4.10 Zu lernen ist also wichtig!
Die Mühen, die unternommen werden, um etwas zu erreichen, zu „erzielen“, sind ebenso wichtig
wie das Ziel selbst. Aufgrund seiner ihm von Gott gegebenen Vernunft weiß der Mensch, von
welch gravierender Bedeutung Wissen und Können in seinem Leben sind. Und auch der Islam,
der der menschlichen Natur entspricht und im menschlichen Wesen veranlagt ist, stuft das
Lernen, Studieren und Erwerben von Wissen besonders hoch ein.
Prophet Muhammad (s.a.a.s.) sagte:
Den, der lernt und studiert, um sein Wissen zu erweitern, hat Gott gern.
- 145 -
Das wissen wir alle: Der „Gihad“72 gehört zu den Wichtigkeiten der Religion. Und wenn der
Prophet oder der Imam zum Kampf gegen den unrechtuenden Feind aufrufen, haben sich alle
Muslime – vorausgesetzt, dass sie dazu in der Lage sind – daran zu beteiligen. Mit Ausnahme
jener, die im Dienste der islamischen Wissenschaften stehen. Darum, weil es immer genügend
Muslime geben muss, die sich in den Theologisch-Wissenschaftlichen Bildungszentren mit
Studium und Forschung befassen, um weitere Erkenntnisse hinzuzugewinnen. Zum Wohle der
Allgemeinheit.
Der Erhabene Gott sagt uns im 122. Vers der Sure 9, Tawbah:
يَ تَ + ة فَةٌ ل _ افٓu ُونَ لِيَنفِرُواْ g وَمَا كَانَ ٱلۡمُؤۡمِ
.
نِ JK+ هُواْ فِى ٱ _ ۡہُمۡ طَاﯨٓ فَق g م+ كل فِرۡقَةٍ۬ + فَلَوۡلَا نفََرَ مِن ُ
هُمۡ يَحۡذَرُونَ _ وَلِيُنذِرُواْ قَوۡمَهُمۡ إِذَا رَجَعُوٓاْ إِلَيۡہِمۡ لَعَل
Nicht alle Glنubigen sollten in den Gihad ziehen. Von jedem Volke sollten einige die
Theologisch-Wissenschaftlichen Bildungszentren aufsuchen, und dort die Wahrheiten der
Religion zu ergründen und ihre Gesellschaft über diese aufzuklنren.
4.11 Bedeutung des Lehrers
Der Lehrer vermittelt durch die Kraft und Helligkeit des Wissens, das er erreicht hat, seinen
Schülern Licht und Klarheit..., auf dass die Finsternis der Unwissenheit und Torheit von ihnen
und letztendlich von diesem Erdenrund weichen möge. Er ist es, der die Unwissenden wissend
und „sehend“ macht, damit sie im Lichte des Wissens den Weg zum Ziel, zu paradiesischem
Glück, finden.
Aufgrund der hohen Bedeutung des Lehrers und Pädagogen für den Einzelnen und die
Gesellschaft gebietet der Islam, ihn – den Lehrer – zu ehren, zu achten und ihm zu folgen.
Die wichtigste Aufgabe in der Gesellschaft obliegt – aus islamischer Sicht – dem Erziehenden
und Lehrenden. Um seine Wertigkeit zu erkennen genügt es, uns an folgenden Ausspruch unseres
großen Lehrers – des Lehrers der Gottesfürchtigen – Mula ya Muttaqin Ali (a.s.) zu erinnern:
لّمنى حرفاً قد صيّرنى عبد اً { من
Einem jeden, der mich etwas lehrt, bin ich Dienender.
Dieses weise Wort macht den hohen Stellenwert des Lehrers und Pädagogen deutlich.
Auch sagte Ali (a.s.):
72 Gihad: Jegliches Mühen und Kämpfen auf dem Wege Gottes, um der Sache Gottes
Willen
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Die einen lehren und die anderen lernen und studieren, um zu ihrer und anderer Rettung und
Wohlergehen Erkenntnisse zu gewinnen. Die dritte Gruppe aber betrifft jene, die Fliegen ähnlich
sind..., Fliegen, die auf den Köpfen des Viehs sitzen und mit jedem Windstoß von der einen in
die andere Richtung getrieben werden (oder aber in eine jede Richtung, aus der fauliger Geruch
zu ihnen herdringt, fliegen).
