Ein Beispiel von vielen aus dem Koran:
"Und Er ist es, der wachsen lässt Gärten mit Rebspalieren und ohne Rebspaliere und die Palmen und das Korn,.... dessen Speise verschieden ist, und die Oliven und die Granatäpfel, einander gleich und ungleich: Esst von ihrer Frucht, so sie Frucht tragen und gebt die Gebühr davon am Tag der Ernte, und seid nicht verschwenderisch, siehe Er (Allah) liebt nicht die Verschwender." (6:141)
Ganz in diesem Sinne ist den Gläubigen auch geboten, jeden Prunk und Luxus zu meiden. Beispielsweise sind Essgeschirr aus Gold oder Silber untersagt.
Daraus leiten sich einige wichtige wirtschaftliche Grundsätze ab, die ich an dieser Stelle erwähnen möchte. Sie zielen nicht nur auf ein verantwortliches, umsichtiges Maßhalten beim Wirtschaften ab, sondern sollen auch ungerechtfertigter Bereicherung, die nicht auf dem Prinzip "Ertrag durch Leistung" beruht, entgegenwirken. So wird das Horten von Gütern, um die Preise hochzuhalten, abgelehnt; dasselbe gilt für die Vernichtung von Lebensmitteln. Es besteht ein allgemeines Zinsverbot, da Menschen in einer Notlage nicht noch zusätzlich belastet werden sollen. Transaktionen, bei denen Unsicherheitsfaktoren auftreten, bzw. bei denen etwas verkauft wird, was man selbst gar nicht besitzt, werden ebenfalls abgelehnt.
Die konsequente Anwendung solcher Grundsätze könnte einen erheblichen Beitrag zur Lösung etlicher Umweltfragen bedeuten. In Wirklichkeit ist die grenzenlose Förderung des Konsums ja nichts anderes als eine rücksichtslose Verschwendung, und diese ist für unser heutiges Weltwirtschaftssystem typisch.
Von fundamentaler Bedeutung im Umweltzusammenhang ist auch der bekannte Ausspruch des Propheten Muhammad (s.s.) "Reinheit ist der halbe Glaube." Reinheit ist für den einzelnen Muslim für die Vollziehung seiner religiösen Pflichten wichtig, weil er seine fünf täglichen Gebete nicht nur im Zustand der inneren, sondern auch der äußeren, körperlichen Reinheit und an einem reinen Ort, verrichten muss. Er wird dementsprechend alles meiden oder verhindern, das Verunreinigung und Verschmutzung verursacht. Vor allem die Reinheit des Wassers muss er bewahren, weil es für seine tägliche religiöse Praxis von primärer Bedeutung ist. Nur Wasser von hoher Qualität kann den reinigenden Zweck erfüllen. Der Muslim ist also eigentlich allein aus diesem Grund zum Umweltschützer prädestiniert, weil nur eine intakte Umwelt die Voraussetzungen bietet, die er für die Erfüllung seiner rituell-religiösen Pflichten benötigt. Hier, wie in anderen Dingen beschränkt sich der Islam nicht nur auf große Lösungen. Das Verhalten jedes Einzelnen soll erzieherisch beeinflusst und optimiert werden.
Jetzt will ich wieder auf Ahmed von Denffer zurückkommen. Er zieht aus seinen Überlegung den Schluss, dass die eigentliche Ursache der katastrophalen Umweltbelastungen die Arroganz und die Überheblichkeit sind, in der der moderne Mensch glaubt, unbeschränkter Herr seiner Umwelt zu sein und seinem hedonistischen Konsumdrang alles andere unterordnet. Der wesentliche Beitrag des Islam zur Beantwortung der Umweltfragen, aber auch anderer Menschheitsfragen läge darin, den Menschen an Gott und die Verantwortung, die er Ihm gegenüber hat, zu erinnern; die Menschen dazu einzuladen, sich um ein Gott wohlgefälliges Leben zu bemühen. Die Voraussicht und das Verantwortungsgefühl sind wesentliche Zeichen gläubiger Menschen. Sie sind es gewohnt, stets an die Folgen ihres Tuns zu denken. Der Islam kann hier sicher wertvolle Impulse geben.
