, auf dass er sie aufkläre...".

 

Nach einer Überlieferung des Propheten Muhammad (ص) übersteigt die Zahl der Gesandten, die im Auftrag Gottes handelten 124000 Gesandte und Propheten. Der Glaube an alle monotheistischen Religionen und ihre Vertreter ist also ein Bestandteil des islamischen Glaubens. „... ebenso die Gläubigen: Sie alle glauben an Allah, an Seine Engel, an Seine Bücher und an Seine Gesandten. Wir machen keinen Unterschied zwischen seinen Gesandten." (2:285) „Sprecht: Wir glauben an Allah und an das, was uns herabgesandt worden ist, und was Abraham, Ismael und Jakob und Ihren Nachkommen herabgesandt wurde, und was Moses und Jesus gegeben wurde, und was den Propheten von ihrem Herrn gegeben worden ist. Wir machen keinen Unterschied zwischen Ihnen, und ihm sind wir ergeben." (2:136)

 

Dieser letzte Vers macht unmissverständlich klar, dass der Islam in seiner Beziehung zum authentischen Judentum und Christentum weit über bloße Toleranz hinausgeht. „Wir machen keinen Unterschied zwischen seinen Gesandten." Da die von Moses und Jesus überbrachten göttlichen Botschaften jedoch nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form erhalten sind und sich von Menschen abgeleitete Dogmen eingeschlichen haben, war die Entsendung eines weiteren Propheten notwendig. Der Koran, das heilige Buch der Muslime bestätigt die früheren Propheten, verneint aber z.B. die Gottessohnschaft Jesu.

 

Der Koran enthält die Verse, die dem Propheten Muhammad (ص) über einen Zeitraum von 23 Jahren von Gott offenbart und von den Weggefährten des Propheten zunächst auf Palmblättern und Tierhäuten festgehalten wurden. Nach dem Tod des Propheten wurden die Texte in Buchform zusammengestellt und sind bis heute vollständig erhalten.

 

Religiöse Werte im Islam

 

Wie Anfangs bereits erwähnt hat der Mensch aus islamischer Sicht eine sehr hohe Stellung in der Schöpfung inne. So heißt es dazu im Koran: „Wir schufen den Menschen in bester und schönster Ordnung." (95:4) „Wir haben den Himmeln, der Erde und den Bergen die Verpflichtungen vorgelegt. Da weigerten sie sich, sie zu tragen und fürchteten sich davor, aber der Mensch trug sie, obwohl er doch höchst ungerecht, höchst unwissend ist." (33:72) Dem Menschen wurde vor allem die Fähigkeit gegeben, sich aus eigener Kraft weiterzuentwickeln und die höchsten Stufen der Menschlichkeit zu erreichen. Gott hat den Menschen auserwählt und ehrte ihn mit dieser Stellung gegenüber dem Rest der Schöpfung. Weitere Verse im Koran bestätigen diese Aussage: „Und wahrlich, Wir haben die Kinder Adams geehrt und sie über Land und Meer getragen und sie mit guten Dingen versorgt und sie ausgezeichnet - eine Auszeichnung vor jenen vielen, die Wir erschaffen haben." (17:70)

 

Die vielleicht größte Gabe, die Gott den Menschen zuteil werden ließ, ist die Fähigkeit zum Nachdenken und seine Gedanken zu formulieren. Bereits der erste Vers der Offenbarung beginnt mit der Aufforderung zum Lesen: „Lies! Im Namen Deines Herrn, der erschaffen hat, er erschuf den Menschen aus einem Blutgerinsel. Lies! Denn Dein Herr ist allgütig. Der den Gebrauch der Schreibfeder gelehrt hat, er lehrte dem Menschen, was er nicht wusste." (96:1-5) Diese Verse machen deutlich, dass diese Fähigkeiten und Auszeichnungen der Güte Gottes entstammen. Der Mensch wird an vielen Stellen im Koran aufgefordert von diesen Fähigkeiten auch regen Gebrauch zu machen. In einer Überlieferung des Propheten heißt in diesem Sinne: „Eine Stunde Nachdenken ist besser als ein Jahr Gottesdienst."