4.12 Wissenschaftler und Gelehrte sind zu schنtzen!
Der Koran rühmt Wert und Schönheit des Wissens. Im 11. Vers der Sure 58, Mugadilah, lesen
wir dieses Gotteswort:
نَ أُوتُواْ ٱلۡعِلۡم دَرَجَٰتٍ۬ ... Jِ_X كُم وَٱ g ُواْ مِ g نَ ءَامَ Jِ_X ير... i بِمَا تعَۡمَلُونَ خَ ِ Iُ _ ٱ وَٱ Iُ _ َرۡفَعِ ٱ J
Gott erhِhte jene, die glaubend wurden und jene, die sich Wissen erwarben.
Der Wert eines Gelehrten und Wissenschaftlers wird im Islam so hoch eingestuft, dass der
Gesandte Gottes (s.a.a.s.) äußerte:
نَ لَا يَعۡلَمُون ... Jِ_X نَ يَعۡلَمُونَ وَٱ Jِ_X َٰبِ i رُ أُوْلُواْ ٱلۡأَلۡ _ مَا يَتَذَك _ تَوِى ٱ إِن o سَۡU هَلۡ
Der Tod eines Gelehrten ist verlustreicher als der einer ganzen Sippe...
Im 9. Vers der Sure 39, Zumar, spricht der Erhabene Gott:
Sind denn wohl die Unwissenden mit den Wissenden auf eine Stufe zu stellen?
Das besagt, dass der Wissende niemals dem Unwissenden gleichgestellt ist. Der Gelehrte und
Wissenschaftler ist dem in Unkenntnis Beharrenden selbstredend überlegen.
Aus dem eben zitierten Koranvers geht hervor, das nicht allein religiöses, rein theologisches
Wissen gemeint ist, sondern jegliche Kenntnis und Wissenschaft, die dem Menschen den Blick
weitet und ihm für sein irdisches und jenseitiges Leben ein Gewinn ist.
Hinsichtlich der Überragenheit des Gelehrten über den „Frommen“ sagte Imam Muhammad
Baqir (a.s.):
Ein Gelehrter, der sein Wissen zu positiven Zielen und Ergebnissen einsetzt, ist besser als
70 000 Fromme.
Prophet Muhammad (s.a.a.s.) gab zu verstehen, dass die Persönlichkeit eines Menschen mit
dessen Wissen in engem Bezug steht. Er sagte:
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Die Klügsten und Gelehrtesten im Volke sind jene, welche stنndig aus dem Wissen anderer
schِpfen und ihr eigenes Wissen dadurch unentwegt erweitern und vertiefen. Die
Wertigkeit des Menschen aber ist anhنngig von seinem Wissen.
Mit anderen Worten, je gelehrter und wissender jemand ist, umso höher ist sein persönlicher
Wert. Je weniger aber jemand weiß, umso geringer ist auch seine Wertigkeit.
4.13 Welche Aufgabe haben Lehrer und Schüler?
Der heilige Koran begreift das Wissen des Menschen als dessen wahres „Leben“ bzw.
„Lebensinhalt“. Denn wäre dieses nicht, so gliche der Mensch einem Toten, einem Stein...
Darum hat der Schüler seinen Lehrer als jemanden zu betrachten, mit dem sein Leben in engem
Bezug steht. Von dem er nach und nach „Leben“ empfing, weshalb er ihn zu ehren und zu
respektieren hat.
Der Lehrer hat seinerseits zu wissen, dass er für das Leben seiner Schüler Verantwortung trägt.
Er darf seine Aufgabe, sie zu unterrichten und zu erziehen, nicht vernachlässigen. Unermüdlich
hat er sich um deren geistige und ethische Entwicklung zu kümmern, bis dass sie zu gereiften und
gebildeten, zu „lebenden“ und „menschlichen“ Menschen erzogen sind. Und wenn der Schüler
bisweilen seiner Pflicht, zu lernen und Wissen zu erlangen, nicht nachkommt und dem Unterricht
nicht folgt, sollte der Lehrer dennoch nicht ermüden, sondern sich weiter um ihn bemühen.