Objektiverweise muss man an dieser Stelle allerdings erwähnen, dass es trotz der hohen islamischen Prinzipien
in der islamischen Welt an einem ausgeprägtem Umweltbewusstsein eher mangelt. Man darf dabei aber nicht übersehen, dass es sich bei diesen Ländern meist um wirtschaftlich schlecht entwickelte Staaten handelt, wo die Menschen häufig um ihr tägliches Brot kämpfen müssen. Nicht zuletzt deshalb ist die Auffassung weit verbreitet, dass Umweltschutz bzw. eine kostspielige Umweltschutzgesetzgebung ein unerschwinglicher Luxus sind, den man sich nur in hochindustrialisierten Ländern der sogen. "1. Welt" leisten kann. Ich halte es aber für überaus bedeutsam, die Menschen dort sowie überall auf der Welt für die uns alle betreffenden Umweltfragen zu sensibilisieren und in islamischen Ländern mit Nachdruck auf die islamischen Vorstellungen über den Umgang mit der uns geschenkten Schöpfung hinzuweisen. Denn gerade die islamische Einstellung geht davon aus, dass alles - so auch und insbesondere der Schutz und die Erhaltung unserer Umwelt - beim Verantwortungsgefühl des Einzelnen beginnt. Auch der kleine individuelle Beitrag kann außer dem Wohlgefallen Gottes - etwas bewirken, wenn er von vielen praktiziert wird.
Verantwortung für die Mitmenschen
Der Mensch hat aber nicht nur gegenüber seiner Umwelt Verantwortung zu tragen, sondern auch gegenüber seinen Mitmenschen, die ja, wie er selbst, Teil der Schöpfung sind. Hier kann man unterscheiden zwischen der Verantwortung für bestimmte Gruppen und der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung. Bei den Gruppen stehen an erster Stelle die Verwandten. Immer wieder wird den Gläubigen in Koran und Sunna die sogen. "Pflege der Verwandtschaftsbande" aufgetragen und dies in der Überlieferung sogar als einer der Gründe für das Kommen des Propheten Muhammad (s.s.) genannt. Den herausragenden Stellenwert unter den Verwandten haben die Eltern. Ihnen gegenüber ist Güte und Dankbarkeit geboten. Im Koran (Sura 17:23, 24) wird diese Forderung auf den Punkt gebracht:
"Und dein Herr hat beschlossen, dass ihr niemandem dient außer Ihm und den Eltern Gutes zu tun. Wenn einer von beiden oder alle beide bei dir das Alter erreichen, so sage nicht "pfui" zu ihnen und schelte sie nicht und sage ihnen ein ehrendes Wort. Und senke für sie beide den Arm der Duldsamkeit aus Barmherzigkeit und sag: 'Mein Herr, erbarme dich ihrer beider, wie sie mich aufgezogen haben, als ich klein war.'"
Eine besondere Stellung kommt der Mutter zu. Einmal kam ein Mann zum Propheten (s.s.) und fragte ihn: "Wer hat am meisten Anspruch, dass ich ihm ein guter Gefährte bin?" Der Prophet antwortete ihm: "Deine Mutter". Auf weiteres Fragen, wer danach käme, antwortete der Prophet noch zweimal mit 'deine Mutter'. Erst beim vierten Mal war die Antwort "Dein Vater". Sogar nach dem Tod der Eltern hat der Gläubige noch Pflichten ihnen gegenüber. Nämlich für sie zu beten, Vergebung für sie zu erbitten, ihre Verbindlichkeiten, die sie hinterlassen haben, zu erfüllen sowie die Bande der Verwandtschaft zu ihren Angehörigen zu pflegen und ihre Freunde zu achten.
Ganz kurz möchte ich noch weitere Gruppen erwähnen, die den Gläubigen besonders ans Herz gelegt worden sind:
Zuerst die Waisen und die Nachbarn. Im Koran wird immer wieder zur Speisung der Waisen sowie zu deren guter Behandlung angespornt und darauf hingewiesen, dass der wahre Glaube sich am Verhalten den Waisen gegenüber beweist. Es wird besonders davor gewarnt, sie ungerecht zu behandeln oder gar ihr Vermögen zu verprassen. Auch die gute Beziehung zu den Nachbarn ist den Gläubigen auferlegt. Wie weit die Verantwortung für gut-nachbarschaftliche Beziehungen geht, bringt ein Ausspruch des Propheten Muhammad (s.s.) zum Ausdruck: "Der Engel Gabriel hat mir so lange den Nachbarn ans Herz gelegt, bis ich meinte, er würde ihn zum Erben einsetzen." Die Gläubigen sollen ihre Nachbarn nicht nur gut behandeln, sondern sie nicht gering achten, nicht schlecht über sie sprechen, und sich nicht selbst satt essen, während der Nachbar zu hungern hat. Das Verhältnis zu den Nachbarn ist Prüfstein für den Gläubigen und soll durch gegenseitige Achtung, Rücksichtnahme und Barmherzigkeit geprägt sein.