 

Die Propheten traten stets als Warner auf, wenn eine Gesellschaft sich zu weit von den religiösen Werten entfernt hatte etwa durch Promiskuität, Korruptheit, .... In einer sehr bekannten Überlieferung sagt Prophet Mohammad: „Wahrlich ich wurde entsandt, um die moralischen Werte zu vervollkommnen."

 

In einer weiteren prophetischen Überlieferung werden den Gläubigen u.a. folgende Handlungsweisen als richtig und nachahmenswert genannt: „Mein Herr riet mir zu neunerlei: Zu Aufrichtigkeit im Geheimen und Offenbaren; zu Gerechtigkeit in Zufriedenheit und Zorn; zu Mäßigkeit in Armut und Reichtum; zu Vergebung für jenen, der mir Unrecht getan hat; dem zu geben, der mir vorenthalten hat; mich dem zuzuwenden, der sich von mir abgewendet hat; dass mein Schweigen Nachdenken sei, meine Rede Gottesgedenken und mein Sehen Achtsamkeit."

 

Diese moralischen Werte sind vielen Religionen gemein und können eine Basis für eine friedvolle multireligiöse Gesellschaft sein. Allah sagt: „Wir haben ihm (dem Menschen) beide Richtungen gezeigt" oder auch „Wir recht leiteten ihn auf dem Pfad, mag er nun dankbar sein oder undankbar". Der Mensch kann aber durch sein Verhalten Hindernisse aufbauen, die ihn auf diesem Weg behindern. Er kann sich auch weit von den Werten entfernen und kann sehr tief absinken. Eines der Hindernisse auf dem Weg zu Höherem ist Tyrannei und Unterdrückung. In Sura 96 Vers 6 heißt es dazu: „Wahrlich der Mensch neigt zur Tyrannei, wenn er sich überlegen und unabhängig fühlt." Das Gefühl der eigenen Überlegenheit und der Übermacht blendet den Menschen und verhindert, dass er höhere Stufen in seiner Entwicklung erreicht. Ihm ist der Zugang zu der Ehre und Güte Gottes versperrt, solange er sich im Kontext der Schöpfung nicht als ein Diener Gottes empfindet und daraus ein Gefühl der Bescheidenheit entwickelt.

 

Ein weiteres Hindernis auf dem Weg zur Vervollkommnung des Menschen ist der Hang zum Materiellen. Das übertriebene Streben nach Geld, Macht oder sozialer Anerkennung kann den Menschen dazu verleiten, seine spirituelle Dimension zu vernachlässigen. Der Islam versteht den relativ kurzen Aufenthalt der Menschen auf dieser Welt als einen Übergang auf dem Weg zur Ewigkeit. Alles Materielle auf dieser Welt ist vergänglich und nur die Taten begleiten den Menschen, wenn er in der Ewigkeit angekommen ist. Imam Ali (ع), ein Weggefährte und sehr enger Vertrauter des Propheten, sagte in diesem Zusammenhang: „Der Hang zum Diesseits ist der Kopf (oder Beginn) einer jeden Sünde." Wenn wir bedenken, dass alles, was wir uns im Diesseits verfügbar machen können uns nur anvertraut und von vorübergehender Natur ist und, dass nur Gott allein der eigentliche Besitzer sein kann, wird uns dieser Gedanke klarer. Im Koran heißt es dazu: „Wahrlich der angesehenste von euch bei Gott ist der Gerechteste unter euch."

 

Dem Leben wird im Koran ein sehr hoher Stellenwert beigemessen. In Sura 5 Vers 32 heißt es dazu: „Wer eine Seele zu unrecht tötet, so ist es als hätte er die gesamte Menschheit ausgelöscht, und wer das Leben eines Menschen rettet, so ist es als hätte er die gesamte Menschheit gerettet." In diesem Vers wird darauf hingewiesen, wie wertvoll jedes einzelne Menschenleben für die Gesellschaft ist.

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