Fleißige und interessierte Schüler sind zu loben und anzuspornen. Immer aber ist darauf zu
achten, den Schülern niemals durch ungeeignete Worte oder deplaciertes Vorgehen zu
entmutigen und ihm das Interesse am Unterricht zu nehmen.
4.14 Zwei wichtige Momente in der islamischen Pنdagogik
In allen Systemen, die in den verschiedenen Gesellschaften „praktiziert“ werden, gibt es gewisse
Dinge, welche die betreffenden Verantwortlichen geheim zu halten suchen. Darum, weil es ihnen
und ihren Interessen abträglich wäre, wenn die Gesellschaft bestimmte Realitäten erführe. Der
Grund dafür ist der, dass manche Regelungen, Maximen oder Themen der Willkür der
Einflussreichen bzw. Herrschenden selbst entsprungen sind und mit Ideologie, Weltanschauung
und dergleichen in keinster Weise zu tun haben. Und da sie menschlicher Vernunft und dem
Allgemeinwohl zuwiderlaufen, schweigt man derlei Dinge tot, um den Protest der Öffentlichkeit
nicht zu wecken und die eigenen Interessen nicht in Gefahr zu bringen.
Das ist auch der Grund dafür, dass die Geistlichkeit so mancher Religionsgemeinschaft ihren
Gläubigen nicht gestattet, sich ihre eigenen – selbstständigen – Gedanken über dieses und jenes
zu machen. Sie sagen, es sei allein ihre Sache, die „Schrift“ und religiöse Themen zu erarbeiten
und zu kommentieren..., der Allgemeinbevölkerung stünde so etwas nicht zu. Diese habe
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vielmehr ohne wenn und aber alles zu akzeptieren, was ihnen die Geistlichkeit sage. Sich selbst
darüber Gedanken zu machen und nachzuforschen (frei!) sei den Gläubigen nicht erlaubt.
Dieses doktrinäre Verhalten aber hat sich zum Nachteil so mancher Religion ausgewirkt...
Der Islam aber geht anders vor. Er ist sich seiner Rechtmäßigkeit gewiss und hat keinerlei
Unklarheiten offen gelassen. Im Gegensatz zu anderen religiösen oder nichtreligiösen Lehren.
Erstens: Keine Realität wird im Islam geheim gehalten. Auch seinen Anhängern gestattet er nicht,
Wahrheiten zu verbergen. Das kann auch gar nicht anders sein, da der Islam und seine
Weisungen, Maximen und Themen mit der menschlichen Natur, Vernunft und Schöpfung in
Übereinstimmung stehen und somit Zweifeln, Diskrepanzen und ähnlichem nicht Raum gibt.
Der Islam lehrt, dass das Verschweigen bzw. Geheimhalten der Wahrheiten zu den großen
Sünden zählt.
Der Allmächtige Gott hat derartiges – d.h. das Verbergen der Wahrheit – verdammt. Hierüber
informiert der 155. Vers der Sure 2, Baqarah:
ٰه _g_ َٰتِ وَٱلۡهُدَىٰ مِنۢ بَعۡدِ مَا بَي g+ زَلۡنَا مِنَ ٱلۡبَي ? ُمُونَ مَا أَ T َكۡJ نَ Jِ_X ن ٱ _ إِ
وَيَلۡعَنُہُ Iُ _ َٰبِ كَ يَلۡعَنُہُمُ ٱ T اسِ فِى ٱلۡكِ _ لن !ِ
.
ٰعِنُونَ _ ل! أُوْلَٰﯩٓ مُ ٱ
Diejenigen, die verheimlichen, was Wir an klaren Beweisen und Rechtleitung hinabgesandt
haben, nachdem Wir es doch durch die Schrift offenkundig gemacht haben, werden von
Gott und von allen, die verfluchen kِnnen, verflucht.