Eine Gruppe und die Verantwortung ihr gegenüber möchte ich noch erwähnen, die hier von besonderem Interesse ist:
Die christliche Minderheit in einer islamischen Gesellschaft. Ich zitiere dazu einige wesentliche Passagen aus einem Vertrag, verfasst vom zweiten Khalifen Omar bin Al-Chattab, dessen Amtszeit 634-644 n.Chr. war:
"Dieser Vertrag gilt für alle christlichen Untertanen, Priester, Mönche und Nonnen. Er garantiert ihnen Sicherheit und Schutz, wo immer sie sich befinden. .... Entsprechender Schutz wird ihren Kirchen, Häusern und ihren Pilgerstätten zugesichert, ebenso denen, die diese Stätten aufsuchen: Georgiern, Abessiniern, Jakobiten, Nestorianern und allen jenen,die den Propheten Jesus anerkennen. Diese alle verdienen Rücksichtnahme, da sie zuvor durch eine Urkunde seitens des Propheten Muhammad geehrt worden sind, unter die er sein Siegel setzte und in der er uns nachdrücklich befahl, gütig zu ihnen zu sein und ihnen Schutz zu gewähren. .... Sie sind dementsprechend als Pilger in allen muslimischen Ländern, zur See und auf dem Lande, frei von der Zahlung aller Abgaben und Steuern ..... Wer immer diesen Vertrag gelesen hat und zwischen heute und dem Tage des Jüngsten Gerichtes ihm zuwider handelt oder mit ihnen im Gegensatz zu diesem Vertrag verfährt, der bricht das Bündnis mit Allah und das Seines geliebten Propheten ... "
Ähnliche Verträge wurden auch mit anderen Minderheiten abgeschlossen, wobei die Christen als sogen. "Besitzer der Schrift" eine besondere Stellung einnehmen. Solche Verträge nennt man "aqd al dhimma", was soviel heißt, wie: "ein Vertrag, dessen Einhaltung Gewissenspflicht der Gemeinschaft ist", für dessen Einhaltung also die gesamte Gemeinschaft verantwortlich ist. Ziel dieser Verträge war die Regelung der wechselseitigen Beziehungen auf der Grundlage gleicher Rechte und Pflichten. Mit einem Wort: die Angehörigen der Minderheiten sollen vollwertige Bürger in der islamischen Gesellschaft sein - dies ist ein islam. Prinzip, das fast 1400 Jahre als ist und insbesondere für die damalige Zeit geradezu revolutionär war.
Aber nun zur gesamtgesellschaftlichen Verantwortung des Menschen aus islamischer Sicht. Der Herstellung sozialer Gerechtigkeit soll die sogen. "Zakat" dienen, die eine der fünf Säulen der Glaubenspraxis und gottesdienstliche Handlung ist. Sie wird im Koran 28 x im Zusammenhang mit dem Gebet erwähnt, was ihren Stellenwert betont. Was ist Zakat? Am besten kann sie übersetzt werden mit der Umschreibung "soziale Pflichtabgabe" und darunter ist folgendes zu verstehen:
Eine Abgabe genau festgelegter Anteile des Vermögens an Bedürftige, die von Gott Selbst im Koran vorgeschrieben wird. Die Bedürftigen haben einen Rechtsanspruch auf diese Abgabe, weil man davon ausgeht, dass der Mensch ein etwaiges Vermögen Gott zu verdanken hat und kein Vermögen durch Almosen tatsächlich gemindert wird, denn Gott vermehrt in Seiner Barmherzigkeit jede gute Tat. Der Zakat-Empfänger und der Zakat-Pflichtige stehen nicht im Verhältnis eines Bittstellers einerseits und eines großzügigen Spenders andererseits zueinander, sondern sind gleichberechtigte Partner.
Für den Zakat-Pflichtigen stellt die Abgabe ein Training im verantwortungsbewussten Umgang mit Vermögen dar, das insbesondere darauf abzielt, den Gläubigen vor negativen Charaktereigenschaften wie Geiz, Habgier und deren Begleiterscheinungen zu bewahren. Auch die Zakat-Empfänger sollen vor der Entstehung schlechter charakterlicher Eigenschaften, wie Neid, Missgunst oder gar Hass auf die Wohlhabenden bewahrt bleiben und vor allem aus materieller Abhängigkeit befreit werden, um sich aktiv an der Entwicklung der Gesellschaft beteiligen zu können. Im Mittelpunkt steht das Streben nach sozialer und ökonomischer Gerechtigkeit, ohne Einschränkung der persönlichen Freiheit des Einzelnen, also die Förderung des sozialen Friedens.