Zweitens: Der Islam ruft seine Anhänger dazu auf, über die Wahrheiten und das, was die
Religion Gottes sagt und lehrt, nachzudenken. Hinsichtlich jeden Belanges und Punktes, der
ihnen unklar geblieben ist, haben sie nachzufragen, nachforschen und sich zu erkundigen, auf das
ihr Glaube von Zweifeln und Unklarheiten frei bleibe.
Gewissenhaft, aufrichtig und frei haben sie sich darum zu bemühen, alles, was ihnen nicht
verständlich ist, zu klären. Der Erhabene Gott mahnt im 36. Vers der Sure 17, Isra’:
لۡمٌ { بِهۦِ ِ £ ۡسَ ََ N وَلَا تقَۡفُ مَا لَ
Dem, das unklar ist, folge nicht!
4.15 Was ist zu tun, wenn...
Durch Studieren, Nachdenken und Überlegungen die Wahrheiten zu ergründen, erkennen und
akzeptieren zu können, ist die wertvollste Fähigkeit des Menschen. Darin beruht das „großes
- 149 -
Plus“, das den Unterschied zwischen ihm und dem Tier bedingt...eben das, was seine
„Menschlichkeit“ und menschliche Wertigkeit zum Ausdruck bringt.
Niemals werden humanes Empfinden und der in der menschlichen Natur veranlagte „Sinn für
Objektivität und Realität“ dem zustimmen, dass freies, selbstständiges Denken und Nachdenken
durch aufgezwungene Überzeugungen verhindert werden oder aber der Verstand durch das
Verheimlichen von Wahrheiten in eine falsche Richtung manövriert werden dürfen, so dass
beispielsweise erhabene Gedanken und Erkenntnisse – unter anderem das im Menschen ruhende
„Gotterkennen“ – verdrängt werden können.
In diesem Zusammenhang sei jedoch auf folgendes hingewiesen: In Fällen, wo der Mensch aus
irgendwelchen Gründen einfach nicht in der Lage ist, eine Wahrheit zu begreifen – vielleicht
fehlen ihm die erforderlichen Vorkenntnisse oder aber sie betrifft ein metaphysisches Thema u.ä.
– tut er gut daran, sich nicht in ergebnislosen und verwirrenden Gedanken zu verstricken, um
nicht auf ein Irrgleis zu geraten und Halbwahrheiten oder entstellte Wahrheiten zu „erzielen“. Es
empfiehlt sich hier, das er sich entweder bei kompetenten Stellen erkundigt oder aber vorerst
diese Frage zurückstellt, bis er die notwendige Bereitschaft gefunden hat bzw. geeignetere
Voraussetzungen gegeben sind, sie klären zu können.73 Unsere Unfehlbaren Imame (a.s.) aus
dem Hause des Gesandten Gottes (s.a.a.s.) warnen in etlichen Ahadit davor, sich mit Themen zu
beschäftigen, die zu begreifen oder zu klären dem einfachen, begrenzten Menschenverstand nicht
möglich sind. In solchen Fällen ist es gewiss besser, mit einer „verhüllten Wahrheit“ vorlieb zu
nehmen. Ebenfalls dann, wenn andere infolge von Trotz, Ignoranz, Feindseligkeit, Borniertheit
und dergleichen Wahrheiten nicht wahrhaben und akzeptieren wollen und Leben, Ehre, Hab und
Gut in Gefahr geraten, falls man sie kundtut, ist es angezeigt, sie für sich zu behalten, um sie
zudem vor Hohn und Spott zu bewahren.
Das heißt also, in einigen Situationen erlaubt der Erhabene Gott – u.a. nachzulesen im 106. Vers
der Sure 16, Nahl und im 28. Vers der Sure 3, Al-Imran – Wahrheiten zu verschweigen bzw. zu
„verhüllen“.
Einmal dann, wenn die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse beispielsweise so geartet
sind, dass keine Hoffnung besteht, dass der Wahrheit die Gelegenheit gegeben wird, Fuß fassen
zu können..., andererseits aber Leben, Gut und Ansehen in akute Gefahr geraten, wenn sie
geäußert wird.
Zum anderen dann, wenn jemandem die Wahrheit unverständlich bleibt, da ihm die
erforderlichen Vorkenntnisse fehlen oder aber das betreffende Thema ein Wissensgebiet betrifft,
zu dem überdurchschnittliche Geistes- und Verstandeskraft erforderlich ist. Auch in diesen Fällen
ist es sicherlich sinnvoller, sich nicht in end- und zwecklosem Grübeln und Nachdenken zu
verfangen und möglicherweise letztendlich in die Irre zu gehen, da aufgrund des fehlenden
Verständnisses und Begreifenskönnens falsche, absurde und abwegige Vorstellungen
„gewonnen“ werden.
73 Zum Beispiel mit Hilfe gelehrter und kompetenter Personen bzw. geeigneter Literatur
u.ä.
- 150 -
4.16 „Igtihad“ und „Taqlid“
All die Dinge, die der Mensch zu seinem Leben benötigt und beschaffen muss, die vielen
Bedürfnisse, um deren Beseitigung er sich bemüht, die zahlreichen Erkenntnisse, deren Resultate
so gravierenden Einfluss auf unser Wohlergehen nehmen bzw. nehmen können, so sie
berücksichtigt werden..., sie sind so vielfältig, das sie nur schwerlich alle zu nennen sind.
Geschweige denn, dass der gewöhnliche Erdenbürger über sie alle zu genauesten Kenntnissen
und Fachwissen finden könnte.
Andererseits aber benötigt der Mensch, um richtig handeln und sich richtig entscheiden zu
können, Wissen, Kenntnisse und Aufklärung. Das heißt also, dass er entweder selbst über die
betreffenden Angelegenheiten ausreichend Bescheid wissen oder aber die Kenntnis anderer, die
diesbezüglich versiert und kompetent sind, nutzen muss. Wir gehen zum Beispiel zum Arzt,
wenn wir krank sind und lassen uns von ihm heilen. Ohne seine Hilfe (und selbstredend den
göttlichen Willen, denn alles liegt in Gottes Hand) vermöchten wir nicht zu genesen. Wenn wir
ein Haus bauen wollen, wenden wir uns an einen Architekten bzw. Bauingenieur, der uns den
Bauplan anfertigt und die Bauarbeiten überwacht. Für Fenster und Türen ist der Schreiner
zuständig und so fort...
Mit anderen Worten: Abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen sind wir in unserem Leben auf
das Fachwissen anderer angewiesen. Wer sagt, dass er Wissen und Rat anderer nicht bräuchte
und nicht gewiss sei, das zu tun, was andere ihm sagen, da er völlig selbstständig entscheide und
denke, redet entweder unüberlegt oder aber ist so von Dunkeln geplagt, dass er jeglichen Sinn für
Objektivität verloren hat.
Der Islam, dessen Schari’ah mit der menschlichen Natur konform geht, hat seinerseits ebenfalls
den eben beschriebenen Weg vorgesehen. Er ordnet an, dass sich die Muslime über die göttlichen
Gebote und alles, was die Religion sagt, genauestens zu informieren haben..., und zwar anhand
des Koran, der Sunna und Belehrungen des Gesandten Gottes (s.a.a.s.) sowie der Erklärungen der
Imame (a.s.) aus seinem Hause.
Es versteht sich von selbst, dass dieses – d.h. zu präzisen Kenntnissen über die Religion und
deren Weisungen zu kommen – nicht jedermanns Sache ist. Ein langwieriges Studium und
genaue Kenntnisse und Forschungen sind dazu vonnöten und so manches andere mehr. Daher
sind insbesondere jene, die sich damit ernsthaft und gewissenhaft befassen aufgerufen, diese
Kenntnisse über Gott und Seine Anordnungen in Erfahrung zu bringen und mitzuteilen. Das
heißt, diejenigen, die nicht die Möglichkeit haben, durch geeignete wissenschaftliche Studien und
Forschungsarbeiten die göttlichen Gebote und Belehrungen selbst zu ergründen bzw. zu
„exegieren“, haben sich folglich an jene zu wenden, die in diesem Metier bewandert sind und
mittels logischer Begründungen und wissenschaftlich-exakter Studien und Nachweise die
Verordnungen der Religion und entsprechende Erkenntnisse ausarbeiten. Was diese Geistlichen
Gelehrten ihnen sagen, befolgen und praktizieren sie.
Die Gelehrten, welche die göttlichen Weisungen exegieren, sind „Mugtahid“. Und das, was sie zu
ihrer Arbeit und Leistung befähigt, ist ihr „Igtihad“, ist ihr hoher Wissensgrad, der einhergeht mit
Wissensfleiß. Wer sich an ihren Erkenntnissen orientiert, ist „muqlid“, und sein Sich-Orientieren
an dem Mugtahid wird in der islamischen Terminologie als „Taqlid“ bezeichnet.
- 151 -
Auch dieses ist zu wissen, nämlich: „Taqlid“ betrifft gottesdienstliche Belange als auch
Angelegenheiten der Lebenspraxis. Was jedoch Überzeugung und weltanschauliche Themen –
Usul – anbelangt, ist „Taqlid“ fehl am Platze. Denn im Zusammenhang mit Glauben,
Anschauung und Überzeugung genügt es nicht, sie „blind“ zu übernehmen. Das würde dem
Charakter des „Glaubens“ widersprechen. Es geht nicht an, zu sagen: „Gott ist Einer, es gibt nur
Einen Einzigen Gott“, nur weil unsere Eltern und Großeltern so sprachen. Oder aber nur
deswegen, weil die „anderen Muslime“ davon überzeugt sind, zu „bezeugen“:
Die Auferstehung ist eine Realität.
Ein jeder ist also verpflichtet, sich über die Gründe für die Rechtmäßigkeit der Glaubenssäulen –
„Usul Din“ – zu informieren..., auch wenn auf noch so einfache Weise. Das heißt, er muss sie
kennen, um sie „überzeugt“ bezeugen zu können.
4.17 Verpflichtung gegenüber den Eltern
In der göttlichen Schöpfungsordnung sind die Eltern jenes „Mittel“, durch das Kind „entsteht“
und seine erste Erziehung erhält. Darum weist der Islam einen jeden an, seine Eltern zu achten
und zu ehren. Unter allen Umständen Diese Verpflichtung ist sehr ernst zu nehmen, gebietet doch
der Erhabene Gott unter anderem im 23. Vers der Sure 17, Isra’:
نِ إِحۡسَٰنًا ... Jۡ K هُ وَبِٱلۡوَٲ َِ __ لآ إِ _ لا تعَۡبُدُوٓاْ إِ _ كَ أَ v وَقَضَىٰ رَب
Gott gebietet dir, nichts und niemanden auكer Ihm anzubeten und gut zu deinem Vater
und deiner Mutter zu sein.
In Ahadit, in denen von den Kardinalsünden die Rede ist, wird gleich nach „Schirk“74 und
„Kufr“75 schlechtes Verhalten den Eltern gegenüber genannt. In den Versen 23 und 24 der
gleichen Sure heißt es in diesem Zusammenhang:
رِيمً۬ا u هُمَا قَوۡلاً۬ _ ف وَلَا تَنۡہَرۡهُمَا وَقُل ل ! هُمَا أُ ۬ _ هُمَا فَلَا تَقُل ل A دُهُمَا أَوۡ َِ E ِ بر أَ َ | ن عِندَكَ ٱ لۡ _ ما يَبۡلُغَ _ إِ
يَانِى صَغِيرً۬ا _ رَب . ب ٱرۡحَمۡهُمَا ََ + ر_ رحۡمَةِ وَقُل _ ل مِنَ ٱل + Xv َاحَ ٱ g وٱخۡفِضۡ لَهُمَا جَ
Wenn Vater oder Mutter oder beide نlter geworden sind, sprich niemals in lautem oder
grobem Ton mit ihnen (selbstverstنndlich auch nicht, wenn sie noch jung sind). Sprich
respektvoll zu ihnen und ehre sie. Sei freundlich und demutsvoll ihnen gegenüber. Und
sprich: O mein Gott, schenke ihnen Deine Huld und Barmherzigkeit..., ebenso wie sie mich,
als ich klein war, behüteten...
74 Schirk: Gott andere Gottheiten beisetzen, Polytheismus
75 Kufr: Gott leugnen und trotzen
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Der Islam befiehlt, Vater und Mutter zu gehorchen, es sei denn, sie verlangten, Gottes Wort nicht
zu befolgen oder aber etwas zu tun, das Er untersagt hat. Wie die Erfahrung zeigt sind jene, die
ihre Eltern Leid zufügen, in ihrem Leben keinesfalls glücklich und zufrieden und zählen nicht zu
denjenigen, denen Gott Sein Wohlgefallen schenkt.
4.18 Eltern
Die Eltern sind in der Familie das, was dem Baum die Wurzeln sind. Stamm und Äste, die
Baumkrone mit ihrem Laub..., sie alle würden ohne die Wurzeln nicht sein. Sind abhängig von
ihnen.
Ebenso ist es mit den Kindern. Jene, die ihnen die Basis zu ihrem Leben verschaffen, sind die
Eltern. Sie, die Väter und Mütter, sind es, die den Kindern und letztlich der Gesellschaft
Grundlage und Halt geben, die ihnen die Wurzeln sind.
Schlechtes Verhalten den Eltern gegenüber führt – ganz abgesehen davon, dass es ein deutliches
Zeichen von Undankbarkeit, Torheit und Unverschämtheit ist – zum Erlöschen der
Menschlichkeit der Betreffenden und letztendlich, das heißt wenn dieses Verhalten um sich
greift, zum Erlöschen der Gesellschaft. Denn wenn sich die Kinder ihren Eltern gegenüber
respektlos und menschenunwürdig aufführen, sind Enttäuschung und Frustration der letzteren die
Folge, was schließlich in Missfallen und Abneigung gegen Kindersegen endet.
Zudem..., wenn sich die Kinder ihren Eltern gegenüber schlecht verhalten, sollten sie nicht
erwarten, dass ihre eigenen Kinder einst besser mit ihnen umgehen werden. Dass sie ihnen im
Alter freundlich-geduldige Stütze und Hilfe sind. Doch nicht nur das..., es wird wahrscheinlich
soweit kommen, dass ihre eigenen Kinder, die ja an ihnen – was die Kind-Eltern-Beziehung
betrifft – ein schlechtes Vorbild haben, ganz davon absehen werden, eine Familie zu gründen und
Kinder zur Welt zu bringen. Darum, weil sie ein gesundes Familienleben – und zwar in gutem
Einvernehmen mit den Großeltern – nicht kennengelernt haben. Weil man ihnen nicht vorlebte,
dass es gilt, Rücksicht auf die Mitmenschen und besonders die altgewordenen Eltern zu nehmen,
ihnen zu helfen, beizustehen und mit Respekt zu begegnen. Bei so manchen jungen Menschen
unserer Zeit ist ein derartiges Denken und Vorgehen zu beobachten...
Darüber hinaus wird zweifelsohne durch eine solche „Praxis“ die Geburtenrate mehr und mehr
zurückgehen. Etwas, das nicht verwunderlich ist, schließlich wird kaum jemand hingehen und ein
Bäumchen pflanzen, an dessen Blüten und Früchten er sich nicht erfreuen und erquicken kann,
das ihm nichts als Mühen und Kummer bereitet.
Einige gehen in der Annahme, der Staat könne durch besondere Leistungen und Zuschüsse den
Wunsch nach Heirat, Familiengründung und Kinderwunsch forcieren, um auf diese Weise einem
Bevölkerungsschwund entgegenzuwirken. Doch sollte dabei nicht übersehen werden, dass nichts,
dem nicht ein natürliches, von Herzen kommendes Wollen zugrunde liegt, von Dauer sein wird.
Ganz abgesehen von all dem gehen dem Menschen, wenn natürliche Empfindungen und
Neigungen – wie z.B. die Liebe zwischen Eltern und Kindern und umgekehrt – „abgedrosselt“
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werden und erlöschen, so manche geistig-seelische Freude verloren. Etwas, das sich ganz gewiss
nicht positiv auf seine Psyche auswirken wird.